Persönliche Erinnerungen an Karl-Heinz Hagestedt

… von Gunda Hagestedt

Aufgezeichnet im April 2016

Karl-Heinz Hagestedt war mein Mann, wir waren 52 Jahre miteinander verheiratet. Eine lange Zeit, in der es natürlich wie in jeder anderen Ehe auch Höhen und Tiefen gab. Beginnen möchte ich meine Erinnerungen mit dem Tag, an dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Eines Nachmittags – es muss so um das Jahr 1956 herum gewesen sein – fuhr ich mit meinem Vetter Herbert Egbers von Hude kommend mit dem Fahrrad Richtung Kirchkimmen. Von hinten näherte sich ein Motorroller und schickte sich an, uns zu überholen. Genau in diesem Moment kreuzte jedoch ein Reh die Fahrbahn. Der Rollerfahrer musste ausweichen und kam zu Fall. Da lag er dann zu unseren Füßen, mein Karl-Heinz, und hatte in diesem Moment ganz sicher mehr Augen für seinen heißgeliebten, zu Boden gegangenen Heinkel-Roller als für mich.

Das änderte sich, als wir uns bald darauf auf einem Tanzabend bei Strackerjan in Dingstede wiedertrafen. Zu dieser Zeit arbeitete Karl-Heinz noch als Geselle bei Bäckermeister Adolf Ellinghusen in Vielstedt und wohnte auch dort – ein Lebensabschnitt, an den er sich auch in späteren Jahren immer gern erinnert hat. Zu seinen engsten Freunden gehörte Heinrich Hoffmann, der auch bei Ellinghusen arbeitete. Mit ihm ging es an den Wochenenden häufiger auf Tour, was nicht selten mit einem Spiegeleier-Essen in der Küche der Bäckerei endete. Dort wurde damals so einiges ausgeheckt.

Nach unserer Hochzeit im März 1961 haben wir zunächst in Steinkimmen bei meinen Eltern gewohnt. Aus dieser Zeit erinnere ich mich vor allem an den Neujahrstag 1962. Wir waren abends zuvor auf einem Theaterball gewesen, anschließend musste Karl-Heinz backen. Als er am nächsten Morgen mit Heinrich von der Arbeit kam, machten sie am Rande des Hasbruchs eine Pause, weil Heinrich dringend austreten musste. Dabei fand er im Wald einen mit Blut verschmierten Gewehrschaft – damit war, wie sich später herausstellte, an der kurz zuvor überfallenen BP-Tankstelle in Falkenburg der Tankwart und frühere Fahrlehrer Meinert Behrens erschlagen worden. Ohne dies zu ahnen, lieferten sie ihr Fundstück bei der Polizei ab und setzten damit prompt die Gerüchteküche in Gang: Noch Wochen später hieß es, „die beiden Bäckergesellen aus Vielstedt“ hätten Meinert Behrens auf dem Gewissen.

Unheimliche Erlebnisse gab es für Karl-Heinz auf seinen nächtlichen Fahrten zur Arbeit oder zurück noch des Öfteren. Ein andermal etwa wurde er nachts in Sandersfeld von drei Männern angehalten, deren Auto im Graben lag. Weil ihm die Sache irgendwie sonderbar vorkam, fuhr er nach einem kurzen Stopp weiter und alarmierte im Rasthaus am Kimmer Holz die Polizei. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen: Das Auto war gestohlen. Gleich zweimal entdeckte Karl-Heinz zudem einen gerade beginnenden Wohnhausbrand – zumindest einer der betroffenen Familien rettete er dadurch wahrscheinlich das Leben.

Für gesellschaftliche Kontakte, die Karl-Heinz doch eigentlich so sehr liebte, war sein Beruf natürlich eher hinderlich. Das machte sich zum Beispiel im Schützenverein, wo er lange Jahre ehrenamtlich als zweiter Kassenwart arbeitete, bemerkbar, wenn er wieder einmal als einer der ersten und ohne einen Tropfen Alkohol getrunken zu haben den Übungsabend oder das Schützenfest verließ, um vor Arbeitsbeginn noch einige Stunden Schlaf zu bekommen. Die gute Nachbarschaft in Hurrel pflegte er trotzdem von Anfang an, und als er als Rentner etwas mehr Zeit und Muße hatte, wurde die hinter unserem Haus stehende Bank am Feuerlöschteich schnell zu einem seiner liebsten Plätze. Dort konnte er Stunde um Stunde am Stück verbringen – oft mit Heiko Sparke, aber auch mit vielen anderen Dorfbewohnern, die gerade ihres Weges kamen.

Neben der Gartenarbeit lag Karl-Heinz in späteren Jahren die Firma unseres Sohnes Rolf und seines Partners Reiner Menkens sehr am Herzen. Jeder Tag, an dem er für Hagestedt & Menkens einen Trecker von A nach B bewegen, Ersatzteile abholen oder die üblichen Formalitäten auf dem Kreisamt erledigen konnte, war für ihn ein guter Tag. „Hebbt se anropen?“ war meist seine erste Frage, wenn er vom Feuerlöschteich oder vom Backen bei Ursel Mehrings, wo er nach Bodos Tod ebenfalls häufig aushalf, nach Hause kam.

Sehr gern erinnere ich mich auch an unseren letzten Urlaub, den wir mit Franz und Gertrud Frass im Elsass verbrachten. Damals ging es Karl-Heinz gesundheitlich schon nicht mehr besonders gut, aber es ist schön, dass unsere ein Leben lang gehaltene Freundschaft mit den „Schwarzwäldern“ für ihn auf so harmonische Weise ihren Abschluss gefunden hat.