Gerhard Schweers – Biographie

Gerhard Hinrich Schweers wird am 6. Juni 1829 als einziges Kind von Johann Hinrich Schweers und Catharina Margareta Schweers auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Gerold und Annegret Sparke) geboren. Mit Gesche Margarete Schweers hat er eine ältere Halbschwester aus der ersten Ehe seines Vaters mit Anna Catrine Lüschen, die aber bereits im Juni 1824 im Alter von 17 Jahren verstorben ist. Ferner hat er mit Anna Catharina Schwarting eine jüngere Halbschwester aus einer weiteren Ehe seines Vaters.

Am Tag von Gerhards Geburt stirbt 5.000 Kilometer weiter westlich in St. John’s auf Neufundland die mutmaßlich letzte Angehörige des Beothuk-Stamms. Shanawdithit oder Nancy April, wie britische Siedler sie nach ihrer Gefangennahme 1823 nennen, leidet bereits seit Jahren an Tuberkulose und wird nur knapp 30 Jahre alt.

Die Beothuk waren einst der dominierende Indianerstamm Neufundlands. Über seine Sitten und Gebräuche ist aber schon zum Zeitpunkt des Todes von Shanawdithit kaum noch etwas bekannt. Wissenschaftler taxieren später seine Zahl bei Ankunft der ersten weißen Siedler im 15. Jahrhundert auf 700 bis 2.000 Personen, die sich um das Jahr 200 nach Christi Geburt von Labrador kommend auf der Kanada vorgelagerten Insel niedergelassen haben. Die Weißen nennen sie nach den ersten Begegnungen Rothäute, weil sie sowohl Haut und Haare als auch ihre Kleidung mit rotem Ocker färben – möglicherweise der Auslöser dafür, dass sich dieser Begriff generell für alle Indianer Nordamerikas einbürgert.

Der Niedergang der Beothuk beginnt Anfang des 17. Jahrhunderts, als es zwischen ihnen und französischstämmigen Siedlern immer häufiger Streitigkeiten bezüglich der Jagd- und Fischereigründe gibt. Die Franzosen verbünden sich daraufhin mit einem anderen Indianerstamm, den Mi’kmaq, und statten ihn mit Feuerwaffen aus. Als es zu einem Krieg zwischen den Ureinwohnern kommt, haben die Beothuk keine Chance auf einen Sieg und müssen sich ins Landesinnere der Insel zurückziehen. Doch auch in den folgenden anderthalb Jahrhunderten machen die Weißen erbarmungslos Jagd auf sie. Der Mangel an Nahrungsmitteln in den ihnen verbliebenen Gebieten tut ein Übriges, so dass um das Jahr 1800 herum nur noch wenige Überlebende übrig sind. Als endlich ein Umdenken einsetzt, ist es zu spät: Vor Shanawdithit sind bereits ihre Mutter, ihre Schwester sowie andere Stammesangehörige an Tuberkulose gestorben.

Ob in Hurrel auch Gerhards Mutter dieser in Europa ebenfalls seit längerem grassierenden Volksseuche zum Opfer fällt, lässt sich nur vermuten. Sie stirbt im April 1831 im Alter von 27 Jahren, ohne dass das Kirchenbuch der Gemeinde Hude eine Todesursache nennt. Vier Monate später heiratet Vater Johann Hinrich, damals bereits 57, ein drittes Mal. Gerhards Stiefmutter wird die erst 18-jährige Anna Essmann aus Grüppenbühren. Doch auch diese Ehe trennt der Tod sehr rasch. Nun ist es allerdings Johann Hinrich Schweers, der im März 1832 zu Grabe getragen wird, noch vor der Geburt seines dritten Kindes Anna Catharina im Juni desselben Jahres.

Reichlich verworrene Familienverhältnisse also, die Gerhard kurz vor seinem dritten Geburtstag als Vollwaisen zurücklassen. Klar ist jedoch, dass er als einziger männlicher Nachkomme seines Vaters eines Tages den bereits 1501 von Dyrk van Hurle begründeten Schweers-Hof erben wird. Daran ändert auch nichts, dass seine junge Stiefmutter im März 1833 Hermann Meyer aus Vielstedt heiratet und von da an mit ihrem zweiten Ehemann auf dem Hof die Geschäfte führt. Die Ehe der Stiefeltern bleibt kinderlos, so dass Gerhard in den folgenden Jahren allein mit seiner jüngeren Halbschwester aufwächst.

Wann genau Gerhard nach dem Abschluss der Volksschule in Lintel sein Erbe antritt und den Betrieb übernimmt, ist nicht überliefert. Dies könnte jedoch schon 1848 der Fall sein, denn in diesem Jahr kauft Stiefvater Hermann Meyer eine Brinksitzerei an der Pirschstraße (heute: Jörg und Monika Wittkopf) und siedelt sehr wahrscheinlich mit Ehefrau Anna dorthin über. Gerhard wiederum heiratet am 11. November 1856 Anna Harfst aus Maibusch. Vermutlich sehr zum Bedauern beider Partner gehen aber auch aus Gerhards und Annas Ehe keine Kinder hervor. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Fakt ist, dass die beiden ihr Schicksal mit Millionen Zeitgenossen teilen: Im Deutschland des 19. Jahrhunderts bleibt jedes zehnte Ehepaar ohne Nachwuchs. Auf der anderen Seite der Geburten-Skala sind sieben, acht oder mehr Kinder keine Seltenheit – nur eines der vielen gesellschaftlichen Extreme jener Epoche.

Spätestens um das Jahr 1879 herum – Gerhard wird im Geburtsjahr der später berühmten Naturwissenschaftler Albert Einstein und Otto Hahn 50 Jahre alt, Anna ist 45 – werden sich beide mit ihrer Kinderlosigkeit abgefunden haben und darüber nachdenken, wer später einmal an ihrer Stelle den Hof weiterführen kann. Die Wahl fällt auf Annas Neffen Heinrich Sparke, der bald darauf von Maibusch nach Hurrel übersiedelt. Das genaue Datum von Heinrichs Ankunft ist unbekannt. Geht er jedoch direkt nach Abschluss der achtjährigen Volksschule bei seinem Onkel in die Lehre, müsste es das Jahr 1881 oder 1882 sein.

Nur etwas mehr als zehn Jahre später ist auf dem Schweers-Hof bereits die nächste Generation auf dem Weg, in Gestalt von Heinrichs 1894 geborenem Sohn Georg aus der Ehe mit Magdalene Heinemann. Als Annas und Gerhards Nichte Mathilde Wefer – Heinrichs Schwester – im Juni 1901 an einer Gehirnhautentzündung stirbt, nimmt Heinrich deren verwaisten, gerade zwei Jahre alt gewordenen Sohn Heinrich Wefer in die Familie auf. Weitere, direkte Geschwisterkinder für den eigenen Sohn Georg gibt es dagegen nicht: Im April 1910 stirbt Magdalene Sparke an Tuberkulose.

Gerhards letzte Lebensjahre fallen in eine bewegte Zeit – familiär wie politisch. Am 16. Oktober 1913 heiratet Heinrich Sparke ein zweites Mal, vier Tage später bringt seine aus Sandersfeld stammende Ehefrau Mathilde Albers den späteren Hoferben Adolf zur Welt. Im August 1914 beginnt der Erste Weltkrieg, woraufhin neben zahlreichen anderen Dorfbewohnern auch Georg Sparke an die Front abrückt. Das Ende des Krieges, dem im November 1918 unmittelbar nach Friedensschluss noch Großneffe Heinrich Wefer zum Opfer fallen wird, erlebt Gerhard nicht mehr: Er stirbt am 15. April 1916 an Altersschwäche. Beerdigt ist er vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.