Anna Katharina Ahrens wird am 11. Januar 1852 als erstes Kind von Gerd Hinrich Tönjes und Anna Catharina Sophia Tönjes auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heiko Pflug) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Gesine Sophie Tönjes, Anna Sophie Schnier, Anna Elise Schröder, Heinrich Bernhard Tönjes, Gerhard Hinrich Tönjes und Johann Friedrich Tönjes. Eine weitere, am 10. Januar 1857 zur Welt gekommene Schwester stirbt noch am selben Tag und bleibt deshalb namenlos.
Eine Woche vor Anna Katharinas Geburt sinkt der britische Raddampfer „Amazon“ auf seiner Jungfernfahrt zu den Westindischen Inseln. Das in Southampton in See gestochene Schiff befindet sich in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar 1852 rund 180 Kilometer südwestlich der Scilly-Inseln, als gegen 0.45 Uhr aus ungeklärter Ursache ein Feuer ausbricht. Von starkem Wind angefacht, gerät es rasch außer Kontrolle. Somit bleibt nur das Aussetzen der Rettungsboote, das allerdings alles andere als planmäßig verläuft: Lediglich zwei Boote gelangen erfolgreich zu Wasser. Bei den gescheiterten Versuchen ertrinken zahlreiche Passagiere, andere verbrennen oder ersticken noch in ihren Kabinen. Insgesamt kommen bei dem Unglück 104 der 163 Menschen an Bord ums Leben, darunter die prominenten Schriftsteller Gabriel Ferry und Elliot Warburton.
Schiffskatastrophen mit oftmals Hunderten von Toten sind Mitte des 19. Jahrhunderts nichts Außergewöhnliches, sie ereignen sich aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder. Nur sieben Wochen nach dem Untergang der „Amazon“ etwa erwischt es den britischen Truppentransporter „Birkenhead“, der vor der südafrikanischen Halbinsel Danger Point auf Grund läuft und sinkt. 445 Soldaten und Besatzungsmitglieder ertrinken, wie durch ein Wunder überleben alle mitreisenden Frauen und Kinder. Eine wahre Horror-Serie erlebt die Passagier-Schifffahrt dann im Jahre 1854. Zwischen Januar und September kommen allein beim Untergang der „Tayleur“, der „Powhattan“, der „City of Glasgow“ und der „Arctic“ mutmaßlich bis zu 1.200 Menschen ums Leben. Besonders mysteriös mutet dabei das Schicksal der „City of Glasgow“ an: Sie verschwindet im März 1854 mit 481 Personen auf der Fahrt von Liverpool nach Philadelphia in den Weiten des Nordatlantik. Bis heute fehlt jede Spur von ihr.
Am 5. November 1854 schließlich strandet bei Nordweststurm vor Spiekeroog die überwiegend mit Auswanderern besetzte Bark „Johanne“. Auf ihrer Jungfernfahrt von Bremen nach New York sterben insgesamt 77 Menschen, die übrigen 155 können sich bei einsetzender Ebbe an den Strand retten. Spiekeroogs Bewohner müssen dem Drama tatenlos zusehen, denn sie verfügen über keine Rettungsboote – ein Missstand, der im Deutschen Bund erste Rufe nach einer professionellen Seenotrettung laut werden lässt. Zunächst jedoch ohne Widerhall. Erst als im September 1860 vor Borkum die hannoversche Brigg „Alliance“ strandet und seitens der Insulaner erneut keine Möglichkeit zur Rettung der Passagiere besteht, ergreift ein privater Kreis um Adolph Bermpohl und Carl Kuhlmay die Initiative und gründet im April 1863 den Bremischen Verein zur Rettung Schiffbrüchiger.
Zu diesem Zeitpunkt besucht Anna Katharina bereits seit fünf Jahren die gemeinsam mit dem Nachbardorf betriebene Volksschule in Lintel. Dort gehören aus Hurrel unter anderem Mette Brockshus und Katharine Mönnich zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen – nicht jedoch die zwei Jahre jüngere Schwester Gesine Sophie, die im Juli 1854 noch als Säugling verstorben ist. Im September 1864 stirbt dann auch der 1861 geborene Bruder Gerhard Hinrich. Über die jeweilige Todesursache gibt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude keine Auskunft.
Ob Anna Katharina nach Schulabschluss und Konfirmation im Frühjahr 1866 zunächst weiter auf dem elterlichen Hof mitarbeitet oder andernorts in Stellung geht, liegt heute ebenfalls im Dunkeln. Es ist die Zeit der Einigungskriege: Dem 1864 von Preußen und Österreich gewonnenen Deutsch-Dänischen Krieg folgen im Sommer 1866 der Preußisch-Österreichische Krieg und schließlich im Sommer 1870 der Deutsch-Französische Krieg, in dessen Verlauf die deutschen Fürsten Preußens König Wilhelm I. zum Kaiser des neu gegründeten Deutschen Reichs ausrufen. Ein Ereignis, das Anfang 1871 auch in Hurrel und den umliegenden Dörfern begrüßt und gebührend gefeiert werden dürfte.
Sollte Anna Katharina 1873 noch oder wieder in Hurrel leben, bleiben ihr vermutlich die Schwierigkeiten auf dem von ihrem Zuhause rund einen Kilometer entfernten Hof von Hermann Ahrens (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) nicht verborgen. Dessen Ehefrau Margarete Elise leidet unter Wassersucht, sie stirbt im Januar 1874 und hinterlässt mit den Töchtern Meta, Adeline und Anna Gesine drei Kinder im Alter von acht, fünf und zwei Jahren. Eine für jeden Witwer schwierige Situation, die nach einer raschen Lösung verlangt. Wie zur damaligen Zeit durchaus nicht unüblich, besteht sie für Hermann Ahrens in einer noch im selben Jahr geschlossenen zweiten Ehe. In diesem Fall mit einer knapp 20 Jahre jüngeren Frau, nämlich mit Anna Katharina. Die Trauung findet am 26. November 1874 in Hude statt.
Für Anna Katharina ist es angesichts der geschilderten Umstände sehr wahrscheinlich keine Liebesheirat – was aber natürlich nicht ausschließt, dass beide Partner im Laufe der gemeinsam verbrachten Zeit dennoch tiefe Gefühle füreinander entwickeln. Der Start ähnelt gleichwohl einem Sprung ins kalte Wasser: Mit gerade einmal 22 Jahren steht Anna Katharina nicht nur für drei Stiefkinder in der Verantwortung, sondern bald auch als leibliche Mutter. Zwischen September 1875 und Oktober 1893 bringt sie mit Catharine Gesine, Sophie Helene (Januar 1878), Helene (April 1880), Johann Gerhard (Juni 1882), Heinrich (August 1883), Gesine (Oktober 1885), Mathilde (Juni 1888), Hermann Friedrich (Oktober 1889) und Johann insgesamt neun Kinder zur Welt. Dass sie nebenbei auch in der Bewirtschaftung des 1607 erstmals urkundlich erwähnten Ahrens-Hofes gefordert ist, versteht sich von selbst – wobei dessen Nutzfläche aus heutiger Sicht nicht ganz klar ist. Der überwiegende Teil des Besitzes besteht im 19. Jahrhundert aus Heideland und diente früheren Generationen vornehmlich zur Schafhaltung.
Was die Hofnachfolge angeht, so sind sich Hermann und Anna Katharina vermutlich früh einig darin, dass das in der Gemeinde Hude normalerweise zur Geltung kommende Jüngstenrecht keine optimale Lösung darstellt. Schließlich zählt Hermann bei der Geburt des jüngsten Sohnes Johann bereits 60 Lenze. Da der älteste Sohn Johann Gerhard im Dezember 1882 als Säugling verstorben ist, fällt die Wahl auf Heinrich.
Ein ähnliches, wenn auch weniger stark ausgeprägtes Problem gibt es auf dem benachbarten Tönjes-Hof von Anna Katharinas Eltern. Als dort im Februar 1879 Vater Gerd Hinrich kurz nach seinem 60. Geburtstag stirbt, ist ihr jüngster Bruder Johann Friedrich erst 16 Jahre alt. Gleichwohl steht er als Erbe fest. Gut möglich, dass Anna Katharina und Hermann bis zu Johann Friedrichs Heirat mit Anna Mathilde Grummer im Mai 1892 immer mal wieder helfend einspringen, denn die nächstjüngere Schwester Anna Sophie Margarete ist inzwischen in Dingstede verheiratet und der zweite Bruder Heinrich Bernhard nach Nebraska ausgewandert. Er kehrt zwar Ende 1892 noch einmal für einige Monate zurück, verlässt danach aber mit seiner Verlobten Anna Wilkens endgültig die alte Heimat.
Als Hermann Ahrens 1911 im Alter von 78 Jahren stirbt, steht Sohn Heinrich als Nachfolger parat – ist aber ähnlich wie sein Onkel Johann Friedrich eine Generation zuvor auf dem Tönjes-Hof noch nicht verheiratet. Anna Katharina, mit 59 Jahren ohnehin zu jung für den Ruhestand, bleibt deshalb weiter gefordert. Dasselbe gilt zunächst auch für ihren mit auf dem Hof lebenden jüngsten Sohn Johann, der allerdings im Juni 1912 überraschend einem Herzschlag erliegt.
Losgelöst von diesem schmerzlichen Verlust stehen Anna Katharinas letzte Lebensjahre im Schatten des seit August 1914 tobenden Ersten Weltkriegs, an dem die beiden noch verbliebenen Söhne teilnehmen. Ihre Rückkehr erlebt Anna Katharina nicht mehr mit: Sie erliegt am 24. Juli 1916 einer Lungenentzündung und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.