Heinrich Pape – Biographie

Heinrich Pape wird am 20. September 1894 als drittes Kind von Hinrich Pape und Trinchen Gesine Pape in Dingstede geboren. Er ist der jüngere Bruder von Katharine Wieting und Anna Marie Eilers und der ältere Bruder von Karl Friedrich Pape, Friedrich Wilhelm Pape, Johanne Pape und Johann Pape. Daneben hat er mit Klara Wachtendorf, Georg Pape, Johann Pape, Adolf Pape, Rudolf Pape, Arthur Pape, Ida Busemann, Frieda Pape, Rosa Westerholt, Heino Pape und Walter Pape elf Halbgeschwister aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Gesine Engels.

Der September 1894 ist mit der Erinnerung an gleich zwei berühmte deutsche Literaten verknüpft. Zum einen an Heinrich Hoffmann: Der Frankfurter Psychiater, Lyriker und Kinderbuchautor stirbt am Tag von Heinrichs Geburt im Alter von 85 Jahren. Weltruhm erlangt er mit dem „Struwwelpeter“ – einem Ende 1844 aus der Not heraus entstandenen Reim- und Bilderbuch. Weil Hoffmann auf der Suche nach kindgerechter Literatur für seinen dreijährigen Sohn Carl Philipp nicht fündig wird, kauft er lediglich ein leeres Schreibheft und greift kurzerhand selbst zur Feder.

Das unter dem Weihnachtsbaum platzierte Ergebnis überzeugt nicht nur den Beschenkten, sondern findet auch im Bekanntenkreis des Autors großen Anklang. Der befreundete Verleger Zacharias Loewenthal kann Hoffmann schließlich 1845 zur Veröffentlichung seiner gesammelten Erzählungen vom struwweligen Peter, dem Suppen-Kaspar und allerlei anderen tragischen Gestalten wie dem Zappel-Philipp oder Hans Guck-in-die-Luft überzeugen. Sie sind von Anfang an ein Selbstläufer und werden im Laufe der folgenden Jahrzehnte in zahlreiche andere Sprachen übersetzt. Bis heute gilt der „Struwwelpeter“ als eines der populärsten Kinderbücher aller Zeiten.

Leitet Hoffmann seine Geschichten in erster Linie von der in der Psychiatrie getätigten Beobachtung verhaltensauffälliger Kinder ab, widmet sich Dichter-Kollege Gerhart Hauptmann in seinem am 25. September 1894 am „Deutschen Theater“ in Berlin erstmals öffentlich aufgeführten Drama „Die Weber“ einem gänzlich anderen, aber nicht minder ernsten Thema. Im Mittelpunkt steht der 1844 niedergeschlagene Aufstand der schlesischen Baumwoll-Weber, die sich gegen Lohn-Dumping und schlechte Behandlung durch örtliche Fabrikbesitzer zur Wehr setzen. Angesichts der gedanklichen Nähe zu den Ideen der März-Revolution von 1848 verbieten die Behörden zunächst eine Aufführung, Hauptmann muss sie sich gerichtlich erstreiten. Während das Publikum „Die Weber“ feiert, reagiert Kaiser Wilhelm II. erbost: Er kündigt unmittelbar nach der Premiere seine Loge im „Deutschen Theater“ und lässt auch das dort angebrachte kaiserliche Wappen entfernen.

Weder von Hoffmanns Tod noch von Hauptmanns Theater-Erfolg dürfte in Heinrichs unmittelbarer Umgebung irgendjemand großartig Notiz nehmen: Dingstede ist zu jener Zeit wie der Nachbarort Hurrel ein typisches Bauerndorf im Großherzogtum Oldenburg, dessen Bewohner in der zweiten Septemberhälfte wie schon in den Wochen zuvor in erster Linie mit dem Einbringen der Ernte beschäftigt sind.

Wo genau in Dingstede Heinrichs Wiege steht und wo er die ersten Jahre seines Lebens verbringt, ist heute nicht mehr bekannt. Es könnte der Hof seines 1889 verstorbenen Großvaters Bernhard Pape (heute: Ernst Schröder) sein, ebenso gut aber auch ein anderer landwirtschaftlicher Betrieb im Dorf, auf dem Vater Hinrich 1894 mit der bis 1902 um vier weitere Mitglieder anwachsenden Familie lebt und arbeitet.

Am 31. März 1902 – in jenem Jahr der Ostermontag – stirbt Mutter Trinchen Gesine im Alter von nur 31 Jahren. Ihr folgen drei Wochen darauf die knapp zweijährige Schwester Johanne und noch einmal vier Wochen später der erst Mitte Januar geborene Bruder Johann. Als Todesursache notiert das Kirchenbuch in Hatten Schwindsucht, ein Synonym für die um die Jahrhundertwende noch immer weit verbreitete Tuberkulose. Für Heinrich, der zu dieser Zeit wahrscheinlich die zweite Klasse der Volksschule Dingstede besucht, mit Sicherheit ein traumatisches Erlebnis und der erste entscheidende Einschnitt in seinem Leben.

Fast exakt auf den Tag zwei Jahre nach dem Tod der Mutter, am 29. März 1904, heiratet Vater Hinrich erneut. Seine zweite Ehefrau Gesine Engels aus Geveshausen bringt ihren Sohn Wilhelm mit in den gemeinsamen, fortan aus acht Personen bestehenden Haushalt. Nach wie vor ist nicht klar, wo die Familie zu diesem Zeitpunkt wohnt, doch sie wächst beständig weiter: Noch in Dingstede kommen Heinrichs Halbgeschwister Klara und Georg hinzu, bevor Hinrich 1907 von Bernhard Schütte in Hurrel einen zehn Jahre zuvor von Hermann Quitsch begründeten Hof (heute: Marlies und Markus Pape) kauft und mit Frau und Kindern ins Nachbardorf zieht. Dort werden zwischen Dezember 1908 und Juli 1914 die Halbgeschwister Johann, Adolf, Rudolf und Arthur geboren.

Es ist wahrscheinlich, dass Heinrich bereits kurz vor oder spätestens kurz nach Johanns Geburt das Elternhaus verlässt und auf einem anderen Hof in der näheren Umgebung in Stellung geht. Wo genau, ist nicht überliefert – definitiv markiert jedoch der Juli 1914 einen weiteren tiefen Einschnitt in Heinrichs Leben. Denn die nach dem Attentat von Sarajevo ausbrechende Juli-Krise mündet direkt in den Ersten Weltkrieg, an dem Heinrich als Musketier der kaiserlichen Armee teilnimmt und dessen Schrecken er den offiziellen Quellen zufolge irgendwo an der Westfront erlebt. Dort verliert sich seine Spur: Das Kirchenbuch der Gemeinde Hude vermeldet lediglich, dass er am 24. Oktober 1916 – sieben Wochen nach der Geburt der Halbschwester Ida – in englischer Gefangenschaft stirbt. Wo er beerdigt ist, liegt ebenso im Dunkeln wie die genauen Umstände seines Todes.

Anders als von den meisten anderen Kriegsteilnehmern existiert von Heinrich heute kein Foto mehr – wenn es denn je eines gegeben hat. Auf einer im Haus von Dietrich Münstermann (heute: Karl-Heinz Ziessow) aufbewahrten, vermutlich in den 20er Jahren erstellten Gedenktafel mit Schwarz-Weiß-Porträts von insgesamt 73 Gefallenen und Heimkehrern aus Hurrel und Altmoorhausen taucht sein Name nicht auf, wohl aber der seines Bruders Friedrich Wilhelm. Bei näherer Recherche stellt sich allerdings heraus, dass es sich bei diesem Kriegsteilnehmer um einen ebenfalls in Dingstede geborenen, jedoch nicht zur Familie gehörenden Namensvetter handelt.

Ebenfalls nicht auf der Tafel vertreten sind Georg Barkemeyer und Heinrich Rüdebusch, die nachweislich am Krieg teilnahmen und nach Hurrel zurückkehrten – anders als ihre dort als Heimkehrer gekennzeichneten Nachbarn Georg von Seggern und Hinrich Schweers, die dieses Glück ebenso wie Heinrich Pape nicht hatten. Ein Beleg dafür, dass auch eine auf den ersten Blick authentisch wirkende Quelle nicht frei von Tücken ist.