Hans-Ulrich Meyer – Biographie

Hans-Ulrich Meyer – Rufname Uli – wird am 5. Juni 1945 als drittes Kind von Hans Meyer und Meta Meyer in Thedinghausen im Landkreis Verden geboren. Er ist der jüngere Bruder von Ilse Krieger und Christa Meyer.

Der Juni 1945 ist nach beinahe sechs Jahren Weltkrieg der erste Monat, in dem Friede herrscht. Zumindest in Europa – auf den Pazifik-Schauplätzen dauert der alliierte Kampf gegen den Aggressor Japan weiter an. In der am 5. Juni unterzeichneten Berliner Erklärung legen die vier Haupt-Siegermächte USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich die Grundzüge ihrer Deutschland-Politik fest. Dazu gehört nach der Absetzung des letzten deutschen Kriegskabinetts unter Karl Dönitz am 23. Mai 1945 unter anderem die formelle Übernahme der Regierungsgewalt. Neben vier unabhängig voneinander verwalteten Besatzungszonen existiert künftig ein Alliierter Kontrollrat, der in allen Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen einstimmige Entscheidungen treffen muss.

Ein weiterer Passus der Berliner Erklärung regelt die Freilassung von sämtlichen unter deutscher Gewalt stehenden Kriegsgefangenen sowie von Personen, die aufgrund nationalsozialistischen Unrechts interniert oder sonstigen Einschränkungen unterworfen sind. Damit eng verbunden ist die Festnahme von Kriegsverbrechern – der erste Schritt hin zu einer bereits im Februar 1945 auf der Konferenz von Jalta beschlossenen, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfassenden Entnazifizierung. Nach zwölf Jahren NS-Diktatur soll Deutschland schnellstmöglich zu demokratischen Grundprinzipien zurückkehren.

Keine einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass die vier Siegermächte recht unterschiedliche Vorstellungen von Demokratie und Rechtstaatlichkeit haben. Ein weiteres Problem: Die auch laut Berliner Erklärung formal noch deutschen und damit als Besatzungszone geltenden Gebiete jenseits von Oder und Neiße hat der sowjetische Diktator Josef Stalin inzwischen polnischer Verwaltung unterstellt, damit verbunden ist eine im August 1945 auf der Potsdamer Konferenz offiziell bestätigte Westverschiebung Polens zugunsten der Sowjetunion. Millionen Polen und Deutsche verlieren dadurch ihre Heimat. Dasselbe gilt für alle Deutschen in der wiedererstandenen Tschechoslowakei. Dort kommt es zudem den ganzen Juni 1945 hindurch immer wieder zu willkürlichen Vergeltungsaktionen mit Hunderten von Toten.

Deutlich ziviler geht es in der britischen Besatzungszone zu, zu der Ulis Geburtsort Thedinghausen gehört. Als vorrangige Aufgabe neben der auch dort ganz oben auf der Agenda stehenden Entnazifizierung formuliert Oberbefehlshaber Bernard Montgomery, für Nahrung, Unterkunft und Gesundheit der Bevölkerung zu sorgen. Das schließt all jene Menschen mit ein, die jeden Tag zu Tausenden als Vertriebene hinzukommen.

Ulis Eltern stammen aus Bremen, doch Vater Hans hat seine Familie angesichts der sich häufenden alliierten Luftangriffe schon Anfang 1944 aus der Gefahrenzone gebracht. Zuflucht gefunden haben Mutter Meta und die 1938 und 1941 geborenen Schwestern in der von Thedinghausen rund zehn Kilometer entfernten Nachbargemeinde Schwarme. Dort trifft Mitte 1945 nach seiner Flucht aus englischer Kriegsgefangenschaft auch Hans Meyer ein. Da Bremen zu großen Teilen zerstört ist, pachtet er in Schwarme einen kleinen Bauernhof. Erst 1950 kehrt die Familie in die Stadt zurück, so dass Ulis erste Lebenseindrücke stark ländlich geprägt sind.

Die Eltern von Hans Meyer besitzen in Schwachhausen eine Gärtnerei. Als Ulis Großmutter stirbt, steigt sein Vater – selbst gelernter Gärtner und schon vor dem Krieg dort beschäftigt – mit in den Betrieb ein, während Mutter Meta als Erzieherin arbeitet. Uli besucht derweil mit seinen Schwestern die örtliche Volksschule. Nach dem Tod des Großvaters 1954 können sich die Erben nicht über die Zukunft der Gärtnerei einigen – am Ende wird sie verkauft, und Uli zieht mit der Familie in eine Mietwohnung nach Lesum. Nach Abschluss der 6. Klasse der dortigen Volksschule wechselt er aufs Gymnasium nach Vegesack.

Im Frühjahr 1962 bekommt Ulis mittlerweile in der Sozialarbeit tätiger Vater das Angebot, das Team des Jugendhofs Steinkimmen zu verstärken. Damit verbunden ist ein erneuter Umzug, dieses Mal in eine Wohnung auf dem Gelände des Jugendhofs. Für Uli, der fortan das Gymnasium an der Willmsstraße in Delmenhorst besucht, eine ziemliche Umstellung: Er vermisst seine Freunde in Lesum und empfindet zudem die sehr abgelegene Wohn-Situation als belastend. Auf der anderen Seite bringen ihm die Begegnungen mit den Menschen des Jugendhofs viele Anregungen und neue Verbindungen.

Im folgenden Jahr verlässt Uli das Gymnasium mit der Mittleren Reife. Er absolviert ein Praktikum in einem Metallbau-Betrieb und beginnt 1964 eine Zimmerer-Lehre bei Hinrich Nehls in Bookhorn. In dieser Zeit eignet Uli sich nicht nur fachliches Wissen und körperliche Fähigkeiten an, sondern gewinnt auch viel Lebenserfahrung in der Arbeit mit anderen Menschen. Zugleich kristallisiert sich in dieser Zeit sein künftiges Berufsziel heraus: Er möchte Architekt werden!

Nach erfolgreich bestandener Gesellenprüfung im September 1966 geht Uli nach Berlin und schreibt sich an der Staatlichen Ingenieurakademie für Bauwesen zum Studium in der Fachrichtung Hochbau ein. In der damals noch geteilten Stadt lebt er in wechselnden Wohngemeinschaften und arbeitet nebenbei, um sein Studium zu finanzieren. Das besondere Flair West-Berlins, wo nach der Ermordung Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 die Studentenbewegung ihre Geburtsstunde erlebt, zieht ihn von Anfang an in seinen Bann. Fest entschlossen, den Wehrdienst zu verweigern, hat der Aufenthalt in Berlin für Uli zudem den Vorteil, dass er sich keinem Anerkennungsverfahren stellen muss.

Nachdem er sein Studium 1971 als graduierter Ingenieur beendet hat, bleibt Uli zunächst in Berlin und arbeitet als angestellter Architekt für die Bürogemeinschaft von Jan Bassenge, Hasso Schreck und Kay Puhan-Schulz. Dabei ist er vorwiegend an Groß-Projekten wie dem Bau von Schulzentren beteiligt. Mit seiner damaligen Freundin unternimmt Uli zudem diverse Reisen durch Europa und 1974 sogar nach New York und Kalifornien. Die ebenso fremdländisch wie elegant anmutenden Autos, die er dabei zu sehen bekommt und teilweise selbst fahren darf, wecken in ihm eine Faszination, die er sich zeitlebens bewahrt. Letztlich ist es dieses Interesse an der Ästhetik des Besonderen, das ihn später sowohl als Architekt wie auch beim Fotografieren – ein Hobby, das er seit seiner frühen Jugend betreibt – immer wieder neue und ungewöhnliche Wege beschreiten lassen wird.

Nach seiner Rückkehr aus den USA beginnt Uli ein Raumplanungs-Studium an der 1973 neu gegründeten Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg. Parallel dazu erhält er erste Aufträge als Selbstständiger: Er plant und entwirft Einfamilienhäuser, übernimmt die Bauleitung für die Ausführung und begleitet diverse Umbaumaßnahmen. Erfahrungen, die Uli von Anfang an auch im familiären Umfeld nutzen kann: Seine mittlerweile im Ruhestand lebenden Eltern haben 1973 in Hurrel den nach längerer Verpachtung leerstehenden Resthof von Anna Rüdebusch gekauft (heutige Eigentümerin: Birgit Ganteföhr). Mit Ulis tatkräftiger Hilfe renovieren sie zunächst das später vermietete Hauptgebäude und bauen dann den angrenzenden Schweinestall zum Wohnhaus um. Dort zieht nach der Fertigstellung 1976 neben Hans und Meta Meyer auch Uli ein (heute: Tanja und Thomas Imhoff). Privat orientiert er sich jedoch in dieser Zeit mehr und mehr Richtung Ostfriesland: Seine neue Lebensgefährtin wohnt in Leer.

Nach der 1978 bestandenen Prüfung als Diplom-Ingenieur arbeitet Uli als Raumplaner für den Landkreis Aurich – ab 1983 aber nur noch in Teilzeit, um wieder in größerem Umfang selbstständig Aufträge annehmen zu können. Mit seiner Partnerin kauft er in Ayenwolde ein altes Gulfhaus mit großem Gartengrundstück und renoviert es ähnlich aufwändig wie zuvor den elterlichen Hof in Hurrel.

Trotz der positiven Großstadt-Erfahrungen in Berlin fühlt sich Uli in der Abgeschiedenheit Ostfrieslands ausgesprochen wohl – Land, Leute und vor allem die historische Architektur der Region liegen ihm. Unter Denkmalschutz stehende Gulfhäuser behutsam so zu restaurieren, dass möglichst viel alte Substanz erhalten bleibt und dabei den Bauherren mit oft unkonventionellen Ideen eine ebenso ästhetische wie praktische und vor allem finanzierbare Lösung zu präsentieren, gilt schon bald als seine Spezialität, für die er auch weiterempfohlen wird. Deshalb kann er es sich Anfang 1987 leisten, seine Festanstellung beim Landkreis Aurich ganz aufzugeben.

Privat läuft es dagegen Ende der 80er Jahre weniger rund. Ulis Beziehung zerbricht, das gemeinsame Haus wird verkauft. Er verlegt sein Büro in das Gebäude der Seefahrtschule in Timmel, später macht er ein im Hafen von Emden liegendes, auf den Namen „Ma Dalton“ getauftes Segelboot zu seinem Lebensmittelpunkt. Schon in Ayenwolde hatte Uli die Liebe zum Segeln entdeckt und ein in Oldersum vor Anker liegendes Plattbodenschiff gekauft. Zwischendurch zieht es ihn aber auch immer wieder nach Hurrel, um seine Eltern zu unterstützen: Mutter Meta leidet schwer an einem Lungenemphysem, Vater Hans ist infolge einer Makula-Degeneration nahezu vollständig erblindet.

Als Meta Meyer im März 1991 stirbt, kehrt Uli vorübergehend ganz nach Hurrel zurück und richtet sich im hinteren Teil des väterlichen Hauses ein Büro ein. Sein Einsatzgebiet reicht dabei von der Nordseeküste bis nach Neustadt am Rübenberge. Mehrere Baustellen liegen aber auch mehr oder weniger direkt vor der eigenen Haustür, in Hurrel. Unter anderem 1994 der Umbau eines 1923 errichteten Bauernhauses an der Hurreler Straße, für den er sechs Jahre später in einem unter dem Motto „Neues Wohnen in alten Wänden“ bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb der Dresdner Bauspar AG den zweiten Preis erhalten wird. Für ähnliche Projekte in Ostfriesland kommen bald weitere Auszeichnungen hinzu – ein Umstand, auf den Uli bei aller sonst an den Tag gelegten Zurückhaltung durchaus ein bisschen stolz ist.

Im Dezember 1996 stirbt auch Vater Hans. Um seine beiden Schwestern auszahlen zu können, verkauft Uli das Haus in Hurrel und siedelt sich Ende März 1997 wieder in Leer an. Nur knapp zwei Jahre später bricht er ein weiteres Mal nach Neuseeland auf, wo die ältere Schwester Ilse, deren Ehemann Werner und einer ihrer Söhne schon vor mehr als zehn Jahren eine neue Heimat gefunden haben. Auf dem Rückweg nach Deutschland besucht Uli einen weiteren, mittlerweile auf Tonga lebenden Verwandten und gewinnt dort noch einmal ganz neue Lebenseindrücke.

Nach Ostfriesland zurückgekehrt, lebt Uli ab 2001 mit Katze Bibo und Hund Picco in einem historischen, mit viel Liebe zum Detail ausgebauten Zirkuswagen. Als Standort dient der Binnenhafen von Emden, die „Ma Dalton“ liegt also gleich um die Ecke. Beruflich nimmt er eine weitere Auszeit und widmet sich einem schon länger geplanten Herzens-Projekt: Den ganzen Sommer 2001 über streift Uli mit seinen Leica-Kameras über das Gelände der Nordseewerke und erschafft so eine in jeder Beziehung außergewöhnliche Foto-Dokumentation über das Emden seit Generationen prägende Unternehmen. Die Firmenleitung, die ihm freien Zutritt zu allen Bereichen ermöglicht, nutzt 2003 einige der so entstandenen Bilder für die Hundert-Jahr-Feier der Werft. Das Ostfriesische Landesmuseum nimmt darüber hinaus rund 300 Schwarzweiß-Abzüge in sein Archiv auf.

Da er sich nicht sicher ist, den Stellplatz für den Zirkuswagen auf Dauer behalten zu können, pachtet Uli in Emden kurz vor Rentenbeginn einen Kleingarten mit stabilem Gartenhaus. Auch dieses neue Domizil gestaltet er rasch zu einem kleinen Paradies, dem unzählige besondere, im Laufe seines Lebens gesammelte Dinge einen unverwechselbaren Charakter geben. Einen Tag vor seinem 65. Geburtstag heiratet Uli eine langjährige Jugendfreundin, mit der er fortan im Sommer in der Kleingarten-Kolonie und im Winter in einer Stadtwohnung lebt. Mit einem Wohnwagen und später einem Kleinbus unternehmen beide in den folgenden Jahren zahlreiche Reisen, die sie vom Polarkreis über Südfrankreich bis zu den Peloponnes führen. Zusammen mit einer Verwandten bereist Uli darüber hinaus 2013 für vier Wochen Kuba. Dazwischen nimmt er immer wieder einzelne Planungsaufträge an, bei denen ihm eine befreundete Architektin zur Hand geht.

Getrübt wird diese im Prinzip sehr unbeschwerte Lebensphase von einer im Herbst 2011 diagnostizierten Lungenkrebs-Erkrankung. Mit konsequenter Chemo- und Strahlentherapie kann Uli die Krankheit zunächst besiegen. Ab 2014 kehrt der Krebs jedoch in verschiedenen anderen Organen zurück. Uli erträgt die damit verbundenen schweren Belastungen mit viel Geduld und Ausdauer, hat am Ende jedoch keine Chance: Er stirbt am 28. August 2018. Seine letzte Ruhestätte findet Uli am 15. September 2018 im Rahmen einer Ems-Dollart-Seebestattung, durchgeführt vom Beisetzungsschiff „Germania“.