Diedrich Georg Hartmann – Rufname Georg – wird am 1. April 1860 als drittes Kind von Hinrich Hartmann und Anna Catharine Hartmann auf dem elterlichen Hof in Hurrel (Eigentümer des seit 1913 an der heutigen Stelle stehenden Neubaus: Michael und Sara Westphal) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Gesine Catharine Hartmann und Johann Heinrich Hartmann und der ältere Bruder von Annchen Catharine Hartmann, Catharine Sophia Aline Hartmann und Georg Hinrich Hartmann.
Traten am Tag von Georgs Geburt mit Otto von Bismarck und Ferdinand Lassalle zwei der prominentesten deutschen Politiker des 19. Jahrhunderts zum Pistolen-Duell gegeneinander an? Diesen Eindruck erweckt auf den Tag genau 155 Jahre später ein Radio-Feature des WDR, dessen Autor lange unter Verschluss gehaltene Akten des Preußischen Staatsarchivs als Quelle nennt. Demzufolge habe Bismarck den Arbeiterführer am Morgen seines 45. Geburtstags in der Berliner Hasenheide zum Wettkampf auf Leben und Tod gefordert und sich, nachdem er den Gegner verfehlt hatte, vor dessen erstem Schuss feige in die Büsche geschlagen. Woraufhin Lassalle dem späteren Reichskanzler als Erinnerung an dieses für ihn wenig ruhmreiche Ereignis fortan jedes Jahr zum Geburtstag einen gehäkelten Waschlappen geschickt haben soll.
Eine schöne Geschichte – die sich allerdings bei näherem Hinsehen schnell als Aprilscherz entpuppt. Wahr an ihr ist nur, dass Bismarck tatsächlich am 1. April 1860 seinen 45. Geburtstag feiert. Allerdings nicht in Berlin, sondern in Sankt Petersburg, wo er seit Januar 1859 als preußischer Gesandter am russischen Zarenhof dient. Ferdinand Lassalle wiederum muss sich im Frühjahr 1860 vor allem mit internationalistisch gesinnten Gegnern aus dem eigenen Lager herumschlagen, die ihm wie Karl Marx und Friedrich Engels das Festhalten am Nationalstaats-Gedanken zum Vorwurf machen.
Lassalle? Bismarck? Nie gehört, dürfte es um 1860 noch in Georgs von Berlin und Sankt Petersburg weit entferntem Heimatdorf heißen. Zumindest der letztgenannte Name brennt sich jedoch schon bald auch jenen Hurrelern ins Gedächtnis, die mit Politik rein gar nichts anzufangen wissen – trägt Bismarck doch durch seine Rolle in den Einigungskriegen entscheidend dazu bei, dass Deutschlands im Spiegelsaal von Versailles versammelte Fürsten Anfang 1871 Preußens König Wilhelm I. zum Kaiser des Deutschen Reiches ausrufen. Ein Ereignis, das mit Sicherheit auch in Hurrel gebührend gefeiert wird.
Zu diesem Zeitpunkt besucht Georg bereits seit fünf Jahren die Volksschule im benachbarten Lintel. Dort gehören neben dem nur zwei Jahre früher geborenen Bruder Johann Heinrich unter anderem Bernhard Brockshus, Carl Busch, Catharine Harfst, Mathilde Haverkamp, Johann Heinemann, Johann Schwarting, Heinrich Bernhard Tönjes, Sophie Tönjes, Anna Adeline Wiedau und Heinrich Wilkens zu seinen in etwa gleichaltrigen Mitschülern, mit denen er in den noch verbleibenden Jahren bis zum Abschluss jeweils am 2. September – dem Sedantag – im Unterricht des Sieges über Frankreich gedenkt.
Wann sich entscheidet, dass Georg eines Tages den rund 15 Hektar großen Hartmann-Hof übernehmen soll, ist im Dorf nicht mehr bekannt. Laut Jüngstenrecht stünde dies seinem 1866 geborenen Bruder Georg Hinrich zu. Dessen Verbleib lässt sich aus dem Huder Kirchenbuch-Archiv nicht ohne weiteres nachvollziehen – er muss in späteren Jahren außerhalb der für Hurrel zuständigen Gemeinde gelebt haben. Auch der Lebensweg der beiden übrigen Geschwister liegt heute im Dunkeln. In Hude dokumentiert ist lediglich, dass Mutter Anna Catharine am 2. April 1893 stirbt, nur einen Tag nach Georgs 33. Geburtstag.
Im April 1894 heiratet Georg Gesine Schweers, eine abgehende Tochter des rund einen Kilometer entfernt an der Pirschstraße gelegenen Hofes von Johann Hinrich Schweers (heute: Ingo und Edo Schweers). Aus der Ehe gehen mit Johann (Juni 1895), Emma (März 1897), Meta (März 1900) und Georg Junior (März 1903) vier Kinder hervor. Nach Emmas Geburt überschreibt Vater Hinrich Georg den Hof, er stirbt im November 1901.
Zum Hartmann-Hof gehörte der Hurrel-Chronik von Walter Janßen-Holldiek zufolge einige Jahrzehnte lang ein auf der gegenüberliegenden Seite des Brinks stehendes Heuerhaus, das 1901 offenbar nicht mehr existiert. Der beschriebene Standort ist jedoch deutlich trockener und somit besser für eine Besiedlung geeignet als der angestammte Platz des um 1678 errichteten Haupthauses. Das macht sich Georg zunutze und errichtet dort einen Neubau, den er mit seiner Familie 1913 bezieht.
Ein Jahr später geschieht, was Otto von Bismarck – im März 1890 vom neuen Kaiser Wilhelm II. aus dem Amt entlassen und 1898 verstorben – durch seine der Reichsgründung folgende Bündnispolitik stets zu verhindern gesucht hatte: Deutschland findet sich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs in einem Zwei-Fronten-Krieg wieder, der spätestens nach dem Eintritt der USA auf Seiten Frankreichs, Russlands und Großbritanniens nicht mehr zu gewinnen ist. Georgs älterer Sohn Johann, der im August 1914 vermutlich gerade seinen Wehrdienst ableistet, nimmt von Beginn an daran teil und wird im Sommer 1917 an der Front schwer verwundet. Anders als sein Onkel Hinrich Schweers oder Georgs direkter Nachbar Gerhard Heinemann kommt er jedoch am Ende mit dem Leben davon.
Versailler Vertrag, bewaffnete Revolte von links und rechts gegen die im November 1918 ausgerufene Republik, Hyperinflation – in den ersten Jahren nach dem verlorenen Weltkrieg kommt es für die Menschen in Deutschland knüppeldick. Für Georg und Gesine steht in dieser schwierigen Phase die Organisation der Hofnachfolge an, die sich anders als 30 Jahre zuvor wieder am in Hude nach wie vor gültigen Jüngstenrecht orientiert. Während der ältere Sohn Johann wie die beiden Töchter den Hof verlässt und nach Kayhausen zieht, richtet sich Georg Junior in der ihm zugedachten Rolle ein und bringt im Mai 1930 Martha Würdemann aus Maibusch als Schwiegertochter ins Haus.
Zwischen der Geburt der Enkelkinder Anita (Mai 1931) und Werner (Juni 1936) ändert sich die politische Landschaft Deutschlands radikal. Die Verwerfungen der Weltwirtschaftskrise führen über den Umweg der Präsidialkabinette in die Anfang 1933 beginnende NS-Diktatur und schließlich im September 1939 in den Zweiten Weltkrieg. Dieser wiederum mündet abermals in eine katastrophale Niederlage, die Georgs im Januar 1943 um Enkeltochter Linda vergrößerte Familie ab Frühjahr 1945 bitter zu spüren bekommt.
Georg erlebt zwar noch die Einnahme Hurrels durch kanadische Truppen und die Kapitulation der Wehrmacht mit, nicht jedoch das Ende des Hungerwinters 1946/47: Er stirbt am 24. November 1946 im Alter von 86 Jahren und wird drei Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.