Gretchen Janßen – Biographie

Gretchen Friederike Janßen wird am 8. März 1912 als Tochter von Karl Gerhard August Meyer und Martha Sophie Meyer in Rethorn geboren. Sie ist die Schwester von Mariechen Wessels, Hilde Hinderks, Käthe Mangels und Herbert Meyer.

Am Tag von Gretchens Geburt besucht Kaiser Wilhelm II. die rund 15 Kilometer östlich ihres Heimatortes gelegene Hansestadt Bremen. Es ist seit seinem Amtsantritt 1888 bereits das 21. Mal, was natürlich mit der Nähe Bremens zu Wilhelmshaven zu tun hat. Im 1869 eingerichteten Kriegshafen des Deutschen Reiches hält sich Wilhelm gern und häufig auf, um die Fortschritte beim Ausbau der kaiserlichen Flotte in Augenschein zu nehmen.

Dieses Mal befindet sich Wilhelm schon auf dem Rückweg nach Berlin. Nachdem er am 7. März in Wilhelmshaven an einer Rekruten-Vereidigung teilgenommen hat, reist er mit dem Flotten-Flaggschiff „Deutschland“ zunächst nach Cuxhaven und erreicht Bremen am späten Vormittag des nächsten Tages. Unter stürmischem Jubel der Bevölkerung – die Kinder haben selbstverständlich schulfrei – steuert der kaiserliche Automobil-Konvoi zunächst das 1911 fertiggestellte Hauptgebäude des Norddeutschen Lloyd in der Papenstraße an. Dort wird Wilhelm von Bürgermeister Karl Stadtländer und Lloyd-Generaldirektor Philipp Heineken offiziell willkommen geheißen.

Nach einem halbstündigen Rundgang geht es weiter zum traditionellen „Kaiserfrühstück“ im Ratskeller mit Mitgliedern des Senats. Dazu werden unter anderem Schildkröten-Bouillon, Beluga-Kaviar und frischer Hummer gereicht. Gegen 15.15 Uhr erreicht Wilhelm dann mit seinem Gefolge den Hauptbahnhof. Ein Reporter der Bremer Nachrichten notiert: „Das Automobil hielt vor dem östlichen Eingang. Der Kaiser trat ins Empfangsgebäude hinein und schritt die Treppe zum Wartesaal für fürstlich Reisende hinauf und durchquerte diesen. Auf dem Bahnsteig verabschiedete sich der Kaiser auf das herzlichste von Herrn Bürgermeister Stadtländer. Die Abfahrt erfolgte um 3 Uhr 19 des Nachmittags.“ Nicht mit in den Zug steigt Wilhelms Bruder Heinrich: Er verlässt Bremen erst um kurz vor 16 Uhr per Auto und fährt nach Kiel, dem anderen Kriegshafen des Reiches.

Noch zweimal (1913 und 1914) besucht Wilhelm unter ähnlichen Jubel-Szenen Bremen. Dann beendet der Erste Weltkrieg diese Tradition. Vier Jahre und geschätzt 20 Millionen Kriegstote später sieht sich Wilhelm zur Abdankung gezwungen. Die Zeit der Hochrufe ist vorbei – vor allem in Bremen, wo unmittelbar darauf die am 4. Februar 1919 blutig niedergeschlagene Bremer Räterepublik ausgerufen wird. Hätte der ehemalige Herrscher sich in jenen turbulenten Novembertagen 1918 zwischen Ratskeller und Hauptbahnhof blicken lassen, er hätte wohl um sein Leben fürchten müssen.

Darüber, wie Gretchen – damals frisch eingeschult – und ihre Familie diese Zeit der Umwälzungen erleben, lässt sich nur spekulieren. Auch über die folgenden Jahre ihres Lebens ist in Hurrel kaum etwas bekannt. Sehr wahrscheinlich beendet sie 1926 die Volksschule in ihrem Heimatort Rethorn und geht danach wie zu jener Zeit üblich in einem oder mehreren Haushalten in Stellung. Wann und bei welcher Gelegenheit Gretchen ihren künftigen, wie sie selbst aus Rethorn stammenden und 16 Jahre älteren Ehemann Heinrich Janßen kennenlernt, ist ebenfalls nicht überliefert.

Gretchen und Heinrich heiraten am 3. Juli 1943 in Ganderkesee, mitten in den Wirren des von den Nationalsozialisten losgetretenen Zweiten Weltkriegs. Für Heinrich, der seit 1938 als Lager- und Müllermeister für die Warengenossenschaft in Schierbrok arbeitet, ist es nach dem Tod seiner ersten Partnerin die zweite Ehe. Sie bleibt kinderlos und währt nur etwas mehr als 15 Jahre: Heinrich stirbt am 21. März 1959 nach längerer Krankheit.

Nach Heinrichs Tod wohnt Gretchen zunächst weiter in Rethorn in dem Haus, das ihr Ehemann ihr hinterlassen hat. Die veränderte Situation bringt sie jedoch dazu, sich noch einmal völlig neu zu orientieren. Auf der Suche nach Arbeit und neuen Lebensumständen antwortet sie im Sommer 1960 auf eine Stellenanzeige von Erich Vosteen aus Hurrel. Der Vater von drei Töchtern ist bereits seit 1954 Witwer und sucht, da nach der 1957 ausgezogenen mittleren Tochter Hilde Anfang September auch die älteste Tochter Gerda den von ihm bewirtschafteten Hof (heute: Uwe und Inge Ramke) verlassen wird, nach einer zuverlässigen Haushälterin.

Was als Arbeitsverhältnis beginnt, entwickelt sich schnell zu mehr: Als 1964 auch die jüngste Tochter Elli auszieht, sind Erich und Gretchen längst ein Paar. Eine Heirat ist allerdings für beide schon aus finanziellen Gründen kein Thema.

In den folgenden Jahren bewirtschaften Erich und Gretchen weiter den Vosteen-Hof – bis Erich Anfang 1973 das Rentenalter erreicht und die Landwirtschaft aufgibt. Fortan bleibt beiden mehr Zeit für freizeitliche Aktivitäten, was sie insbesondere an den Wochenenden für ausgedehnte Tagestouren nutzen. Begleitet werden sie dabei oft von Erichs Kusine Marta Haverkamp und deren Ehemann Emil. Längere Urlaubsreisen mag sich Gretchen aufgrund ihrer sich im Alter verschlimmernden Diabetes-Erkrankung allerdings nicht zumuten. Vor allem die Augen machen ihr in diesem Zusammenhang zu schaffen.

Letztlich sind es die Spätfolgen der Diabetes, die diese für beide trotz aller Einschränkungen schöne Zeit allzu früh beenden: Gretchen stirbt nach kurzer, krankheitsbedingter Bettlägerigkeit am 13. Juli 1984. Beerdigt ist sie vier Tage später in Ganderkesee auf dem Friedhof an der Urneburger Straße.