Frieda Hohlen – Biographie

Frieda Marga Hohlen wird am 1. Dezember 1919 als erstes Kind von Georg Harms und Anna Harms in Hahn-Lehmden bei Rastede geboren. Sie ist die ältere Schwester von Georg Harms Junior, Gertrud Eilers, Martha Ulrich, Agnes Harms und Helmut Harms.

Vier Tage vor Friedas Geburt unterschreibt Bulgariens Ministerpräsident Aleksandar Stambolijski im Pariser Vorort Neuilly den Vertrag von Neuilly-sur-Seine. Es ist nach dem Vertrag von Versailles (Juni 1919) und dem Vertrag von Saint-Germain (September 1919) der dritte formelle Friedensschluss zwischen den einstigen Gegnern im Ersten Weltkrieg. Wie das Deutsche Reich und Österreich gehört Bulgarien zu den Verlierern des Konflikts und erhält wie die beiden anderen Staaten harte Bedingungen auferlegt. So verliert das Balkanland den Zugang zur Ägäis, weil es große Teile Westthrakiens an Griechenland abtreten muss. Im Westen fallen einige entlang des Flusses Timok liegende Ortschaften an das neugegründete Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, und Rumänien erhält die 1913 von Bulgarien annektierte Süddobrudscha zurück. Ferner muss Bulgarien Reparationen in Höhe von 400 Millionen US-Dollar zahlen und darf künftig maximal 20.000 Soldaten unter Waffen halten.

Kaum ist die bulgarische Delegation aus Neuilly abgereist, wird dort vom 2. Dezember 1919 an mit den Vertretern Ungarns über die Zukunft eines weiteren Kriegsverlierers verhandelt. Dass die später in den Vertrag von Trianon mündenden Vorstellungen der alliierten Sieger Ungarn zwei Drittel seines historischen Territoriums und fast 60 Prozent seiner Bevölkerung kosten würden, zeichnet sich zwar schon im Vorfeld ab, trifft das bis August 1919 noch im Krieg mit Rumänien stehende Land jedoch bis ins Mark. Jahrelange Unruhen sowie zwei erfolglose Umsturzversuche des letzten österreichisch-ungarischen Kaisers Karl I. sind die Folge. Auch in Bulgarien herrschen bald bürgerkriegsähnliche Zustände. Vor allem die Anhänger der radikal-nationalistischen Partei IMRO streben nach einer Revision des Vertrages von Neuilly-sur-Seine und nehmen grausame Rache an dessen Unterzeichner Aleksandar Stambolijski: Im Juni 1923 spüren sie den nach einem Putsch untergetauchten Staatschef auf, foltern und erschießen ihn und schneiden seiner Leiche die Hand ab, mit der er dreieinhalb Jahre zuvor die Gebietsverluste Bulgariens besiegelte.

Ein Schicksal, das in jenen Jahren auch führenden deutschen Politikern droht. Von nationalistischen Gruppen wie der Organisation Consul oder der NSDAP wegen ihrer notgedrungenen Zustimmung zum Versailler Vertrags als „Novemberverbrecher“ geschmäht, verlieren unter anderem der frühere Reichsfinanzminister Matthias Erzberger (August 1921) und der amtierende Außenminister Walther Rathenau (Juni 1922) durch Attentate ihr Leben. Dem im Frühjahr 1920 niedergeschlagenen Kapp-Putsch folgt am 9. November 1923 der ebenfalls abgewehrte Hitler-Ludendorff-Putsch, ehe es der 1918 ausgerufenen Weimarer Republik endlich gelingt, in etwas ruhigeres Fahrwasser zu steuern.

Welche Spuren das politische Chaos und die aus dem Ruder laufende Hyperinflation in Friedas Kindheit hinterlassen, kann man 100 Jahre später nur erahnen. Dass sie es zunächst nicht einfach hat, liegt jedoch angesichts der besonderen Umstände ihrer Geburt auf der Hand: Vater Georg ist im Dezember 1919 gerade einmal 18 Jahre alt, Mutter Anna 20 Jahre. Für die Gründung eines eigenen Hausstands in derart unsicheren Zeiten etwas zu früh, weshalb Frieda zunächst bei den in Südende lebenden Großeltern Johann und Anna Margarethe Langhorst aufwächst. Obwohl Friedas Eltern im Januar 1921 heiraten und bis 1925 drei weitere Kinder bekommen, bleibt Frieda in Südende und wird im Frühjahr 1926 in Leuchtenburg eingeschult. Erst Ende der 1920er Jahre kommt es zur Familienzusammenführung, als Vater Georg in der Lagerstraße in Ofenerdiek ein Haus kauft. Dort findet nun auch Frieda ein Zuhause und besucht fortan die vom neuen Domizil nur 250 Meter entfernt gelegene Volksschule Ofenerdiek.

Ofenerdiek ist in den 1920er Jahren ein Ort des Umbruchs: Wo sich im Ersten Weltkrieg noch die Baracken einer Munitionsfabrik erstreckten, entstehen nach und nach immer mehr Wohnhäuser. Eine Entwicklung, an der Friedas Vater als gelernter Maurer aktiv beteiligt ist. Anfang der 1930er Jahre zählt die gegen Ende des 19. Jahrhunderts nur dünn besiedelte Bauerschaft bereits mehr als 2.000 Einwohner. Im Mai 1933 – vier Monate, nachdem die von Adolf Hitler geführte NSDAP in Berlin die Macht übernimmt – erfolgt die Eingemeindung in die nahegelegene Stadt Oldenburg. Ein knappes Jahr später wird Frieda konfirmiert und beendet die Schule.

Stadt oder Dorf? Haushalt oder Landwirtschaft? Das sind im Prinzip die Möglichkeiten, zwischen denen Frieda auf der Suche nach einer Beschäftigung wählen kann. Was dabei letztlich den Ausschlag gibt und warum sie – statt heimatnah auf einem Hof im Ammerland zu arbeiten – Hurrel den Vorzug gibt, liegt heute im Dunkeln. Ebenso, ob sie zunächst auf dem Hof von Hinrich Janzen angestellt ist oder auf dem Hof von Johann Haverkamp in Sandersfeld. Später wechselt Frieda dann auf den direkt neben der Gaststätte von Reinhard und Adele Asseln im Dorfzentrum gelegenen Hof von Johann Heinemann (heute: Günter und Renate Heinemann).

In Hurrel findet Frieda rasch Anschluss an junge Mädchen ihres Alters wie Sophie Mönnich oder Lily Lange, und mit einiger Sicherheit kommt dabei trotz der mitunter harten körperlichen Arbeit auch das Feiern nicht zu kurz. Gelegenheit dazu bieten neben dem jeweils am letzten Juli-Wochenende in Sichtweite des Heinemann-Hofes stattfindenden Schützenfest Polterabende sowie diverse andere Tanzveranstaltungen. Ähnlich wie 20 Jahre zuvor bei ihrer Mutter bleibt dabei im Frühjahr 1939 eine wahrscheinlich erst kurz zuvor angebahnte Romanze nicht ohne Folgen: Frieda wird schwanger.

Keine leichte Situation, mag der auserwählte Partner – der Hurreler Milch-Fuhrmann Erich Hohlen – auch der richtige sein und wie damals ihr Vater keinen Zweifel daran lassen, zu seiner Verantwortung zu stehen. Wie schwierig die Zeiten werden können, in die ihr Kind hineingeboren wird, dürfte Frieda spätestens Anfang September 1939 realisieren, als mit dem von Hitler und seinen Schergen von langer Hand vorbereiteten Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg beginnt.

Frieda und Erich heiraten am 16. Dezember 1939. Danach zieht Frieda auf den Pachthof ihrer Schwiegereltern Wilhelm und Johanne Hohlen (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann), auf dem außer diesen beiden Erichs Schwester Alma und deren Ehemann Friedrich Heinemann mit ihren Kindern sowie Erichs Neffe Ferdinand wohnen. Erichs jüngerer, bis vor kurzem ebenfalls noch im Haushalt der Eltern lebender Bruder Heino erhält derweil seine Einberufung zur Wehrmacht. Das bewahrt Erich möglicherweise davor, selbst einen Stellungsbefehl zu bekommen, so dass er zunächst bei Frieda und der im Februar 1940 geborenen Tochter Helga bleiben kann und weiter als Milch-Fuhrmann arbeitet.

Als die Wehrmacht im Juni 1941 im Rahmen der „Operation Barbarossa“ den bisherigen Bündnispartner Sowjetunion überfällt und hunderttausende neue Soldaten benötigt, läuft Erichs Schonfrist ab. Zu seiner und Friedas Erleichterung wird er jedoch nicht an die Ostfront abkommandiert, sondern ins besetzte Norwegen. Frieda, die sich ohne Erich auf dem Hohlen-Hof etwas fehl am Platze fühlt, zieht daraufhin mit Helga in eine ganz in der Nähe ihres Elternhauses gelegene Mietwohnung in Ofenerdiek. Dort erlebt sie in den folgenden Jahren, wie der Anfang 1943 von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels ausgerufene „totale Krieg“ im Mai 1945 in die totale Niederlage führt und ganz Nordwestdeutschland mit Ausnahme des US-Brückenkopfes Bremens zur britischen Besatzungszone wird. Erich, der diesen Moment in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Italien erlebt, sieht sie erst nach dessen Entlassung im Frühjahr 1946 wieder.

Während Erich seine Tätigkeit als Milch-Fuhrmann in Hurrel vorübergehend wieder aufnimmt, wird Frieda in Ofenerdiek ein zweites Mal schwanger und bringt im Februar 1947 Sohn Erich Junior zur Welt. Für ihren Ehemann womöglich der letzte Anstoß, sich endgültig für ein Leben in Oldenburg zu entscheiden. Er verlässt Hurrel und nimmt eine Tätigkeit bei einer Hochbau-Firma in Etzhorn an. Kurz darauf bemüht er sich um einen Bauplatz in der im Stadtteil Alexandersfeld auf Initiative des SPD-Ratsherrn Jan Koopmann entstehenden Koopmann-Siedlung. Tatsächlich bekommen Erich und Frieda den Zuschlag für eines der ersten 91 Grundstücke, so dass die zu diesem Zeitpunkt vierköpfige Familie im Dezember 1949 ein – wenn auch mit einer Wohnfläche von gerade einmal 44 Quadratmetern eher winziges – Eigenheim an der Dringenburger Straße beziehen kann.

Mit der aller Enge zum Trotz anfänglich praktizierten Vermietung des Obergeschosses ist es auf einen Schlag vorbei, als Mitte der 1950er Jahre mit Gerold (April 1954) und den Zwillingen Werner und Linda (Oktober 1955) gleich drei weitere Kinder hinzukommen. Während Erich zu dieser Zeit noch einmal den Job wechselt und fortan wie Schwiegervater Georg für den Oldenburger Tiefbau-Spezialisten Heinrich Hecker arbeitet, widmet Frieda sich in den folgenden Jahren vor allem dem Haushalt und den Kindern. Noch vor der Einschulung der Zwillinge setzt Tochter Helga, gerade 21 Jahre alt geworden, die Tradition der frühen Erstgeburten fort und bringt im April 1961 Friedas und Erichs Enkelkind Beate zur Welt.

Nur einen Monat nach der Ankunft von Helgas zweiter Tochter Heidi im Juli 1964 stirbt Ehemann Erich an Lymphdrüsenkrebs. Für Frieda eine traurige Zäsur, die sich auch finanziell bemerkbar macht: Da Erich nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft zunächst weiter in der Landwirtschaft beschäftigt war, werden die Kriegsjahre bei der Berechnung der Witwenrente nicht angerechnet – entsprechend schmal fallen die Zahlungen aus. Frieda nimmt daraufhin eine Arbeit in der nahegelegenen Kantine der 1965 von Oldenburg nach Metjendorf umgezogenen Großhandelsfirma Adolf Meins KG an. Dort bleibt sie bis zur Rente im Dezember 1984 fast zwei Jahrzehnte lang und arbeitet anschließend noch privat im Haushalt ihres ehemaligen Chefs Helmut Gloth weiter.

Mittlerweile hat Friedas Sohn Erich – seit 1967 mit Hella Siefjediers verheiratet – das Haus an der Dringenburger Straße übernommen und einen Anbau errichtet. Mit Erichs 1968 geborener Tochter Katja und Helgas zwei Jahre jüngeren Tochter Birgit sind zwei weitere Enkelkinder hinzugekommen, zu denen sich 1985 noch Werners Tochter Marieke und 1991 Lindas Sohn Daniel gesellen. Mit ihren Enkeln verbringt Frieda im Ruhestand viel Zeit, aber sie findet auch zunehmend Gefallen am Reisen: Sie nutzt das Angebot von Helmuth Gloth, dessen Ferienimmobilien in Spanien und auf Gran Canaria zu nutzen, ist oft mit dem Reichsbund unterwegs und besucht mit Norwegen auch jenes Land, das sie bis dato nur aus den Erzählungen ihres verstorbenen Ehemannes kannte. Durch die Nachbarn in Alexandersfeld und die ehemaligen Arbeitskolleginnen verfügt sie zudem über einen großen Bekanntenkreis, der bei ihr bis ins hohe Alter keinerlei Langeweile aufkommen lässt.

Frieda stirbt am 9. Mai 2006, fünf Monate nach ihrem 86. Geburtstag. Beerdigt ist sie neun Tage später auf dem Waldfriedhof in Ofenerdiek.