Hanna Marga Schwarting – Biographie

Hanna Marga Schwarting wird am 18. Februar 1926 als zweites Kind von Heinrich Blankemeyer und Helene Blankemeyer auf dem elterlichen Hof in Vosteen (heute: Amanda Blankemeyer) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Herbert Blankemeyer.

Zwei Tage nach Hannas Geburt öffnet in Berlin die erste „Grüne Woche“ ihre Tore. Sie dauert bis zum 28. Februar 1926 und zählt auf einer Fläche von rund 7.000 Quadratmetern mehr als 50.000 Besucher. Hervorgegangen ist die bis heute die Massen anziehende Messe aus der schon seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Reichshauptstadt stattfindenden Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Aus diesem Anlass gab es bis 1925 in jedem Jahr über die ganze Stadt verteilt Veranstaltungen mit zahlreichen Händlern und Ausstellern, die die „Grüne Woche“ fortan an einem einzigen Ort – am Kaiserdamm in unmittelbarer Nähe des gerade im Bau befindlichen Funkturms – bündelt. Der Name für die Messe leitet sich der Überlieferung zufolge von der Farbe der Lodenmäntel ab, die die Besucher früherer DLG-Tagungen traditionell trugen. Blickfang der ersten großen Leistungsschau unter dem Funkturm ist ein vier Meter hoher „Universal-Schlepper für Feldarbeiten“ mit 100 PS.

Die beginnende Mechanisierung und Elektrifizierung der Landwirtschaft drückt der Ausstellung auch in den folgenden Jahren ihren Stempel auf. Neben Traktoren und dem jeweils neuesten Ackergerät gibt es eine Kannen-Melkanlage zu bestaunen, einen Pferde-Staubsauger oder eine riesige Frischhalte-Maschine für bis zu 5.000 Eier. Gleichzeitig präsentiert sich die „Grüne Woche“ als kunterbunter Bauernhof, der Städtern einen Einblick ins konventionelle Landleben gewährt und auf dem es an jeder Ecke gackert und muht.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 lässt die Fachmesse allerdings rasch zur reinen Propaganda-Schau verkommen. Joseph Goebbels, im März 1933 zum „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda“ ernannt, kontrolliert fortan jede Ausstellungs-Tätigkeit im NS-Staat und trimmt die Veranstalter auf Regierungskurs. „Blut und Boden sind die Lebensgrundlagen unseres Volkes“ ist deshalb gleich in Halle 1 neben einem überlebensgroßen Porträt Adolf Hitlers zu lesen, als die „Grüne Woche“ am 27. Januar 1934 ihre nächste Auflage erlebt.

Zu diesem Zeitpunkt besucht Hanna im zweiten Jahr die Volksschule in Steinkimmen. Es sind die letzten Wochen, in denen sie noch in den Genuss kommt, jeden Morgen von Friedrich Linnemann auf dem Fahrrad mitgenommen zu werden: Hannas damals 14-jähriger Nachbar sieht in jenem Frühjahr seinem Schulabschluss entgegen. An die gemeinsamen Fahrten von Vosteen nach Steinkimmen kann er sich auch mehr als 70 Jahre später noch gut erinnern: „Neben der Pflasterstraße schlängelte sich ein sehr schmaler, glatter Pfad und den versuchte ich immer zu treffen. Nur einmal im Winter – bei Glatteis – rutschte das Fahrrad unter uns weg, aber wir blieben beide auf den Füßen stehen.“ Friedrich erinnert sich 2006 auch, mit Hanna und ihrem nur ein Jahr älteren Bruder Herbert viel im nahe gelegenen Hasbruch gespielt zu haben.

Als Hanna im März 1940 konfirmiert wird und die Volksschule Steinkimmen verlässt, tobt in Europa bereits der Zweite Weltkrieg – an dem seit Oktober 1939 notgedrungen auch ihr einstiger Spielkamerad Friedrich Linnemann teilnimmt. Hanna geht derweil auf einem Hof in Jaderkreuzmoor in Stellung, bevor sie ab 1942 für ein Jahr die Landfrauenschule in Vechta besucht. Zu ihren Mitschülerinnen, mit denen sie auch in der Freizeit viel unternimmt, gehören unter anderem Henni Cordes aus Steinkimmen, Erna Mindermann aus Kirchkimmen und Alma Nehls aus Habbrügge.

Da Bruder Herbert in der Zwischenzeit ebenfalls einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht erhalten hat, arbeitet Hanna anschließend wieder auf dem elterlichen Hof in Vosteen. Dort erlebt sie im Mai 1945 das Ende des Krieges, der auch ihrer Familie Opfer abverlangt. Im September 1944 etwa stirbt in einem schlesischen Feldlazarett Hannas Vetter Heino Schwarting, der älteste Sohn ihrer in Hurrel verheirateten Tante Anni Schwarting. Herbert Blankemeyer wird an der Ostfront schwer verwundet und gerät in russische Gefangenschaft. Kaum besser ergeht es Hannas ebenfalls in Hurrel lebendem Onkel Adolf Schmerdtmann, der vor seiner Freilassung mehrere Jahre lang Zwangsarbeit in Sibirien leistet. Ehefrau Frieda – eine Schwester von Hannas Mutter Helene – und Tochter Lore wohnen während des Krieges auf dem Blankemeyer-Hof.

So schwierig die Zeiten nach dem totalen Zusammenbruch auch sind – schon 1946 gibt es vereinzelt wieder Tanzabende, und auch die Tradition der Holschenbälle wird in den umliegenden Dörfern fortgeführt. Auf einem dieser Bälle lernt Hanna 1948 ihren künftigen Ehemann Heinrich Schwarting aus Hurrel kennen. Heinrich – mit Hannas gefallenem Vetter Heino und dessen Geschwistern Ingo und Linda nicht verwandt – lebt mit seinen Eltern auf einem kurz vor Kriegsende abgebrannten und gerade neu aufgebauten Hof am Hesterort, den er später einmal übernehmen soll.

Hanna und Heinrich heiraten am 16. Juni 1950 auf dem Schwarting-Hof. Als Aussteuer bringt Hanna einen roten VW Käfer in die Ehe mit, macht selbst allerdings erst rund zehn Jahre später ihren Führerschein. Auf dem Beifahrersitz nimmt sie jedoch häufig Platz und geht zusammen mit Heinrich bereits in den 50er Jahren des Öfteren auf große Fahrt – etwa zu Heinrichs Vetter Heino Schwarting nach Freiburg. Den Rücken dafür frei halten ihnen Hannas Schwiegereltern Diedrich und Annchen, die auch nach der offiziellen Übergabe des damals 36 Hektar großen Hofes nach Kräften weiter im Betrieb mitarbeiten.

Im normalen Alltag bleibt selbstverständlich auch für Hanna genug zu tun, denn der Schwarting-Hof wächst unter Heinrichs Regie stetig weiter. Schon 1956 müssen die Stallungen vergrößert werden, 1962 kommt noch ein Geflügelstall hinzu. Zwar steht für die meisten Arbeiten auf dem Feld inzwischen moderne Technik bereit, doch Maschinen, die Hanna eher ungeliebte Tätigkeiten wie das Rupfen von Gänsen und Hühnern abnehmen, gehören nicht zum Inventar. Außer um die tägliche Hofarbeit und den Haushalt kümmert sie sich auch um den Garten und strickt und häkelt nebenbei leidenschaftlich gern.

Der Wunsch nach eigenen Kindern erfüllt sich für Hanna und Heinrich nicht. Im Frühjahr 1963 siedelt deshalb Heino Heinemann aus Oberhausen nach Hurrel über, der damals zwölfjährige Sohn von Heinrichs Schwester Anneliese. Ihn bereiten Hanna und Heinrich gezielt auf die Hof-Nachfolge vor. Nach Heinos Heirat mit Karin Wieting aus Sannum im Juni 1975 – zwei Wochen nach Hannas und Heinrichs Silberhochzeit – erfüllen dann doch noch Kinderstimmen das Haus: Im Januar 1976 wird Enkeltochter Anke geboren, im Juli 1977 die zweite Enkelin Birte und schließlich im April 1981 Enkelsohn Heiko. Alle drei zu betreuen und später zu diversen Pflicht- und Freizeit-Terminen zu fahren, gehört fortan mit zu Hannas festen Aufgaben. Daneben ist sie im Landfrauenverein Stenum aktiv sowie in der evangelischen Kirchengemeinde Hude, für die sie unter anderem viele Jahre lang das Mitteilungsblatt „Die Glocke“ verteilt.

Noch bevor Hanna und Heinrich den Hof der nächsten Generation weiterreichen, nehmen sie sich immer wieder Zeit für größere Reisen: Urlauben in Süddeutschland und Österreich in den 60er und 70er Jahren folgen ab 1980 Aufenthalte in Moskau, Norwegen und Venedig. Doch auch die regelmäßigen Treffen im Verwandtenkreis oder mit den Kameradinnen der Landfrauenschule Vechta bereiten Hanna Freude. Letztere finden häufig in Jaderberg statt, organisiert von der ehemaligen Klassensprecherin Elfriede Barghorn.

Im Juni 2000 feiern Hanna und Heinrich im Gasthof von Bodo und Ursel Mehrings Goldene Hochzeit. Die 80. Geburtstage von Heinrich (Februar 2003) und dessen Schwester Gisela Siems (Juli 2005) erleben beide noch gemeinsam, nicht jedoch die nächste größere Feier in Sichtweite: Heinrich stirbt im August 2005 nach längerer Krankheit, sechs Monate vor Hannas eigenem 80. Geburtstag.

Bis auf eine Hüft-Operation, die 1988 einen Krankenhaus-Aufenthalt nötig machte, hat Hanna bis zu diesem Zeitpunkt kaum mit gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen. Das bleibt auch noch einige Jahre so, doch spätestens nach Hannas 90. Geburtstag im Februar 2016 lassen ihre Kräfte deutlich nach. Sie stirbt am 16. März 2019 und wird sechs Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.