Erwin Reinhard Emil Wiemer wird am 11. Juli 1925 als elftes Kind von Heinrich und Johanne Wiemer in Astrup geboren. Er ist der jüngere Bruder von Georg Wiemer, Marie Nauen, Käthe Wiemer, Theo Wiemer, Heinrich Wiemer, Adele Othold, Else Diers, Karla Höbbel, Elfriede Brandes und August Wiemer.
Einen Tag vor Erwins Geburtstag beginnt in der US-Kleinstadt Dayton ein Gerichtsverfahren, das als „Affenprozess von Tennessee“ in die Geschichte eingeht. Angeklagt ist der Aushilfslehrer John Thomas Scopes, weil er gegen den erst wenige Monate zuvor erlassenen Butler Act verstoßen und im Biologie-Unterricht die Evolutionstheorie von Charles Darwin erklärt hat – das Gesetz verbietet an staatlich finanzierten Schulen Tennessees Lehren, denen zufolge der Mensch nicht von Gott erschaffen worden ist.
Mit dem Prozess erreicht der in den USA seit Jahren tobende Kulturkampf zwischen Anhängern der Schöpfungsgeschichte und den Verfechtern einer aufklärerischen Weltsicht einen vorläufigen Höhepunkt. Dabei spielt der Angeklagte Scopes nur eine winzige Nebenrolle. Denn ins Rollen gebracht haben das Verfahren nicht etwa evangelikale Fundamentalisten, sondern Aktivisten der Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union: Sie wollen den Butler Act vor einem übergeordneten Gericht juristisch zu Fall bringen. Zu diesem Zweck suchen sie im Vorfeld per Zeitungsannonce nach einem Lehrer, der bei Zusicherung, sämtliche Kosten zu übernehmen, bewusst gegen das neue Gesetz verstößt. Daraufhin gewinnen einige in Dayton ansässige Geschäftsleute Scopes als Lockvogel. Angesichts des zu erwartenden Publikumsandrangs hoffen sie auf Reklame für ihren Ort und auf volle Kassen an den Verhandlungstagen.
Das Kalkül geht auf. Die weniger als 2.000 Einwohner zählende Stadt wird von Prozesstouristen und Reportern aus aller Welt förmlich überrannt. Millionen Amerikaner verfolgen den Prozess darüber hinaus im Radio. Für gespannte Erwartung sorgt insbesondere das Aufeinandertreffen zweier Männer: William Jennings Bryan, bibeltreuer Ex-US-Außenminister und dreimaliger Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei, gehört zum Team des die Anklage vertretenden Generalstaatsanwalts von Tennessee. Clarence Darrow aus Chicago wiederum, einer der berühmtesten Strafverteidiger des Landes und Agnostiker, steht Scopes zur Seite.
Nachdem der Prozess in den ersten Tagen eher müde dahinplätschert, nimmt er am siebten Tag urplötzlich Fahrt auf. Darrow ruft Bryan als Experten für die wörtliche Auslegung der Bibel in den Zeugenstand und verwickelt ihn derart in Widersprüche, dass Richter John Raulston das Kreuzverhör abbricht. Damit hat Darrow sein Ziel erreicht, die Thesen der Darwin-Kritiker vor einem Millionenpublikum ins Lächerliche zu ziehen.
Indem er auf ein Plädoyer verzichtet und um die Verurteilung seines Mandanten bittet, nimmt Darrow Bryan auch die Möglichkeit, den verheerenden Eindruck im eigenen Schlussplädoyer noch einmal geradezurücken. Am 21. Juli 1925 benötigen die Geschworenen nur neun Minuten, um ihr auf „Schuldig“ lautendes Urteil zu fällen. Richter Raulston verurteilt Scopes daraufhin zur Mindeststrafe von 100 Dollar. Anderthalb Jahre später wird das Urteil zwar wegen eines Formfehlers aufgehoben. Nichtsdestotrotz bleibt der Butler Act in Tennessee noch bis 1967 in Kraft.
Die Ereignisse im Süden der USA sorgen auch im Deutschen Reich für Gesprächsstoff. „Wir in Europa fassen es nicht, dass ein Prozess wie der in Dayton überhaupt möglich ist“, kommentiert beispielsweise das eher für die Argumente der Verteidigung empfängliche „Berliner Tageblatt“. Doch es gibt mit Sicherheit anderslautende Stimmen und Meinungen, etwa im stark katholisch geprägten Südoldenburg. Inwieweit diese Erwins nur 15 Kilometer weiter nördlich gelegenes Heimatdorf erreichen und dort beachtet werden, darüber lässt sich heute nur spekulieren.
Schon bald bestimmen jedoch ganz andere Themen die öffentliche Diskussion – angefangen von der aus den USA nach Deutschland herüberschwappenden Weltwirtschaftskrise bis hin zum dadurch begünstigten Aufstieg der Nationalsozialisten. Als diese Anfang 1933 die Macht übernehmen, besucht Erwin bereits die Volksschule. Da in der Gemeinde Wardenburg das Ältestenrecht gilt, ist von Beginn an klar, dass einer seiner älteren Brüder eines Tages den Hof übernehmen wird. Deshalb plant Erwin nach dem Schulabschluss eine Ausbildung bei der Post. Der Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 bringt diese Pläne jedoch gehörig durcheinander. Nacheinander werden alle Brüder zur Wehrmacht eingezogen, so dass Erwin zunächst auf dem Hof bleibt und dort mit seinem Vater – Mutter Johanne ist 1938 an Krebs verstorben – den Betrieb aufrechterhält.
Auch Erwins Vater stirbt 1942 an Krebs, zudem fallen dem zunehmend verlustreicher werdenden Krieg drei seiner vier Brüder zum Opfer. Lediglich Heinrich und Erwin selbst, der Anfang 1945 als Mitglied des Aufgebots III noch eine Einberufung zum Volkssturm erhält, kehren unversehrt zurück. Da Heinrich als älterer der beiden den Hof für sich beansprucht, arbeitet Erwin fortan als Knecht auf mehreren Höfen in der näheren Umgebung, unter anderem in Mosleshöhe bei Edewecht und in Bümmerstede.
Anfang 1954 wechselt Erwin schließlich auf den Möhlenbrock-Hof in Dwoberg (Gemeinde Ganderkesee). Dort freundet er sich mit Hugo Timmermann an, der als Knecht auf dem ganz in der Nähe liegenden Hof von Bernhard Ahlers arbeitet. Bei dieser Gelegenheit lernt er auch Bernhards Tochter Wilma kennen, die mit ihrem zweijährigen Sohn Heinz noch bei den Eltern wohnt. Erwin und Wilma werden ein Paar und heiraten am 18. Januar 1956. Im Mai desselben Jahres kommt Tochter Rita zur Welt. Ein freudiges Ereignis, dem jedoch schon bald aus heiterem Himmel ein trauriges folgt: Am 8. November 1956 stirbt Wilmas Mutter Gesine im Alter von nur 69 Jahren.
In den folgenden Jahren bewirtschaften Erwin und Wilma den Ahlers-Hof als Pächter. Auch in dieser Zeit wechseln sich Freud und Leid ab: Der am 22. Mai 1960 geborene Sohn Rainer lebt nur für einen Tag, am 25. Mai 1962 wird die zweite Tochter Vera geboren und am 17. Juli 1962 stirbt – mit 66 Jahren – ebenfalls völlig unerwartet Wilmas Vater an den Folgen einer Bauchfellentzündung. Ein Tod mit weitreichenden Folgen für Erwin und Wilma: Zwar hatte Bernhard Ahlers seiner Tochter mündlich zugesichert, ihr den Hof zu vermachen. Er war aber nicht mehr dazu gekommen, ein entsprechendes Testament aufzusetzen. Folglich wird Bernhards Sohn Adolf, der bereits einen Hof in Bergedorf bewirtschaftet, als Erbe eingesetzt. Für Erwin und Wilma bleibt es beim undankbaren Pächter-Status.
Weil das Verhältnis zu Wilmas Geschwistern unter dieser Erbstreitigkeit leidet, sehen sich Erwin und Wilma in den folgenden Jahren nach einer Alternative um. Fündig werden sie schließlich in Hurrel, wo sie Ende 1969 den Hof von Hartmut Franz am Oldenburger Weg kaufen. Da dieser mit knapp 14 Hektar für einen Vollerwerbsbetrieb zu klein ist, tritt Erwin einige Monate vor dem Umzug am 20. Mai 1970 eine Stelle als Kraftfahrer bei der Baugesellschaft Ganderkesee an.
Die Arbeit als LKW-Fahrer und Nebenerwerbs-Landwirt nimmt Erwin in den folgenden 15 Jahren voll in Anspruch. Die freie Zeit, die ihm bleibt, widmet er wie schon in Ganderkesee seiner großen Passion, der Pferdezucht. Daneben ist er Mitglied im Reiterverein Ganderkesee und begleitet seinen ähnlich reitsportbegeisterten Stiefsohn Heinz regelmäßig auf Turniere. Diesem Hobby bleibt Erwin auch treu, als er 1985 bei der Baugesellschaft Ganderkesee in den Vorruhestand geht und fünf Jahre später die Landwirtschaft aufgibt. Selbst als es ihm in Folge einer Anfang der 90er Jahre erlittenen Borreliose gesundheitlich zunehmend schlechter geht, umsorgt er in seinem Stall bis zu zehn Pferde.
Kurz vor seinem 79. Geburtstag erliegt Erwin am 23. Juni 2004 den Folgen der Borreliose, die nach und nach alle lebenswichtigen Organe befallen hat. Beerdigt ist er fünf Tage später auf dem Friedhof der St. Cyprian- und Cornelius-Kirche in Ganderkesee.