Martha Behmann – Biographie

Martha Gesine Behmann wird am 15. Januar 1905 als erstes Kind von Friedrich Heinrich Spreen und Mathilde Spreen auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Karin Spreen) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Bernhard Spreen, Dietrich Spreen, Friedrich Spreen, Johann Spreen, Minna Wilken und Heino Spreen.

Am 2. Januar 1905 endet mit der Kapitulation von Port Arthur eines der längsten und verlustreichsten Gefechte des Russisch-Japanischen Krieges. Die Belagerung des einzigen eisfreien Tiefwasserhafens Russlands im Fernen Osten hatte bereits am 1. August 1904 begonnen. In den folgenden Monaten prägen mit massivem Artilleriebeschuss, dem flächendeckenden Einsatz von Maschinengewehren und dem Bau von Schützengräben abermals jene Taktiken den Schlachtverlauf, die bereits im Krim-Krieg und im Amerikanischen Bürgerkrieg zum Einsatz gekommen waren. Insgesamt fordern die Kämpfe mehr als 100.000 Tote und Verwundete, wobei der Blutzoll der siegreichen Japaner ungleich höher ausfällt.

Die unerwartete Niederlage demoralisiert nicht nur die russische Armee, sie führt auch zu Unruhen in der zu großen Teilen in bitterer Armut lebenden Bevölkerung. Am 16. Januar 1905 legen im Putilow-Werk, dem größten Rüstungsbetrieb der Hauptstadt Sankt Petersburg, mehrere tausend Beschäftigte die Arbeit nieder. In den nächsten Tagen breiten sich die Streiks rasant aus. Unter Führung des Geistlichen Georgi Gapon versammeln sich am 22. Januar mehr als 100.000 Menschen vor dem Winterpalast. Sie wollen Zar Nikolaus II. eine Petition übergeben, in der sie unter anderem um humanere Arbeitsbedingungen, Lohnerhöhungen, Presse- und Redefreiheit sowie die Einberufung eines Parlaments bitten.

Nikolaus II. hat Sankt Petersburg allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen und die Befehlsgewalt seinem Onkel Wladimir Alexandrowitsch Romanow übertragen. Dieser lässt die Armee ohne Vorwarnung in die Menge schießen. Im Kugelhagel sterben offiziellen Angaben zufolge 96 Demonstranten, andere Quellen sprechen von weit mehr als 1.000 Opfern. Das Ereignis geht als Petersburger Blutsonntag in die Geschichte ein. Es markiert den Auftakt zur Russischen Revolution von 1905, die Nikolaus II. erst 1907 vorübergehend eindämmen kann.

Im Deutschen Reich sorgt zur selben Zeit der zweite große Ruhr-Streik für Schlagzeilen. Er entzündet sich am 6. Januar 1905 an der Weigerung des Unternehmers Hugo Stinnes, auf einer seiner Zechen eine zuvor verfügte Arbeitszeitverlängerung zurückzunehmen. Am 16. Januar rufen die Gewerkschaften im Kampf um eine allgemeine Verbesserung der Arbeitsbedingungen den Generalstreik aus, an dem sich drei Tage später etwa 200.000 der rund 270.000 Bergleute im Ruhrgebiet beteiligen. Der Ausstand mündet schließlich im Juli 1905 in eine Novelle des Berggesetzes: Es definiert fortan genau, was als Arbeitszeit zu gelten hat und schreibt darüber hinaus die Einführung von Arbeiter-Ausschüssen in Betrieben mit mehr als 100 Mann Belegschaft vor.

Von geregelten Arbeitszeiten sind Beschäftigte in der Landwirtschaft – in Hurrel wie andernorts – zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weit entfernt. Dort bestimmen seit jeher die vier Jahreszeiten und die Witterung, was wie lange zu tun ist. Ein nie enden wollender Kreislauf, den auch Martha bald kennenlernt: Als Erstgeborene ist sie in die Bewirtschaftung des rund 9 Hektar großen, 1849 von ihrem Urgroßvater Johann Lüning begründeten Hofes an der Pirschstraße von frühen Kindesbeinen an eingespannt.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 nimmt Marthas Arbeitsbelastung und die ihrer drei bis 1910 geborenen Geschwister noch um einiges zu: Vater Friedrich ist zur Armee eingezogen, Mutter Mathilde wird zudem im Herbst 1916 ein fünftes Mal schwanger. In den Monaten vor und nach der Geburt des im Juni 1917 zur Welt kommenden Bruders Johann dürfte Martha die wichtigste Stütze ihrer Mutter sein und der Besuch der Hurreler Volksschule eher zweitrangig. An gemeinsame Unternehmungen mit der nahezu gleichaltrigen Nachbarstochter Martha Wilkens und anderen Schulkameradinnen wie Sophie Albers oder Else Busch ist in dieser schwierigen Zeit vermutlich ebenfalls nur selten oder gar nicht zu denken.

Nach Schulabschluss und Konfirmation – der Krieg ist mittlerweile vorüber, Friedrich Spreen nach Hurrel zurückgekehrt – arbeitet Martha weiter auf dem elterlichen Hof. Im Januar 1920 und im August 1925 machen dann Schwester Minna und Bruder Heino die Riege der Geschwister komplett. Sie in den ersten Jahren ihres Lebens zu umsorgen, gehört in den nach wie vor alles andere als einfachen Zeiten sicher mit zu Marthas Aufgaben.

Wo Martha ihren späteren Ehemann Carl Behmann kennenlernt, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. Beide heiraten am 17. Juni 1927 in Hude. Mit Carl, der mit seinen Eltern und sieben Geschwistern am Herrenweg in Oldenburg aufgewachsen ist, zieht Martha in die Hauptstadt des damaligen Freistaats Oldenburg. Als Wohnsitz dient ein Haus in der Charlottenstraße, von dem das junge Paar allerdings nur einen Teil des Obergeschosses nutzt. Die übrigen Räume teilen sich mehrere Mietparteien. Fast unmittelbar vor Carls und Marthas Tür entsteht bis November 1927 die neu erbaute Cäcilienbrücke.

Carl hat sich bereits vor der Hochzeit als Holzhändler selbstständig gemacht – auf einem an der Bremer Heerstraße gelegenen Gelände, das damals der Reichsbahn gehört (heute: Holzland Vogt). Die bald nach der Geburt von Tochter Marga im September 1928 ausbrechende Weltwirtschaftskrise erwischt ihn jedoch auf dem falschen Fuß, erst nach einem zwischenzeitlichen Konkurs kann er neu durchstarten. Regelmäßige Aufträge verschafft ihm unter anderem der Küstenschutz: Carl liefert das für den Bau von Buhnen nötige Material, während Martha ihn bei der Büroarbeit unterstützt.

Im Jahr vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten bringt Martha ein weiteres Mädchen zur Welt, das allerdings als Totgeburt namenlos bleibt. Im April 1934 – neun Wochen vor dem angeblichen Röhm-Putsch – folgt Tochter Helga, im August 1937 schließlich Tochter Karla. Der von Ehemann Carl sehnlichst herbeigewünschte männliche Nachfolger will sich hingegen nicht einstellen.

Der Anfang September 1939 durch den Überfall auf Polen ausgelöste Zweite Weltkrieg hat für Marthas Familie zunächst keine unmittelbaren Folgen: Mit 38 Jahren ist Carl zu alt, um noch zur Wehrmacht eingezogen zu werden. Im Oktober 1943 erhält er allerdings doch noch einen Stellungsbefehl und rückt an die Ostfront ab, wo er am 24. August 1944 in Lettland fällt. Martha führt derweil mit Hilfe von mehreren russischen Kriegsgefangenen die Firma notdürftig weiter.

Das Kriegsende im Mai 1945 markiert für Martha wie für nahezu alle Deutschen eine tiefe Zäsur. Im glücklicherweise kaum zerstörten Oldenburg versucht sie sich und ihre drei Töchter irgendwie über die Runden zu bringen – was unter anderem mit einem Umzug verbunden ist: Ehemann Carl, dessen Holzhandel mangels Nachfolger geschlossen bleibt, hatte noch vor seiner Einberufung an der Bahnhofsallee ein kleines Bauernhaus mit 3.000 Quadratmetern Land gekauft. Dorthin siedelt Martha mit Marga, Helga und Karla über und lebt fortan außer von einer sehr schmalen Witwenrente und den ebenfalls nicht üppigen Mieteinnahmen für das Haus in der Charlottenstraße vor allem von der Aufzucht und dem Verkauf von Erdbeeren und anderem Obst und Gemüse. Zeitweise pachtet sie noch zwei Landstreifen an der Bremer Straße hinzu, wo sie ebenfalls Erdbeeren anpflanzt, und arbeitet nebenbei in der rund 500 Meter entfernt gelegenen Gärtnerei von August Vonheiden.

Tochter Helga, die vor der Mittleren Reife auf Marthas Geheiß die Schule abbrechen muss und daraufhin eine Lehre im Modehaus Leffers beginnt, verlässt 1955 den mütterlichen Haushalt und zieht mit ihrem Ehemann Manfred Lustig nach Rheydt bei Mönchengladbach. Den freien Platz füllt bald darauf Margas Ehemann Wolfgang Hopf aus. Er erkrankt später an Knochentuberkulose und wird bis zu seinem Tod von Martha gepflegt. Helga wiederum kehrt 1965 mit ihrer Familie nach Oldenburg zurück und übernimmt nach einer grundlegenden Sanierung das Haus in der Charlottenstraße.

Auch als Rentnerin bleibt Martha zunächst an der Bahnhofsallee wohnen. Wie in all den Jahren zuvor lebt sie dort sehr zurückgezogen und ist meistens im Garten anzutreffen. Regelmäßigen Kontakt pflegt sie außer zu ihren beiden ältesten Töchtern vor allem zu den Geschwistern Minna und Heino sowie zu ihrer Schwägerin Erna Wilke.

Um Martha in ihrem Alltag zu unterstützen, zieht 1983 Helgas jüngster Sohn Steffen bei ihr ein – was angesichts zunehmender Gebrechen aber nur eine Übergangslösung darstellt: Zwei Jahre später kommt Martha bei Tochter Helga und Schwiegersohn Manfred in der Charlottenstraße unter und schließlich im Frühjahr 1987 in einem privaten Pflegeheim in Ofen. Dort stirbt sie am 20. Dezember 1987 an Altersschwäche. Beerdigt ist Martha acht Tage später auf dem Städtischen Friedhof in Kreyenbrück.