Gesine Willenbrock – Biographie

Johanna Gesine Willenbrock – Rufname Gesine – wird am 27. Dezember 1901 als erstes Kind von Diedrich Düßmann und Adeline Düßmann in Delmenhorst geboren. Sie ist die ältere Schwester von Adele Timmermann und Bertha Kreis.

Am selben Tag wie Gesine betritt 400 Kilometer weiter östlich im Berliner Stadtteil Schöneberg ein künftiger Weltstar die Bühne des Lebens – Marlene Dietrich. Ein Ereignis, von dem freilich am Ende des Jahres 1901 außer den direkt Beteiligten noch niemand Kenntnis nimmt. Gesprächsstoff bietet dem gehobenen Bürgertum hingegen in jenen verregneten Dezembertagen eine andere künftige Femme fatale der deutschsprachigen Kunst-Szene: Alma Schindler. Die damals 22-jährige Tochter des Landschaftsmalers Emil Jakob Schindler verlobt sich in Wien nur wenige Wochen, nachdem sie ihn kenngelernt hat, mit dem gefeierten Hofkomponisten Gustav Mahler.

Anders als die biographisch bestens ausgeleuchtete Kinder- und Jugendzeit Marlene Dietrichs und das weitere Schicksal von Gustav Mahler und Alma Schindler – spätere Gefährtin von Walter Gropius, Franz Werfel und Oskar Kokoschka – liegen die ersten 20 Lebensjahre Gesines heute weitgehend im Dunkeln. So ist weder bekannt, wo sie die Volksschule besucht noch, wohin es sie nach Schulabschluss und Konfirmation verschlägt. Den Umzug nach Hurrel, den ihre Eltern und die jüngste Schwester Bertha kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs wegen der angeschlagenen Gesundheit der Mutter vornehmen, macht sie jedenfalls zunächst nicht mit. Vermutlich arbeitet sie zu diesem Zeitpunkt irgendwo in der näheren Umgebung von Delmenhorst – oder in Tweelbäke, von wo ihr späterer Ehemann Diedrich Willenbrock stammt.

Kurz vor dem Höhepunkt der Hyperinflation stirbt im Juli 1923 Mutter Adeline. Um ihren bei den Deutschen Linoleumwerken in Delmenhorst arbeitenden Vater zu unterstützen, zieht nun auch Gesine auf den kleinen, rund zwei Hektar Land umfassenden Hof in Hurrel (heutiger Eigentümer: Günter Klintworth). Nach der Hochzeit im Oktober 1925 folgt Diedrich Willenbrock, Anfang Januar 1926 kommt die gemeinsame Tochter Gisela hinzu.

Da Diedrich als Schaffner bei der Reichsbahn in Wilhelmshaven arbeitet, siedelt er mit Gesine und Gisela noch im Laufe des Jahres 1926 dorthin über. In einer an der Rüstringer Straße gemieteten Wohnung wächst die Familie durch die Geburt von Helmut (August 1928), Günter (Februar 1932) und Renate (Dezember 1936) auf sechs Mitglieder.

Zwischen der Geburt des zweiten und des vierten Kindes liegen acht Jahre, die Deutschland radikal verändern: An die Stelle der vergleichsweise weltoffenen Weimarer Republik tritt Anfang 1933 das diktatorische Nazi-Regime. Die Folgen bekommt neben Millionen anderen Menschen bald auch Gesine zu spüren. Zwar bleiben sowohl Diedrich als auch der älteste Sohn Helmut von einer Teilnahme am im September 1939 beginnenden Zweiten Weltkrieg verschont. Dafür gehört der Marine-Standort Wilhelmshaven zu den ersten und häufigsten Zielen alliierter Fliegerangriffe. Im Laufe des Krieges wird die Familie gleich zweimal ausgebombt. Nach dem zweiten Mal kommt sie in einer Wohnung an der Kurzen Straße unter, ganz in der Nähe des Pumpwerks am Ems-Jade-Kanal.

Der Neuanfang nach der Stunde Null gestaltet sich für Gesine ähnlich mühsam wie für die meisten ihrer Verwandten, Freunde und Nachbarn – auch wenn sie durch Diedrichs nach 1945 nahtlos fortgeführte Anstellung bei der Bahn vielleicht ein klein wenig mehr Sicherheit im Rücken hat. Die 50er Jahre bringen dann zwar einen Anteil am später Wirtschaftswunder genannten Aufschwung, aber auch eine Zäsur: Nach kurzem Krankenhausaufenthalt stirbt Diedrich 1957 infolge massiver Herzprobleme.

Mit 56 Jahren zur Witwe geworden, lebt Gesine weiter an der Kurzen Straße und teilt sich die Wohnung zunächst mit Sohn Günter, dessen Ehefrau Gesine und Enkelin Monika. Da sie auch nach Diedrichs Tod weiter vergünstigt mit der Bahn fahren kann, reist Gesine häufig zu ihrer ebenfalls verwitweten Schwester Adele nach Hurrel. Letztere hat 1926 an ihrer Stelle die Betreuung des 1953 verstorbenen Vaters übernommen. Auch Gesines Kinder und die insgesamt fünf Enkel sind in den 60er Jahren des Öfteren bei Adele und der zu jener Zeit mit im Haus wohnenden Familie ihres Sohnes Dieter zu Gast. Jeden Sonntag bekommt Gesine zudem Besuch von den beiden Söhnen Helmut und Günter, die zum Frühschoppen vorbeischauen.

Ihre letzten Lebensjahre verbringt Gesine in unmittelbarer Nähe der jüngsten Tochter Renate in der Werftstraße – und muss noch einmal einen Schicksalsschlag verkraften: Im Oktober 1971 stirbt Tochter Gisela nach einer zuvor erlittenen Schwangerschaftsvergiftung an Nierenversagen. Gesine selbst, schon längere Zeit an Diabetes erkrankt, stirbt am 9. Oktober 1975 im Alter von 73 Jahren. Beerdigt ist sie wenige Tage später auf dem Städtischen Friedhof an der Friedenstraße in Wilhelmshaven.

Nahezu zeitgleich schließt sich übrigens auch für Gesines astrologischen Zwilling Marlene Dietrich ein Kreis: Nach einem Oberschenkelhalsbruch, den sie sich am 29. September 1975 bei einem Auftritt in Sydney zugezogen hat, tritt Deutschlands wohl berühmteste Schauspielerin aller Zeiten von der Bühne ab und verbringt den größten Teil ihres restlichen Lebens – sie stirbt am 6. Mai 1992 – im Bett ihrer Pariser Wohnung.