Adele Schweers – Biographie

Adele Johanne Gesine Schweers wird am 3. November 1913 als viertes Kind von Gerhard Hinrich Stolle und Anna Stolle auf dem elterlichen Pachthof in Hurrel (heute: Hartmut und Ute Stolle) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Stolle und Gustav Stolle und die ältere Schwester von Georg Stolle und Gerhard Stolle. Ein weiterer Bruder ist im März 1907 unmittelbar nach der Geburt gestorben und deshalb namenlos geblieben.

Einen Tag nach Adeles Geburt beenden Deutschland und Frankreich mit dem Marokko-Kongo-Abkommen die Zweite Marokko-Krise. Darin erkennt das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II. die in den Jahren zuvor immer wieder in Frage gestellte Vorherrschaft Frankreichs über dessen Nordafrika-Kolonie Marokko an. Im Gegenzug tritt Frankreich ein rund 280.000 Quadratkilometer großes Gebiet seiner Besitzungen in Äquatorial-Afrika an Deutschland ab. Mit der Neu-Kamerun genannten Kolonie sichert sich das Deutsche Reich einen Zugang zum Kongo-Becken, das über große Rohstoffvorkommen verfügt.

Auch an einer zweiten, gänzlich anderen Front zieht Wilhelm II. in jenen Wochen einen Schlussstrich. Am 20. November 1913 erlässt der Kaiser für alle Offiziere seiner Armee das Verbot, in Uniform Tango zu tanzen. Der lateinamerikanische Modetanz, der von Paris und London kommend längst auch die Berliner Salons erobert hat, ist Seiner Majestät in höchstem Maße suspekt. Er charakterisiert ihn wegen der damit verbundenen Bewegungen als lasziv, gegen die guten Sitten verstoßend und als „ausgesprochen widerwärtig“. Ein Berater Wilhelms mutmaßt angeblich sogar, die Engländer hätten den Tango ins Reich geschleust, um die deutschen Soldaten beim Marschieren aus dem Takt zu bringen – eine selbst für die damalige Zeit höchst gewagte These.

Wie auch immer: Nur wenige Tage nach Wilhelm II. spricht auch Papst Pius X. in der Angelegenheit ein Machtwort. Weil sich inzwischen aus ganz Europa die Anfragen von Priestern häufen, ob sie Katholiken, die bei der Beichte gestehen, Tango getanzt zu haben, Absolution erteilen dürfen, erklärt Pius Tango kurz und bündig zum unsittlichen und damit für Gläubige verbotenen Tanz. Nur gut, dass Adeles astrologischer Zwilling, die ebenfalls am 3. November 1913 geborene und später beim Film Karriere machende Revue-Tänzerin Marika Rökk, sich an Vorschriften dieser Art nie gebunden fühlt.

Wenige Monate später tritt das Tango-Thema jedoch in den Hintergrund, die Welt hat mittlerweile größere Sorgen. Am 1. August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg, an dem auch Adeles Vater teilnimmt. Aus ihren ersten Lebensjahren dürfte sie deshalb kaum Erinnerungen an ihn haben – ebenso wie an ihren jüngeren Bruder Georg, der im April 1916 im Alter von nur 14 Monaten stirbt.

Mit ihrem 1910 geborenen Bruder Gustav – Johann ist deutlich älter, Gerhard deutlich jünger – besucht Adele acht Jahre lang mit den anderen Dorfkindern die Volksschule in Hurrel. Zu diesem Kreis gehört auch ihr späterer Ehemann Diedrich Schweers: Ein zu Beginn der 20er Jahre aufgenommenes Klassenfoto zeigt beide zusammen mit 42 Mitschülern und Lehrer Alexander Hasselhorn vor dem Schulgebäude.

Kurz nach Adeles zehntem Geburtstag stirbt ihr Vater an einer Lungenentzündung. Deshalb geht sie nach dem Schulabschluss nicht auf einem anderen Betrieb in Stellung, sondern hilft auf der von der Familie gepachteten Landwirtschaft. Dies ist nach einem Umzug 1930 nicht mehr der Hof ihres Vetters Gerhard Diedrich Stolle am Brink, auf dem sie geboren ist, sondern der heutige Hof von Jörg und Monika Wittkopf an der Pirschstraße.

Am 18. Juli 1935 – in jenem Jahr, in dem ihr astrologischer Zwilling Marika Rökk ihren ersten deutschen Spielfilm „Leichte Kavallerie“ dreht – heiratet Adele Diedrich Schweers und zieht auf den von ihm und seiner Mutter Gesine bewirtschafteten Schweers-Hof. Drei Monate später kommt Tochter Lisa zur Welt. Die Geburt des zweiten Kindes Ingo im März 1940 wird überschattet vom sechs Monate zuvor ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg, zu dem auch Diedrich bald eingezogen wird. Weil dessen Mutter Gesine bereits im November 1937 verstorben ist, liegt die Verantwortung für den Hof nun allein bei Adele. Hilfe bei der täglichen Arbeit bekommt sie aber von mehreren Angestellten und später von französischen Kriegsgefangenen und einem Mädchen aus der Ukraine.

Nachdem Diedrich zunächst in Norwegen stationiert ist und hin und wieder auf Urlaub nach Hause kommt, werden die Besuche und auch die Lebenszeichen in Form von Feldpostbriefen nach seiner Versetzung an die Ostfront seltener. Schließlich reißen sie ganz ab: Seit dem 24. Juli 1944 gilt Diedrich als vermisst, die genauen Umstände seines Todes bleiben bis heute ungeklärt. Auch Adeles Bruder Gustav kehrt nicht aus dem Krieg zurück, er fällt bereits im Oktober 1943.

Die Monate vor und nach der deutschen Kapitulation im Mai 1945 sind für Adele – wie wohl für alle Hurreler – eine schwere Zeit. Eine anfangs vermutlich noch nicht klar zu erkennende Wende zum Besseren nimmt ihr Leben dann allerdings am 26. August 1945. Wenige Tage, bevor mit der Kapitulation Japans auch im Rest der Welt der Zweite Weltkrieg zu Ende geht, stellt sich an jenem Sonntag ein junger Flüchtling aus Mecklenburg bei ihr vor und fragt nach Arbeit. Davon gibt es auf dem Hof mehr als genug, also darf er bleiben. Ein Arbeitsverhältnis, aus dem schnell mehr erwächst: Schon bald ist Fritz Sandhop, wie der junge Flüchtling heißt, Adeles neuer Lebensgefährte. Auch Adeles Kinder Lisa und Ingo sehen in ihm rasch eine Art Ersatz-Vater.

Mit den Jahren verblassen die Schrecken des Krieges; wie die meisten ihrer Nachbarn blicken Adele und Fritz nach vorne. Um den damals knapp 20 Hektar großen Hof zukunftsfähig zu halten, vergrößern sie 1950 in einem ersten Schritt den Schweinestall. Als 1964 weitere Investitionen anstehen, lässt Adele ihren immer noch als vermisst geltenden Ehemann für tot erklären – andernfalls hätte Sohn Ingo, dem sie den Hof bereits 1959 offiziell übergeben hat, dafür von den Banken nur schwerlich Kredit bekommen.

Als Ingo 1967 Adda Wieting aus Steinkimmen heiratet, lassen es Adele und Fritz mit Beginn der 70er Jahre etwas ruhiger angehen. Von gelegentlichen Kurz-Urlauben abgesehen bleiben sie aber voll in die Hofarbeit eingebunden. Ein gemeinsamer Lebensabend mit ihrem Partner ist Adele allerdings nicht vergönnt: Fritz stirbt im Juni 1983 nur zwei Monate nach seinem 65. Geburtstag an einem Herzanfall. Adele selbst bleibt trotz einer zwischenzeitlichen Krebserkrankung bis ins hohe Alter agil und mobil und stirbt erst am 2. April 2003 – ein halbes Jahr vor ihrem 90. Geburtstag und 13 Monate vor ihrem astrologischen Zwilling Marika Rökk – an Altersschwäche. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.