Georg Hartmann – Biographie

Georg Hartmann wird am 19. März 1903 als viertes Kind von Diedrich Georg Hartmann und Gesine Hartmann in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Johann Hartmann, Emma Johanne Meyer und Meta Gesine Warrelmann.

Am Tag von Georgs Geburt stirbt in Leipzig völlig überraschend Theodor Schöffler, einer der einflussreichsten Fußball-Pioniere Deutschlands. Obwohl er nur 26 Jahre alt wird, hat sich Schöffler in seinem kurzen Leben sowohl als Spieler einen Namen gemacht wie auch als Trainer und Funktionär. So gehört er im Januar 1900 zu jenen Männern, die im Leipziger Restaurant „Zum Mariengarten“ den Deutschen Fußballbund (DFB) aus der Taufe heben. Als Spielertrainer hat er zudem maßgeblichen Anteil am Erfolg des VfB Leipzig, der in der Endrunde zur ersten Deutschen Fußballmeisterschaft steht.

Doch auch nach dem Verlust ihrer Leitfigur gehen die Leipziger topfit ins Turnier, das am 3. Mai 1903 mit einem 8:1-Kantersieg des Altonaer FC gegen den Magdeburger FC Viktoria beginnt. Angeführt von Abwehr-Chef Heinrich Riso und Stürmer Bruno Stanischewski schießen sie sich eine Woche später mit einem 3:1 gegen den Berliner Thor- und Fußball-Club Britannia ins Halbfinale, wo sie am 17. Mai dem Altonaer FC mit 6:3 keine Chance lassen. Im am 31. Mai auf der Exerzierweide in Altona ausgetragenen Finale wartet der favorisierte DFC Prag, der es kampflos und auf äußerst kuriose Art und Weise dorthin geschafft hat: Der Prager Halbfinalgegner Karlsruher FV erhielt im Vorfeld aus anonymer Quelle ein gefälschtes Telegramm mit der Mitteilung, das Spiel müsse verlegt werden. Weil die Mannschaft daraufhin nicht anreiste, wurde sie vom DFB disqualifiziert.

Das für 16 Uhr angesetzte Finale vor knapp 500 Schaulustigen muss zunächst um 45 Minuten verschoben werden, weil kein spielfähiger Ball vor Ort ist. In der Anfangsphase werden die Prager ihrer Führungsrolle gerecht und schießen in der 22. Minute das erste Tor, Leipzig gleicht allerdings neun Minuten später aus. In der zweiten Halbzeit macht sich dann die bessere, auf Schöfflers Trainingsmethoden zurückgehende Kondition der Leipziger bezahlt: Sie ziehen schnell mit 3:1 davon und siegen am Ende souverän mit 7:2.

Die geschilderten Umstände der ersten deutschen Meisterschaft zeigen, dass Fußball zu Beginn des 20. Jahrhunderts hierzulande noch weit davon entfernt ist, ein Volkssport zu sein. Gleichwohl entstehen zahlreiche Vereine – auch im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Hurrel damals gehört. In der Landeshauptstadt Oldenburg gibt es seit April 1903 mit dem 1897 gegründeten FC Oldenburg und dem neu hinzugekommenen FV Germania sogar zwei davon. Beide gelten heute als Keimzelle des VfB Oldenburg. Und obwohl zu jener Zeit in Hurrel wohl niemand einen Gedanken an Flanken, Pässe oder Tore verschwendet, wird Georg gewissermaßen auf einem Fußballfeld geboren: Sein Elternhaus steht 1903 nämlich fast genau dort, wo die Dorfjugend seit 2008 ihren Bolzplatz hat. Erst 1913 errichtet Georgs Vater auf der gegenüberliegenden Seite des Brinks auf trockenerem Standort ein neues Wohngebäude (heute: Michael und Sara Westphal).

Zu diesem Zeitpunkt besucht Georg bereits seit einigen Jahren die rund 300 Meter entfernte Volksschule, wo unter anderem Diedrich Gramberg, Bernhard Haverkamp, Diedrich Heinemann, Gerhard Pflug, Georg Tönjes, Heinrich Wieting und Wilhelm Witte zu seinen in etwa gleichaltrigen Klassenkameraden gehören. Ein erhaltenes Schriftdokument aus jenen Jahren ist Georgs Eintrag im Poesiealbum von Martha Wiedau, das seine Mitschülerin Anfang 1912 anlässlich ihrer Konfirmation hat herumgehen lassen.

Schon bald nach dem Umzug bricht im August 1914 der Erste Weltkrieg aus, an dem Georgs 1895 geborener Bruder Johann sehr wahrscheinlich von Beginn an teilnimmt. Er wird den amtlichen Verlustlisten zufolge im Sommer 1917 an der Front schwer verwundet, kehrt aber Ende 1918 lebend zurück. Unabhängig davon dürfte in der Familie frühzeitig feststehen, dass Georg als jüngster Sohn eines Tages den rund 15 Hektar großen Hartmann-Hof übernehmen soll. In dessen Bewirtschaftung wird er deshalb von frühen Kindesbeinen an eingebunden sein.

Ob Georg in den vor allem durch die Hyperinflation und die daraus resultierenden Probleme der Landwirtschaft geprägten 20er Jahren zwischenzeitlich noch auf einem anderen Hof arbeitet, ist im Dorf nicht überliefert. Wann und bei welcher Gelegenheit er seine künftige Ehefrau Martha Würdemann aus Maibusch kennenlernt, liegt heute ebenfalls im Dunkeln. Beide heiraten im Mai 1930 in Hude – also zu einer Zeit, in der die in den USA begonnene Weltwirtschaftskrise schon massiv auf Deutschland übergreift: Zwischen September 1929 und Februar 1930 ist die Zahl der Arbeitslosen reichsweit von 1,4 auf fast 3,5 Millionen Menschen gestiegen.

Es beginnt die Phase der Notverordnungen, bei der Reichstagswahl vom 14. September 1930 steigert die radikal antisemitische und demokratiefeindliche NSDAP ihren Stimmenanteil von 2,6 auf 18,3 Prozent. Zwei Wochen, bevor am 30. Mai 1931 Georgs und Marthas Tochter Anita geboren wird, holt die von Adolf Hitler geführte Partei bei der Landtagswahl im Freistaat Oldenburg sogar 37,2 Prozent. Als wollte sie die desolate Lage der von Hitler und seinen braungekleideten Parteigenossen bekämpften Weimarer Republik noch unterstreichen, verliert die deutsche Fußball-Nationalmannschaft eine Woche später ihr Länderspiel gegen Österreich mit 0:6.

Mit Hitlers Berufung zum Reichskanzler im Januar 1933 bessert sich die wirtschaftliche Lage zunächst. Als im Juni 1936 Georgs und Marthas Sohn Werner zur Welt kommt, herrscht im NS-Staat quasi Vollbeschäftigung. Der Preis dafür ist allerdings hoch angesichts des menschenverachtenden Terrors, mit dem die neuen Machthaber alle Bereiche des öffentlichen Lebens gleichschalten und Millionen Bürger jeglicher Rechte berauben.

Auf dem Hartmann-Hof hat Georg im Juni 1936 längst das Kommando übernommen – Vater Diedrich Georg ist inzwischen 76 Jahre alt, Mutter Gesine 67 Jahre. Nach der vorübergehenden Betriebsaufgabe seines Nachbarn Georg Barkemeyer pachtet Georg 1938 von ihm noch etwas Land hinzu. Als einer der wenigen Bauern im Dorf besitzt er zudem bereits einen Führerschein sowie ein eigenes Auto, das mitunter auch im Rahmen der Nachbarschaftshilfe zum Einsatz kommt: Als etwa Anfang Juli 1938 die Geburt von Georg Barkemeyers Enkelin Irmgard ansteht, fährt Georg die werdende Mutter Henny Wilkens zur Entbindung in die Landesfrauenklinik nach Oldenburg und holt sie einige Tage später mitsamt Tochter wieder ab.

Zum innenpolitischen Terror mit den Novemberpogromen als vorläufigem Höhepunkt gesellt sich ab 1938 das außenpolitische Vabanque-Spiel der NS-Führung. Kommt sie damit im Falle des Anschlusses Österreichs, der mit dem Münchner Abkommen diplomatisch beigelegten Sudetenkrise, der Zerschlagung der Rest-Tschechei und des fast gleichzeitig übermittelten Ultimatums an Litauen noch durch, so ist mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 der Bogen endgültig überspannt. Am daraufhin beginnenden Zweiten Weltkrieg muss Georg, der im Januar 1943 mit der Geburt von Tochter Linda noch ein weiteres Mal Vater wird, zwar nicht teilnehmen. Dessen Folgen bekommt er mit seiner Familie nach dem totalen politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands im Frühjahr 1945 aber natürlich ebenso schmerzlich zu spüren wie alle Hurreler.

Zu Beginn des Hungerwinters 1946/47 stirbt Georgs Vater (24. November 1946), im Jahr darauf dann auch Mutter Gesine (2. Juli 1947). Neben Georg, Martha, Anita, Werner und Linda wohnt in dieser Zeit das Ehepaar Wilhelm und Adele Rohlfs auf dem Hartmann-Hof, es hat dort kurz nach Kriegsende eine kleine Oberwohnung bezogen. Erst 1948 bessern sich dank der im Juni vollzogenen Währungsreform die Verhältnisse etwas. Die Zeit der größten Not ist vorbei, und mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 endet das Provisorium der britischen Besatzung. Auch in Hude konstituiert sich wieder ein Gemeinderat, in dem Georg als Vertreter Hurrels kurzzeitig vertreten ist.

Nachdem Georg bereits seit den frühen 20er Jahren zu den aktiven Mitgliedern des 1899 begründeten Schützenvereins Hurrel gehört hatte, nimmt er am 6. April 1950 auch an jener Versammlung im Gasthof von Otto Mehrings teil, die den unter alliierter Kontrolle verbotenen Verein wieder aufleben lässt. Im Vorstand übt er zunächst das Amt des ersten Schießwarts und später das des zweiten Vorsitzenden aus. Zwar gelingt es Georg in den folgenden anderthalb Jahrzehnten trotz diverser Wettbewerbs-Erfolge nicht selbst, die begehrte Würde eines Schützenkönigs zu erringen. Dass Sohn Werner 1957 im Alter von erst 21 Jahren zum König ausgerufen wird, dürfte ihn allerdings mit Stolz erfüllen. Auch bei einem anderen mit Leidenschaft betriebenen Hobby – der Jagd – eifert Werner dem Vater nach. Georgs Hoffnung, nach der im Frühjahr 1955 gefeierten Hochzeit von Tochter Anita mit Gerold Schröder aus Dingstede bald auch vom designierten Hof-Nachfolger eine Schwiegertochter präsentiert zu bekommen, erfüllt sich allerdings nicht.

Sofern es die Arbeitsbelastung auf dem Hof zulässt, besucht Georg in den 50er Jahren regelmäßig seinen inzwischen erblindeten Nachbarn Georg Barkemeyer, um sich von Ex-Ratsherr zu Ex-Ratsherr über das aktuelle Weltgeschehen auszutauschen. Auch zu den übrigen Nachbarn pflegen er und Martha ein gutes Verhältnis – sofern es dort etwas zu helfen oder zu feiern gibt, sind sie dabei. Die nächste größere Feier im Hause Hartmann steht im Juli 1965 an: Tochter Linda heiratet Helmut Grashorn aus Kirchkimmen und verlässt danach wie zehn Jahre zuvor Schwester Anita den elterlichen Hof.

Nachdem Georg im Frühjahr 1968 sein letztes öffentliches Ehrenamt – ein Aufsichtsrats-Mandat der Raiffeisen-Genossenschaft Hude – abgegeben hat, zieht er sich mehr und mehr ins Privatleben zurück. Er stirbt am 14. August 1976 nach längerer Krankheit und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.