Heinrich Martin Schütte wird am 28. April 1908 als zweites Kind von Diedrich Schütte und Marie Schütte auf dem 1906 begründeten elterlichen Hof in Hurrel (heute: Manfred und Heike Köster) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Johann Schütte und der ältere Bruder von Georg Schütte und Willi Schütte.
Heinrich ist ein astrologischer Zwilling des am selben Tag im böhmischen Städtchen Zwittau geborenen Fabrikanten Oskar Schindler. Davon wird er aber höchstwahrscheinlich zeitlebens nie etwas erfahren – weltweite Bekanntheit erlangt der spätere Industrielle, der in den Wirren des Zweiten Weltkriegs rund 1.200 Juden vor dem Tod im Vernichtungslager bewahrt, schließlich erst 1993 durch den von Star-Regisseur Steven Spielberg produzierten Spielfilm „Schindlers Liste“.
Ein anderes, eher in den Bereich der Astronomie als der Astrologie fallendes Ereignis des Jahres 1908 spielt sich mehr als 6.000 Kilometer östlich von Hurrel in der sibirischen Taiga ab. Am 30. Juni explodiert dort in der Nähe des russischen Handelspostens Vanovara ein riesiger Feuerball und vernichtet eine Waldfläche von der Größe des Saarlands. Die Ursache dieser als Tunguska-Ereignis bekannt gewordenen Katastrophe ist bis heute nicht geklärt. Nachdem lange Zeit der Eintritt eines Meteoriten oder eines Kometen in die Erdatmosphäre als wahrscheinlichster Auslöser gilt, scheinen mittlerweile auch andere Erklärungen wie eine vulkanische Eruption denkbar. Daneben machen unzählige andere, teils abstruse Theorien wie der Absturz eines außerirdischen Raumschiffs, der Einschlag eines Schwarzen Lochs oder die Explosion eines gigantischen Mückenschwarms die Runde.
Als im Sommer 1914 mit dem Ersten Weltkrieg eine noch weitaus größere Katastrophe ihren Anfang nimmt, besucht Heinrich vermutlich gerade die erste Klasse der Volksschule Hurrel. Die folgenden Notzeiten mit Steckrübenwinter und Hyperinflation dürften ihm nachhaltig in Erinnerung bleiben, ebenso der krankheitsbedingte Tod des damals siebenjährigen Bruders Georg kurz nach Kriegsende.
Dem Wunsch des Vaters, wie der ältere Bruder Johann Hinrich ebenfalls das Schmiedehandwerk zu erlernen, widersetzt sich Heinrich. Stattdessen beginnt er eine landwirtschaftliche Ausbildung auf dem Hof seines Onkels Friedrich Buchholz in Grummersort (heute: Hofgemeinschaft Grummersort). Anschließend kehrt er nach Hurrel zurück und arbeitet bis zu seiner Hochzeit im Oktober 1932 als Knecht auf dem Hof von Bernhard Haverkamp. Zu dieser Zeit ist Heinrich auch Mitglied im Schützenverein Hurrel, wie ein in der zweiten Hälfte der 20er Jahre aufgenommenes Foto dokumentiert.
Mit seiner aus der Nachbarschaft von Friedrich Buchholz stammenden Ehefrau Anna Rüdebusch mietet Heinrich 1932 ein zum Haverkamp-Hof gehörendes Heuerhaus am Goehlweg (heute: Marie Herrmann), zu dem auch einige Hektar Pachtland gehören. Obwohl er sich mit dem Graben von Torf im Holler Moor noch etwas Geld nebenher verdient, wird schnell deutlich, dass beides wohl auf Dauer nur schwer ausreichen wird, eine Familie zu ernähren. Die von den Nationalsozialisten nach der Machtübernahme im Januar 1933 überall in Deutschland mit Hochdruck vorangetriebenen staatlichen Siedlungsprojekte sehen Heinrich und Anna deshalb als günstige und vielleicht einzige Gelegenheit, schnell zu ausreichend eigenem Grundbesitz zu kommen.
Nachdem sie sich zunächst weder für ein angebotenes Grundstück am Prinzendamm in Jeddeloh erwärmen noch zu einem Umzug nach Mecklenburg entschließen können, gehören Heinrich und Anna seit dem Frühjahr 1935 zur ersten Siedlergeneration im 20 Kilometer südwestlich von Hurrel gelegenen, einige Jahre später ebenfalls durch einen Meteoriten bekanntgewordenen Moordorf Benthullen. Am zuvor mühsam dem Moor abgerungenen Saarländer Weg nehmen sie ein rund 13 Hektar großes Stück Land in Besitz und beginnen mit dem Hausbau. Im folgenden Jahr geht dann mit der Kultivierung der Heideflächen die Plackerei erst richtig los. Neben drei Pferden, die mit ebenfalls drei Kühen und einigen Hühnern zunächst den einzigen Viehbestand auf dem Hof stellen, helfen anfangs einige vom Reichsarbeitsdienst gestellte Frauen halbtags bei der Feldarbeit.
Seine im März 1936 und im Mai 1939 geborenen Söhne Helmut und Werner aufwachsen zu sehen, ist Heinrich nur kurze Zeit vergönnt: Noch bevor Werner die ersten Zähne bekommt, bricht im September 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Nach der Einberufung zur Wehrmacht im Juni 1940 führt Heinrichs Weg nach Frankreich, wo er bald nach der Landung alliierter Truppen in der Normandie im Juni 1944 in Gefangenschaft gerät und ins Arbeitslager Stanhope Camp bei Ashford in der Grafschaft Kent überstellt wird. Mit dem von Anna gemeinsam mit dem Benthullener Lehrer Gerd Reinders bei den britischen Besatzungsbehörden in Oldenburg vorgebrachten Argument, dass er dringend bei der Ernte benötigt wird, kann Heinrich schließlich im Juli 1947 vorzeitig nach Hause zurückkehren – muss sich aber in den folgenden Monaten regelmäßig bei der Militärpolizei melden.
Der Wiederanfang ist schwer. Über Jahre hinweg sind kriegsbedingt nur die nötigsten Arbeiten ausgeführt worden, so dass Heinrich einen Teil seines Landes erneut dem Moor entreißen muss. Doch der Kraftakt gelingt, und schon bald kann Heinrich weitere Flächen hinzukaufen. Auch der Viehbestand steigt stetig und macht bis Anfang der 60er Jahre mehrere Stall-Neubauten erforderlich.
Neben der Arbeit auf dem Hof bleibt Heinrich noch Zeit für diverse Ehrenämter. So engagiert er sich unter anderem im Ortslandvolkverband, in der Molkereigenossenschaft Wardenburg, in der Jagdgenossenschaft und im Rat der Gemeinde Wardenburg, in den er 1956 und 1960 für je vier Jahre gewählt wird. Auch in der Evangelischen Kirche ist er aktiv und trägt als Vorstand der Kapellenbau-Gemeinschaft wesentlich mit dazu bei, dass Benthullen 1955 eine eigene Kirche erhält.
Bereits zu Beginn der 60er Jahre gibt Heinrich einen Großteil der Aufgaben in der Landwirtschaft an Sohn Helmut und dessen Ehefrau Elisabeth ab: Nach mehreren Arbeitsunfällen ist er körperlich nicht mehr voll belastbar. Doch auch als Rentner wird ihm die Zeit nicht lang. Gemeinsam mit Anna fährt er regelmäßig in Urlaub – unter anderem nach Bayern, wo er bis zum Schluss Kontakt zu einem ehemaligen Mit-Kriegsgefangenen in Großbritannien hält. Daneben verbringt er viel Zeit mit den insgesamt neun Enkelkindern, die er des Öfteren mit seinen auch Jahrzehnte nach der Entlassung noch immer guten Englisch-Kenntnissen verblüfft.
Nachdem er mit Anna im Oktober 1982 bei insgesamt noch zufriedenstellender Gesundheit Goldene Hochzeit feiern kann, kämpft Heinrich in den folgenden Jahren unter anderem mit Bronchitis und Atemnot. Letztlich kommt sein dadurch bedingter Tod am 28. Januar 1988 – wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag – für die Familie jedoch überraschend. Beerdigt ist Heinrich fünf Tage später auf dem Benthullener Friedhof.