Johannes Meyer – Biographie

Johannes Wilhelm Theodor Meyer wird am 8. Januar 1903 als zweites Kind von August Meyer und Anna Martha Meyer in Delmenhorst geboren. Er ist der jüngere Bruder von Bernhard Meyer und der ältere Bruder von Lisa Freiberg.

Das Geburtsjahr von Johannes ist für seine Heimatstadt ein besonderes Jahr. Am 1. Mai 1903 erhebt die Oldenburger Staatsregierung Delmenhorst zur kreisfreien Stadt – vorläufiger Höhepunkt des rasanten Wandels vom kleinen Landstädtchen zur größten Industriestadt zwischen Weser und Ems mit damals 17.000 Einwohnern. Großbetriebe wie die 1884 gegründete Norddeutsche Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei oder die zwei Jahre zuvor an den Start gegangene Linoleum-Fabrik Hansa haben einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, die sie bevorzugt in Schlesien oder den zum Kaiserreich Österreich-Ungarn gehörenden Provinzen Böhmen und Galizien anwerben. Weil dadurch der katholische Bevölkerungsanteil Delmenhorsts stark wächst, kommt es 1903 zum Bau der Kirche St. Marien, dem „Roten Dom des Nordens“.

Auch sonst wird in der in jenen Jahren von Bürgermeister Erich Koch-Weser regierten Stadt eifrig gebaut: Unter seiner Regie entstehen unter anderem ein Wasserwerk, eine Gasanstalt und ein Elektrizitätswerk. Als im April 1910 der seither als Wahrzeichen Delmenhorsts geltende Wasserturm in Betrieb geht, wohnt Johannes mit seiner Familie allerdings bereits im rund 15 Kilometer weiter östlich gelegenen Bremen. In der damals 240.000 Einwohner zählenden Weser-Metropole arbeitet Vater August nach der Aufgabe seines Fuhrunternehmens bei der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft.

Von April 1909 an besucht Johannes die Volksschule an der Calvinstraße. Wie es in Bremen in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg zugeht und wie seine Bürger den Ausbruch des Krieges im August 1914 erleben, ließ sich 2014 auf einem multimedialen Stadtrundgang des „Weser-Kuriers“ nachvollziehen. Erzählungen aus Johannes‘ Familie zufolge wird Vater August nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Der Grund dafür ist allerdings nicht bekannt – ebenso wenig, in welchem Lager der „zerrissenen Stadt“ er und seine Familie im Sommer 1914 stehen: in jenem, das den Krieg euphorisch und fahnenschwenkend begrüßt oder in jenem, in dem Entsetzen oder gar Widerstand vorherrschen.

Nach Abschluss der Volksschule im Frühjahr 1917 beginnt Johannes im Stadtteil Osterholz eine Lehre zum Friedhofsgärtner. Ob er zunächst noch weiter bei den Eltern wohnt und wie er und seine Familie die schwierigen Jahre zwischen Kriegsende und dem Höhepunkt der Hyperinflation im Herbst 1923 meistern, ist nicht überliefert. Er arbeitet jedoch auch nach Abschluss der Ausbildung weiter in seinem erlernten Beruf.

Zu den Traditionen, die sich im gesellschaftlichen Leben der Deutschen allen Umwälzungen zum Trotz von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik bis hin zum Dritten Reich erhalten, gehören berufsständische Tanzveranstaltungen wie Gärtnerbälle. Auf einem dieser Bälle lernt Johannes seine künftige Ehefrau Grete Hahmann kennen. Nach der Hochzeit im April 1937 beziehen beide eine Mietwohnung in der Ruhrstraße.

Sechs Wochen nach der Geburt von Sohn Hans-Peter im Juli 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Johannes wird zur Luftwaffe einberufen und im Herbst 1940 im Rahmen der Deutschen Heeresmission nach Rumänien abkommandiert. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 geht es weiter auf die Krim, wo er als Mitglied des Bodenpersonals unter anderem Bombenflugzeuge belädt.

Wie weit es Johannes angesichts der anfänglichen Erfolge der Wehrmacht nach Osten verschlägt, lässt sich heute nicht mehr exakt rekonstruieren. Spätestens nach der verlorenen Schlacht von Stalingrad Anfang Februar 1943 beginnt jedoch ein fast zwei Jahre andauernder Rückzug, der ihn bis nach Thüringen führt. Dort gerät er kurz vor Kriegsende in englische Gefangenschaft. Seinen nahezu zeitgleich in Brandenburg an der Havel geborenen zweiten Sohn Kurt – dorthin hat sich Grete mit Hans-Peter im Herbst 1944 zu Verwandten geflüchtet – lernt er nie kennen: Er stirbt im Juni 1945 im Alter von nur vier Monaten. Auch Schwester Lisa sieht Johannes nicht wieder. Sie und ihre beiden Kinder kommen 1944 bei einem der zahlreichen Luftangriffe der Alliierten auf Bremen ums Leben.

Erst 1946 kehrt Johannes in die vom Krieg stark zerstörte Heimat zurück, wo Grete und Hans-Peter mittlerweile wieder im durch Bombentreffer beschädigten, aber noch bewohnbaren Haus in der Ruhrstraße leben. Seine Arbeit auf dem Osterholzer Friedhof kann er bald wieder aufnehmen, die allgemeine Versorgungslage bleibt aber in Bremen ähnlich katastrophal wie in den meisten anderen Ballungsräumen Nachkriegs-Deutschlands. Nur raus aus der Stadt, heißt deshalb die Devise. Zuflucht gewährt Gastwirt Wilhelm Imholze in Sandersfeld, dessen verstorbener Vater Johann mit Johannes‘ Vater August über Jahrzehnte hinweg eine enge Freundschaft gepflegt hatte. Im Sommer 1948 packen deshalb Johannes, Grete und Hans-Peter ihre Habseligkeiten zusammen und beziehen eine Wohnung in der ehemaligen Schützenhalle des Gasthofs Sandersfeld (heute: Haus Sandersfeld).

In Sandersfeld findet die Familie schnell Anschluss. Hans-Peter besucht die Volksschule in Hurrel und freundet sich dort unter anderem mit den gleichaltrigen Klassenkameraden Bodo Mehrings und Bernd Bölts an. Grete hilft Wilhelms Ehefrau Adele im Haushalt und in der parallel zum Gasthof betriebenen Landwirtschaft. Johannes wiederum pendelt täglich zum Friedhof nach Osterholz, wobei er in den ersten Jahren regelmäßig als Anhalter von einer Militärpatrouille der englischen Besatzer aufgelesen und auf deren Weg zum Bremer Hafen in der Nähe seines Arbeitsplatzes abgesetzt wird. Am Nachmittag kehrt er dann mit Bus und Bahn nach Sandersfeld zurück. In seiner Freizeit engagiert sich Johannes zudem im 1954 zu neuem Leben erweckten Schützenverein Sandersfeld, wo er nicht nur als Schütze, sondern auch als Schriftführer im Vorstand aktiv ist.

Nach einem durch die jahrelangen Belastungen im Krieg verursachten Bandscheibenvorfall kann Johannes 1958 seinen Beruf als Gärtner nicht mehr ausüben. Daraufhin bekommt er von einer Wohnungsbaugesellschaft in Bremen-Lesum das Angebot, als Hausmeister zu arbeiten – was mit dem Umzug in eine Wohnung vor Ort verbunden ist. Dort versieht Johannes seinen Dienst, bis er 1968 in den Ruhestand tritt. Der Kontakt nach Sandersfeld bleibt allerdings zeitlebens bestehen. So nehmen außer Adele und Wilhelm Imholze weitere Mitglieder des Schützenvereins an der 1962 in Lesum gefeierten Silberhochzeit teil, Johannes und Grete wiederum erweisten Adele Imholze bei ihrer Beerdigung im August 1966 in Ganderkesee die letzte Ehre.

Johannes selbst stirbt am 10. Januar 1977 an einem Gallenleiden – am 14. Geburtstag seines ältesten Enkels Bernd und zwei Tage nach seinem eigenen Geburtstag. Beerdigt ist er wenige Tage später auf dem Osterholzer Friedhof.