Gerhard Hinrich Stolle – Biographie

Gerhard Hinrich Stolle wird am 13. März 1878 als zweites Kind von Gerhard Hinrich Stolle und Beta Stolle in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Meta Katharine Stolle und der ältere Bruder von Heinrich Stolle und Bertha Claußen. Darüber hinaus hat er mit Johann Hinrich Stolle, Johanne Gesine Stolle und Anna Gesine Stolle noch drei ältere Halbgeschwister aus der ersten Ehe seines Vaters mit Beta Stolles verstorbener Schwester Margareta von Seggern.

Vier Tage vor Gerhards Geburt geht eine als Eisenstuck-Affäre in die Geschichtsbücher eingegangene Konfrontation zwischen dem Deutschen Reich und Nicaragua in ihre finale Phase. An jenem 9. März vereinen sich an der Westküste Panamas die Kriegsschiffe SMS Leipzig, SMS Ariadne und SMS Elisabeth und steuern auf die nicaraguanische Hafenstadt Corinto zu. Sie sollen eine deutsche Forderung durchsetzen, die anderthalb Jahre zuvor zwei Attacken auf den kaiserlichen Honorarkonsul Paul Eisenstuck ausgelöst haben: Nicaragua müsse die Täter bestrafen, eine Entschädigung von 30.000 US-Dollar zahlen und eine Ehren-Abordnung von Soldaten vor der deutschen Flagge salutieren lassen.

Folgendes war im Herbst 1876 passiert: Nach einem handgreiflichen Streit hatte die Stieftochter des Konsuls ihren einflussreichen nicaraguanischen Ehemann verlassen und mit der gemeinsamen Tochter im Haushalt der Eltern Zuflucht gefunden. Das wollte der Verlassene so nicht hinnehmen und forderte nachdrücklich die Rückkehr – ein erstes Mal mit drei Pistolenschüssen in Richtung der Familie und ein zweites Mal, indem er den Konsul von Polizisten verprügeln und anschließend verhaften ließ. Eisenstuck kam zwar sofort wieder frei, sah aber seine Forderung nach Strafverfolgung nicht ausreichend gewürdigt und schaltete Reichsaußenminister Bernhard Ernst von Bülow ein. Dieser wiederum bat die Admiralität um Unterstützung, die schließlich alles Weitere veranlasste.

Am 18. März 1878 erreichen die drei kaiserlichen Korvetten ihr Ziel. Ein weiteres deutsches Kriegsschiff, die SMS Medusa, hatte bereits einen Tag zuvor an der Ostküste Nicaraguas angelegt und kampflos die Stadt San Juan del Norte besetzt. Zu weiteren militärischen Aktionen kommt es dann jedoch nicht mehr, weil die Regierung in Managua nachgibt und die von Deutschland zuvor mit den USA und Großbritannien auf Rechtmäßigkeit abgestimmten Forderungen am 31. März erfüllt. Das für die damalige Zeit durchaus typische Beispiel für eine von den Großmächten verfolgte Kanonenboot-Politik findet damit ein friedliches Ende – belastet die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern aber noch über Jahre hinaus.

Inwieweit die Eisenstuck-Affäre in Hurrel registriert und verfolgt wird, lässt sich nur vermuten. Dort kommt am selben Tag wie Gerhard noch Aline Wübbenhorst zur Welt, muss diese aber schon vor dem ersten gemeinsamen Geburtstag im März 1879 wieder verlassen. Die allgemein hohe Kindersterblichkeit am Ausgang des 19. Jahrhunderts schlägt in vielen Hurreler Familien zu. Auch in Gerhards: Seine ältere Schwester Meta Katharine stirbt 1884 im Alter von acht Jahren an Tuberkulose, die beiden Halbschwestern Johanna Gesine und Anna Gesine lernt er gar nicht erst kennen. Auch die Eltern sterben früh: Vater Gerhard Hinrich im Juli 1888 und Mutter Beta – ebenfalls an Tuberkulose – im Juni 1890. Beide haben 1878 oder 1879 den heutigen Hof von Hartmut Stolle am Brink gekauft, den sie in den Jahren zuvor sehr wahrscheinlich bereits als Pächter bewirtschaftet hatten. Dort dürften Gerhard und seine Geschwister auch geboren sein.

Nach dem Tod der Eltern führen Gerhards 1868 geborener Halbbruder Johann Hinrich und dessen Ehefrau Rebecka den Hof weiter und kümmern sich auch um Gerhard und seine beiden jüngeren Geschwister. Als Johann Hinrich im Oktober 1906 an Blutarmut stirbt, erbt zunächst Rebecka. Da ihr als nächster Erbe vorgesehener Sohn Gerhard Diedrich erst fünf Jahre alt ist, verpachtet sie den Hof bis auf weiteres an Gerhard, der ein halbes Jahr zuvor Anna Schlötelburg aus Altmoorhausen geheiratet hat.

Aus Gerhards und Annas Ehe gehen neben einem im März 1907 unmittelbar nach der Geburt namenlos verstorbenen Sohn zwischen 1908 und 1919 fünf weitere Kinder hervor: Johann, Gustav, Adele, Georg und Gerhard Junior. Den zweitjüngsten, im Februar 1915 geborenen Sohn dürfte Gerhard dabei nur sehr selten zu Gesicht bekommen: Zu dieser Zeit tobt bereits der Erste Weltkrieg, an dem Gerhard von Beginn an teilnimmt, und auch Georg stirbt bereits kurz nach seinem ersten Geburtstag.

Nach Kriegsende im November 1918 kehrt Gerhard nach Hause zurück und arbeitet weiter auf seinem Pachthof. Aus dieser Zeit ist überliefert, dass er nebenbei sehr viele Holzschuhe anfertigt – in einem unbeheizten Schuppen, was ihm letztlich wohl den Tod bringt: Gerhard stirbt am 12. Februar 1924 an einer Lungenentzündung. Beerdigt ist er wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.