Johann Hinrich Stolle wird am 24. März 1868 als erstes Kind von Gerhard Hinrich Stolle und Margareta Stolle in Hurrel geboren. Er ist der ältere Bruder von Johanne Gesine Stolle und Anna Gesine Stolle. Darüber hinaus hat er mit Meta Katharine Stolle, Gerhard Stolle, Heinrich Stolle und Bertha Claußen noch vier jüngere Halbgeschwister aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Margaretas Schwester Beta von Seggern.
In den Wochen nach Johann Hinrichs Geburt nimmt die Erste Deutsche Nordpolar-Expedition unter der Führung von Carl Koldewey konkrete Formen an. So reist Koldewey Anfang April 1868 im Auftrag des Geographen August Petermann nach Norwegen, um sich dort nach einem geeigneten Schiff umzusehen. Noch am Tag seiner Ankunft kauft er den Frachtsegler „Grönland“ und lässt ihn für die geplante Expedition umrüsten. Am 24. Mai sticht er begleitet von zehn Seeleuten und einem Koch von Bergen aus in See.
Sein Ziel, mit dem Schiff entlang der Ostküste Grönlands so weit wie möglich nach Norden vorzudringen, verliert Koldewey frühzeitig aus den Augen – schon am 9. Juni steckt die „Grönland“ im Packeis fest. Erst zwei Wochen später kann sie sich aus der Drift nach Süden befreien und nimmt Kurs auf Spitzbergen. Doch dort gibt es ebenfalls kein Durchkommen, weder im Südwesten noch im Nordosten der Inselgruppe. Auch der erneute Versuch, sich Grönland zu nähern, scheitert. Am Ende beschränkt sich Koldewey notgedrungen darauf, Teile der Insel Wilhelmøya näher zu erkunden und zu kartographieren. Unter anderem gelingt ihm der Nachweis, dass es sich tatsächlich um eine Insel handelt und nicht wie zuvor angenommen um ein Kap. Mitte September 1868 bricht die „Grönland“ dann ihre Mission ab und erreicht am 30. September wieder ihren Ausgangspunkt Bergen.
Obwohl die Forschungsreise zunächst wie ein Fehlschlag anmutet, bringt sie doch wichtige Erkenntnisse für die von Petermann unmittelbar im Anschluss geplante Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition. Sie startet – wieder unter der Leitung Koldeweys – am 15. Juni 1869 in Bremerhaven unter reger Anteilnahme der örtlichen Bevölkerung. Dieses Mal sind mit der „Germania“ und der „Hansa“ zwei Schiffe beteiligt, letzteres steht unter dem Kommando des damals in Oldenburg ansässigen Kapitäns Friedrich Hegemann. Das dürfte der Unternehmung auch in der von Hurrel rund 15 Kilometer entfernten Residenz-Hauptstadt einige Aufmerksamkeit einbringen.
Ob Koldeweys und Hegemanns Versuch, den Nordpol zu erreichen, 1869 in Hurrel ebenfalls ein Gesprächsthema ist? Darüber lässt sich mehr als 150 Jahre später nur spekulieren. Das offizielle Ende der in diesem Punkt letztlich erfolglosen Expedition im September 1870 steht jedoch dort wie in ganz Deutschland im Schatten eines anderen Ereignisses: Seit Juli 1870 bestimmt zuvorderst der Deutsch-Französische Krieg die Schlagzeilen, und die nach dem Sieg im Januar 1871 erfolgte Ausrufung des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser wird im Dorf mit Sicherheit gebührend gefeiert.
Sehr wahrscheinlich arbeiten Johann Hinrichs Eltern zu diesem Zeitpunkt bereits als Pächter auf jenem Hof am Brink, für den Vater Gerhard Hinrich dann 1879 erstmals als Eigentümer ausgewiesen wird (heute: Hartmut und Ute Stolle). Im Oktober 1870 ist die Familie um Johann Hinrichs Schwester Johanne Gesine gewachsen, die aber nur sechs Monate lang lebt. Als Todesursache nennt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude „Brustkrankheit“ – ein Synonym für die in jenen Jahren in Hurrel grassierende Volksseuche Tuberkulose. Ihr fallen im September 1873 auch Mutter Margareta und vier Monate später die im Juni 1872 geborene Schwester Anna Gesine zum Opfer.
Vermutlich ab Frühjahr 1874 besucht Johann Hinrich die Volksschule im Nachbardorf Lintel, wo aus Hurrel unter anderem Beta Brandt, Heinrich Brockshus, Bernhard Haverkamp, Diedrich Heinemann und Gesine Schweers zum Kreis der in etwa gleichalten Mitschüler gehören. Im Juli 1875 heiratet Vater Gerhard Hinrich ein zweites Mal, Johann Hinrichs Halbgeschwister aus dieser Ehe kommen zwischen April 1876 und Dezember 1885 zur Welt. Im Juli 1888 erliegt Gerhard Hinrich Stolle einem im Kirchenbuch nicht näher bezeichneten Unterleibs-Leiden – vier Jahre nach dem tuberkulosebedingten Tod von Johann Hinrichs ältester Halbschwester Meta Katharine.
Als im Juni 1890 auch Stiefmutter Beta an Tuberkulose stirbt, steht Johann Hinrich kurz nach seinem 22. Geburtstag vor einer schwierigen Situation: Er muss nicht nur allein den von seinem Vater ererbten Hof weiterführen, sondern sich zudem um seine drei verbliebenen, nun ebenfalls verwaisten Halbgeschwister kümmern. Vermutlich sehr bald schon kommt deshalb Rebecka Siemering aus Grummersort als Hilfe ins Haus. Ein Arbeitsverhältnis, bei dem es wie damals unter derartigen Umständen recht häufig nicht bleibt: Am 25. Mai 1897 wird Rebecka Johann Hinrichs Ehefrau.
Nach einem im März 1898 noch am Tag der Geburt verstorbenen Sohn vergrößert im Februar 1901 der zweite Sohn Gerhard Diedrich die Familie. Die Geburt seines dritten Sohnes Dietrich (14. Oktober 1906) erlebt Johann Hinrich dann nicht mehr mit: Er stirbt am 1. Oktober 1906 an Blutarmut und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.