Gerd Wachtendorf – Biographie

Gerd Bernfried Wachtendorf wird am 21. September 1961 als erstes Kind von Gerold Wachtendorf und Irmgard Wachtendorf in Oldenburg geboren. Er ist der ältere Bruder von Egon Wachtendorf und Jürgen Wachtendorf.

Ebenfalls am 21. September 1961 wird Christoph Specht geboren, einer der bekanntesten Medizin-Journalisten Deutschlands. Wie hätte wohl der fachkundige Kommentar des studierten Humanmediziners und bei vielen Medien gefragten Interviewpartners gelautet, wäre er 50 Jahre älter und damals bei der Geburt seines astrologischen Zwillings vor Ort dabei gewesen? Denn der Augenblick, in dem Gerd zur Welt kommt, ist keine Sternstunde der Geburtshilfe. Nach einer weitgehend unkomplizierten Schwangerschaft begibt sich seine Mutter Irmgard am Morgen des 21. September ins Klinikum Oldenburg zur Entbindung. Zunächst erlebt sie die Geburt bei vollem Bewusstsein, alles scheint nach Plan zu verlaufen. Dann jedoch wird es um sie herum plötzlich hektisch, jemand setzt ihr eine Betäubungsspritze. Als Irmgard wieder aufwacht, sieht sie, dass ihr von einer Krankenschwester gehaltenes Kind am ganzen Körper dunkelblau angelaufen ist.

Ohne weitere Erklärungen bringt die Schwester Gerd aus dem Zimmer, Irmgard sieht ihn erst zwei Tage später wieder. Zu diesem Zeitpunkt hat sich seine Hautfarbe normalisiert, lediglich die Augen sind geschlossen. Das sei jedoch nichts Außergewöhnliches, versichert man ihr. Einige Tage darauf wird Irmgard „mit gesundem Kind“ entlassen.

Zurück auf dem familieneigenen Hof in Hurrel stellt sich schnell heraus, dass von „gesund“ keine Rede sein kann. Gerds Augen bleiben noch drei Monate geschlossen, was der Hausarzt mit „Druckstellen von der Geburt“ zu erklären versucht. Das Füttern funktioniert leidlich, motorisch gibt es jedoch nicht die geringste Entwicklung. Im November 1962 schließlich verweigert Gerd jegliche Nahrungsaufnahme. Seine Eltern bringen ihn in die Kinderklinik Kreyenbrück, wo er fast vier Monate lang stationär versorgt und dabei künstlich ernährt wird. Eine exakte Diagnose gibt es jedoch zunächst auch dort nicht, und der einzig sichtbare Effekt der in Teilen privat finanzierten Behandlung besteht darin, dass Gerd nach seiner Entlassung verlernt hat, aus der Flasche zu trinken.

Der von seinen Eltern gehegte Verdacht, Gerds Probleme könnten von einem Sauerstoffmangel bei der Geburt herrühren, wird von keinem der behandelnden Ärzte aufgegriffen – Irmgard wird lediglich versichert, dass es sich um keine Erbkrankheit handele und weiteren Kindern somit aus medizinischer Sicht nichts im Wege stünde. Nicht zum Krankenhauspersonal gehörende Zeugen für etwaige Fehler der Entbindungshelfer gibt es nicht, so dass Gerold und Irmgard eine Klage aussichtslos erscheint. Die dann doch irgendwann eintreffende Diagnose aus dem Kinderkrankenhaus lautet auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse, gegen die als einziges therapeutisches Mittel Cortison-Tabletten helfen sollen.

Die folgenden Jahre sind für die Familie eine schwierige Zeit. Gerd wächst kaum, lernt weder laufen noch sitzen oder sprechen und liegt meist apathisch in seinem Bett. In wiederkehrenden Schüben plagen ihn Krämpfe, auf die er jeweils durch lautes Schreien aufmerksam macht. Zu einer wichtigen Bezugsperson wird seine Urgroßmutter Frieda Barkemeyer, die Gerd zu den Zeiten, in denen sich seine auf dem Hof arbeitenden Eltern nicht selbst um ihn kümmern können, zu beruhigen versucht und ihn auch regelmäßig füttert. Mindestens einmal pro Woche sieht zudem Friedas Hausarzt nach ihm. So auch am Nachmittag des 14. Januar 1971, als die Krämpfe wieder einmal besonders heftig ausfallen. Es sollen die letzten sein: Am Morgen des 15. Januar liegt Gerd tot in seinem Bett. Vier Tage später wird er auf dem Friedhof der Sankt-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.