Gesine Schütte – Biographie

Gesine Hermine Schütte wird am 18. November 1909 als zweites Kind von Johann Hohnholt und Anna Hohnholt in Vosteen bei Steinkimmen geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Martha Sophie den Bakker. Darüber hinaus hat sie mit Friedrich Linnemann noch einen jüngeren Bruder aus der zweiten Ehe ihrer Mutter mit Adolf Linnemann.

Zwei Tage vor Gesines Geburt entsteht in Frankfurt mit der Deutschen Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft (Delag) die erste Fluggesellschaft der Welt. Treibende Kraft ist der Luftschiff-Konstrukteur Ferdinand von Zeppelin, der damit die zivile Nutzung der nach ihm benannten Zeppeline vorantreiben will. Über ein Netz von noch zu errichtenden Flughäfen sollen schon bald Passagiere zwischen einzelnen deutschen Großstädten hin- und herreisen können – ein noch wenige Jahre zuvor utopisch anmutender Plan, der die Fantasie so mancher Lokalpolitiker beflügelt. Wesentliche Kapitalgeber der neuen Gesellschaft sind deshalb Großstädte wie Frankfurt oder Düsseldorf. Frankfurts Oberbürgermeister Franz Adickes gehört sogar zu den Gründungsmitgliedern.

Der Start verläuft jedoch äußerst schleppend. Als größtes Problem erweist sich wie schon in den Jahren zuvor die Schlechtwetter-Anfälligkeit der mit Wasserstoff betriebenen Zeppeline. Das für die Eröffnung des Linienverkehrs vorgesehene Modell „Deutschland“ stürzt im Juni 1910 nur neun Tage nach der Jungfernfahrt im Teutoburger Wald ab, als bei Sturm und Regen einer der Motoren versagt. Zum Glück kommt keiner der Passagiere – überwiegend Journalisten großer Zeitungen, die über die Möglichkeiten des neuen Verkehrsmittels berichten sollen – zu Schaden.

Trotz des neuerlichen Zwischenfalls reißt die bereits 1908 bei der Zeppelin-Spende des deutschen Volkes zutage getretene Begeisterung für die Luftschifffahrt nicht ab. Besondere Aufmerksamkeit ruft das im Juni 1911 in Dienst gestellte Modell „Schwaben“ hervor: Mit Heinrich Kubis befindet sich erstmals ein Steward an Bord, der die Fluggäste an ihren Plätzen mit Speisen und Getränken versorgt. Die „Schwaben“ pendelt zwischen Baden-Oos, Gotha, Düsseldorf, Berlin, Potsdam und Frankfurt und befördert innerhalb von zwölf Monaten mehr als 4.300 Personen. Am Ende wird aber auch dem bis dato erfolgreichsten Luftschiff ein Sturm zum Verhängnis: Am 28. Juni 1912 fängt die „Schwaben“ nach der Landung auf dem Düsseldorfer Flughafen Feuer und verbrennt. Menschen sind zu diesem Zeitpunkt allerdings keine mehr an Bord. Danach führt die Delag den Betrieb mit den verbliebenen Zeppelinen „Viktoria Luise“ und „Hansa“ fort, ehe der Erste Weltkrieg im August 1914 dieses frühe Kapitel der zivilen Luftfahrt vorerst beendet.

Der Kriegsausbruch verändert auch das Leben der Menschen in Gesines Heimatgemeinde Ganderkesee – ohne dass die meisten von ihnen bis dahin je einen Zeppelin zu Gesicht bekommen haben dürften. Vermutlich wird auch Gesines als Maurer arbeitender Vater zur Armee eingezogen. In jedem Fall stirbt er noch vor Kriegsende, denn bereits 1918 heiratet Mutter Anna ein zweites Mal. Stiefvater Adolf Linnemann betreibt in Vosteen seit 1912 einen kleinen Bauernhof, der für Gesine und ihre Schwester Martha Sophie zum neuen Zuhause wird (die spätere Gaststätte „Vosteener Eck“). Im September 1919 macht Stiefbruder Friedrich die Familie komplett.

In den äußerst schwierigen Anfangsjahren der Weimarer Republik wird Gesines 1903 geborene Schwester zur Hollandgängerin. Im Mai 1924 heiratet sie in Heenvliet Andries Izaak den Bakker. Ob Gesine nach dem Abschluss der Volksschule Steinkimmen ebenfalls eine Zeitlang in den Niederlanden arbeitet oder zumindest mit dem Gedanken an diese Möglichkeit spielt, liegt heute im Dunkeln – ebenfalls, wann und bei welcher Gelegenheit sie ihren späteren Ehemann Johann Schütte aus Hurrel kennenlernt.

Gesine und Johann heiraten am 17. Mai 1934 – knapp anderthalb Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und fünf Monate vor der Geburt der gemeinsamen Tochter Anni. Johann betreibt in Hurrel zusammen mit seinen Eltern Diedrich und Marie eine Schmiede an der Ortstraße, die sein Vater 1906 begründet hat (heute: Heike und Manfred Köster). In den ersten Jahren nach der Hochzeit wohnt auch Johanns 1921 geborener Bruder Willi mit im gemeinsamen Haushalt.

Ähnlich wie der Erste Weltkrieg 25 Jahre zuvor sorgt auch der Anfang September 1939 mit dem Überfall auf Polen beginnende Zweite Weltkrieg für eine Reihe von Veränderungen in Gesines Umfeld. Ihr Schwager Willi wird ebenso zur Wehrmacht eingezogen wie Halbbruder Friedrich in Vosteen, der am Frankreich-Feldzug teilnimmt. Ehemann Johann hingegen erhält keinen Stellungsbefehl und arbeitet weiter in der Schmiede seines Vaters.

Mehr oder weniger mit dem Schrecken davon kommen Gesine, Johann, dessen Eltern und Tochter Anni, als irgendwann im Laufe des Jahres 1942 – das genaue Datum ist nicht mehr bekannt – feindliche Flieger ihr Anwesen unter Beschuss nehmen. Durch einen Bombensplitter schwer verletzt wird bei dem Angriff allerdings ihre rund 500 Meter entfernt wohnende Nachbarin Gesine Grummer, die sich zuvor mit Tochter Alwine in den Schütte-Keller geflüchtet hatte. Die Schäden an der Schmiede sind zudem beträchtlich.

Alles in allem übersteht Gesines Familie den Krieg trotzdem relativ glimpflich. Willi Schütte gelingt es, sich rechtzeitig aus dem belagerten Königsberg abzusetzen, er ist bereits vor der Einnahme Hurrels durch kanadische Truppen wieder zu Hause. Friedrich Linnemann liegt derweil mit Malaria in einem Lazarett in Österreich, kann aber danach aus der Gefangenschaft flüchten. Spätestens die Hochzeit ihres Halbbruders mit Elfriede Rodiek aus Dingstede im August 1947 markiert dann für Gesine die Rückkehr zur Normalität, zumal einen Monat zuvor Johanns zweiter Bruder Heinrich aus britischer Gefangenschaft freigekommen ist. Auch Schwester Martha Sophie in den vom Krieg ebenfalls hart getroffenen Niederlanden geht es den Umständen entsprechend gut.

Der enorme Aufschwung, den die deutsche Wirtschaft in den 50er Jahren nimmt, geht an der nach dem Tod von Gesines Schwiegervater im Sommer 1954 von Johann alleine betriebenen Schmiede weitgehend vorüber – was unter anderem damit zu tun hat, dass es im Dorf mit Heino Borgmann seit 1951 einen zweiten, besser auf die zunehmende Mechanisierung der Landwirtschaft eingestellten Schmied gibt. Da jedoch weder sie selbst noch Schwiegermutter Marie oder Tochter Anni große Ausgaben tätigen, kommen Gesine und Johann mit ihren Einkünften zurecht.

Ein Jahr vor Gesines und Johanns im Mai 1959 gefeierter Silberhochzeit stirbt Stiefvater Adolf, im Januar 1960 dann auch Mutter Anna und im Januar 1962 Schwiegermutter Marie. Ein freudiges Ereignis gibt es dagegen im Oktober 1964: Tochter Anni verlobt sich mit Heinz Brand aus Heiligenloh bei Twistringen, der nach der Hochzeit im August 1965 in den Schütte-Haushalt zieht.

Nach der Schließung der Schmiede und dem Auszug von Anni und Heinz – Gesines Schwiegersohn macht sich als Malermeister selbstständig und beide lassen sich in seinem Elternhaus in Heiligenloh nieder – leben Gesine und Johann in Hurrel relativ zurückgezogen. Als Johann im April 1982 stirbt, zieht auch Gesine nach Heiligenloh. Dort stirbt sie am 18. März 1991 nach kurzer Krankheit und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.