Anna Gesine Stolle wird am 22. Juni 1872 als drittes Kind von Gerhard Hinrich Stolle und Margareta Stolle in Hurrel geboren, sehr wahrscheinlich auf dem Pachthof ihrer Eltern am Brink (heute: Hartmut und Ute Stolle). Sie ist die jüngere Schwester von Johann Hinrich Stolle und Johanne Gesine Stolle. Darüber hinaus hat sie mit Meta Katharine Stolle, Gerhard Stolle, Heinrich Stolle und Bertha Claußen noch vier jüngere Halbgeschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters mit Margaretas Schwester Beta von Seggern.
Eine Woche vor Anna Gesines Geburt legt das österreichisch-ungarische Forschungsschiff „Admiral Tegetthoff“ mit 21 Personen an Bord in Bremerhaven ab und nimmt Kurs auf die norwegische Stadt Tromsø. Von dort aus soll es unter Leitung von Julius Payer und Carl Weyprecht das Nördliche Eismeer erkunden. Die Expedition beruht auf der Annahme Weyprechts, es existiere eine im Hochsommer eisfreie Route, die am Nordpol vorbei Richtung Japan führt. Ein folgenschwerer Irrtum: Schon Ende August 1872 bleibt die „Admiral Tegetthoff“ nördlich der russischen Insel Nowaja Semlja stecken und muss sich fortan manövrierunfähig mit dem Packeis treiben lassen.
Auf ihrer Drift entdeckt die Besatzung im August 1873 eine bis dato lediglich einheimischen Fischern bekannte Inselgruppe, die Payer und Weyprecht nach dem regierenden österreichischen Kaiser „Franz-Joseph-Land“ taufen. Das Anfang November 1873 zuerst betretene Festland erhält zudem den Namen Wilczek-Insel, zurückgehend auf einen der Geldgeber der Expedition. In den folgenden Monaten unternehmen die Forscher auf der Insel diverse Fußmärsche und Schlittenreisen, um das Gebiet zu kartographieren. Im März 1874 stirbt dort der Matrose Otto Krisch an Tuberkulose.
Da die Vorräte zur Neige gehen, entscheiden Payer und Weyprecht im Mai 1874, das immer noch im Eis festgefrorene Schiff aufzugeben. Unter enormen Anstrengungen ziehen die Männer die Beiboote Richtung Süden und erreichen so Mitte August 1874 ohne weitere Verluste das offene Meer. Dort treffen sie nach sechs Tagen auf russische Fischfänger, die sie in die norwegische Hafenstadt Vardø bringen. Von dort geht es zunächst nach Hamburg und dann per Zug nach Wien, wo die Bevölkerung den Polarfahrern am 25. September 1874 einen begeisterten Empfang bereitet.
In Hurrel dürfte die Irrfahrt der „Admiral Tegetthoff“ – anders als möglicherweise die Polar-Reisen des deutschen Kapitäns Carl Koldewey einige Jahre zuvor – kaum ein Thema sein. Die Tuberkulose, die wie durch ein Wunder das einzige Opfer der Expedition fordert, dagegen schon. Sie grassiert seit langem im Dorf und kostet am 17. Januar 1874 auch Anna Gesine das Leben, wie 1871 und 1873 bereits ihre ältere Schwester und ihre Mutter. Beerdigt ist Anna Gesine sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.