Karl Franz – Biographie

Christian Karl Gustav Franz – Rufname Karl – wird am 25. November 1867 im thüringischen Neidenberga (Landkreis Ziegenrück) als fünftes Kind von Louis Franz und Friederike Franz geboren. Er ist der jüngere Bruder von Hermann Franz, Bertha Friederike Dohme, Emilie Franz und Karl Gustav Franz und der ältere Bruder von Minna Oerengösser.

Im November 1867 steuern Finnland und weite Teile Nordschwedens auf den zweiten Hungerwinter in Folge zu. Das Unheil hatte sich bereits im Jahr zuvor angekündigt, als ein weitgehend verregneter Sommer die Kartoffeln auf den Feldern verrotten ließ und die Getreideernte schwer beeinträchtigte. Einem strengen Winter folgte dann ein extrem später Frühling: Im Mai 1867 lag die Durchschnittstemperatur beispielsweise in Helsinki bei lediglich 1,8 Grad Celsius, viele Flüsse und Seen blieben bis in den Juni hinein zugefroren. Schon Anfang September 1867 waren zudem die nächtlichen Temperaturen wieder unter die Gefriergrenze gesunken.

Die Folgen sind dramatisch: Weil die Ernte erneut deutlich hinter den üblichen Erträgen zurückbleibt, leiden in den folgenden Monaten hunderttausende Finnen und Schweden Hunger. Bis zum Sommer 1868 sterben Schätzungen zufolge rund 270.000 Menschen an Entkräftung oder an Krankheiten, denen sie in besserer körperlicher Verfassung vermutlich problemlos widerstanden hätten. Das entspricht rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Insbesondere Kinder gehören zu den Opfern.

Die Regierungen beider Länder bemühen sich, die sich anbahnende humanitäre Katastrophe mit Notkrediten für besonders stark betroffene Gemeinden und Lebensmittel-Importen in den Griff zu bekommen – reagieren aber nach Ansicht mancher Beobachter viel zu spät. Letztlich sorgt erst die überdurchschnittlich gute Ernte des Sommers 1868 dafür, dass sich die Lage ein Stück weit entspannt. Dennoch wandern bis 1873 mehr als 100.000 Finnen und Schweden in die USA aus, wo sie sich vor allem in den Bundesstaaten Michigan und Minnesota niederlassen.

In Karls Heimat herrscht 1867 eher Aufbruchs- als Katastrophenstimmung: Als Folge des Deutschen Krieges treten alle thüringischen Staaten im Laufe des Jahres dem preußisch dominierten Norddeutschen Bund bei und profitieren von dessen Wirtschaftsaufschwung – ein Effekt, der sich durch den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg und der Gründung des Deutschen Reiches im Januar 1871 noch verstärkt. Dem Gründerkrach des Jahres 1873 folgt allerdings eine längere Phase wirtschaftlicher Stagnation, die vermutlich auch an Karls Familie nicht spurlos vorübergeht.

Karls Vater arbeitet als Schmiedemeister – wie bereits Großvater Johann Elias Franz und Urgroßvater Johann Heinrich Franz, der den kleinen Familienbetrieb um das Jahr 1800 herum begründet hat. Als Karl acht Jahre alt ist, stirbt seine sechs Jahre ältere Schwester Emilie an einer Lungenentzündung. Auch zwei weitere Geschwister sterben früh: Sein ältester Bruder Hermann, der eine Gastwirtschaft betreibt, 1894 und seine jüngere Schwester Minna im Juni 1905 durch einen Unglücksfall, als sich beim Hantieren mit der Pistole ihres Mannes versehentlich ein Schuss löst.

Als 1899 Karls Vater stirbt, übernimmt Karl die elterliche Schmiede. Im selben Jahr – am 23. Mai – heiratet er Berta Moerl aus dem Nachbarort Dorfilm. Knapp fünf Monate später kommt der erste Sohn Kurt zur Welt. Bis Dezember 2009 folgen mit Erna (Juni 1901), Elly (April 1903), Otto (April 1904) Erwin (Januar 1906) und Rudolf (November 1907) fünf weitere Kinder und ein totgeborener Sohn. Im Prinzip zu viele, um sie alle mit den doch eher kargen Erträgen der Schmiede zu ernähren. Konfrontiert mit den daraus erwachsenden Sorgen erfahren Karl und Berta, dass in der Provinz Westpreußen infolge mehrerer Gutsaufteilungen Siedler gesucht werden. Sie überlegen nicht lange: Am 1. Juli 1910 brechen sie mit ihrem Hausrat und sechs kleinen Kindern Richtung Nordosten auf, wo ihre Reise nach mehr als 500 Kilometern im damals rund 150 Einwohner zählenden Dörfchen Rebkau (Landkreis Kulm) endet.

Zunächst sieht es für Karl so aus, als ob die Entscheidung, im Alter von 42 Jahren noch einmal einen beruflichen Neuanfang zu wagen, goldrichtig ist. Dank des sehr fruchtbaren Bodens steht er mit seiner kleinen Landwirtschaft finanziell schon bald besser da als all die Jahre zuvor in der früheren Heimat. In den beginnenden Aufschwung hinein wird im Juli 1911 mit Sohn Arno das achte und letzte Kind geboren.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 macht die Hoffnung auf weitere gute Jahre jäh zunichte. Karl nimmt trotz seines fortgeschrittenen Alters – möglicherweise als Freiwilliger – daran teil und bezahlt dies mit dem Verlust eines Beines. Über die näheren Umstände ist heute in der Familie allerdings nichts mehr bekannt.

Die im November 1918 besiegelte Niederlage des Deutschen Kaiserreichs mündet in den Friedensvertrag von Versailles, der die Abtretung weiter Teile Westpreußens an Polen vorsieht – darunter auch den Landkreis Kulm. Unter diesen Bedingungen sieht Karl für seine Familie in Rebkau keine Zukunft mehr. Auf der Suche nach einer Alternative wird er im rund 650 Kilometer westlich gelegenen Hurrel fündig, wo der Hof von Hermann Christian Bischoff (heute: Rita Wiemer) zum Verkauf steht. Im Frühjahr 1920 kommt es nach kurzer Inaugenscheinnahme, für die Karl zunächst ohne Familie anreist, zum Besitzerwechsel.

Die Startbedingungen am neuen Standort sind weit weniger verheißungsvoll als zehn Jahre zuvor in Rebkau: Erst nach und nach realisiert Karl, dass die Qualität des nicht ohne Grund „Hurreler Sand“ genannten Bodens bei weitem nicht mit jener seines in Westpreußen zurückgelassenen Besitzes mithalten kann. Mit den gekauften zwölf Hektar Land und dem per Bahn überführten Viehbestand die neunköpfige Familie über Wasser zu halten, gestaltet sich folglich schwieriger als erwartet, und ohne die Hilfe ihres Nachbarn Johann Wilhelm Witte (heute: Heike und Hans Burgmann) hätten Karl, Berta und die Kinder möglicherweise nicht einmal den ersten Winter überstanden.

Nach und nach akklimatisiert sich Familie Franz jedoch in Hurrel, so dass Karl den Hof 1931 seinem ältesten Sohn Kurt übergeben kann. Mit Otto und Erwin siedeln zwei weitere Söhne in unmittelbarer Nähe und begründen dort 1932 beziehungsweise 1935 jeweils ihren eigenen Hof. Karls Lebensende ist überschattet vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, dessen Ende er nicht mehr miterlebt: Er stirbt am 17. Januar 1940 und wird wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.