Elli Aschenbeck – Biographie

Elli Gerhardine Aschenbeck wird am 4. April 1910 als erstes Kind von Heinrich Rüdebusch und Anna Catharine Rüdebusch auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Birgit Ganteföhr) geboren. Sie ist die ältere Schwester von Georg Rüdebusch, Gustav Rüdebusch und Heino Rüdebusch.

Hätten sich die düsteren Prophezeiungen erfüllt, die bei ihrer Geburt die Runde machen – Elli wäre nur wenige Wochen alt geworden. Schon seit Anfang des Jahres 1910 warnen rund um den Globus Zeitungen vor der für Mitte Mai vorhergesagten Wiederkehr des Halleyschen Kometen. Denn der britische Astronom William Huggins hatte Ende des 19. Jahrhunderts nachgewiesen, dass sich im Lichtschweif des alle 76 Jahre der Erde begegnenden Kometen außer Kalium auch Spuren von Dicyan finden lassen – beides zusammen verbindet sich zum tödlichen Gas Zyankali. Was liegt also näher als die Befürchtung, die ganze Menschheit könne beim Durchqueren des Schweifes vergast werden?

Stellenweise bricht Panik aus: In Russland legen Bauern die Arbeit nieder und erwarten in Leichenhemden den Weltuntergang. In New York springen die Passagiere eines Schiffes aus Angst vor dem Kometen über Bord und ertrinken. In Chicago verstopfen die Hausbewohner alle Tür- und Fensterfugen mit Lappen. In Paris sind Anfang Mai sämtliche Sauerstoffflaschen vergriffen. Scharlatane verkaufen massenhaft Kometen-Pillen, die gegen die außerirdischen Gase schützen sollen, Inhalatoren mit Gegengift und Gasmasken finden reißenden Absatz.

Ob die Halley-Manie auch in Hurrel grassiert, ist nicht überliefert. Falls ja, so endet der Spuk wie andernorts spätestens am 19. Mai 1910, als der Komet der Erde am nächsten kommt. Anders als angekündigt ist er weder mit bloßem Auge noch mit Fernrohren oder anderen Präzisionsinstrumenten zu erkennen. Es gibt keine Sternschnuppen, kein auffallende Dämmerung und erst recht keine Zyankali-Wolken – die Panik löst sich in Wohlgefallen auf. Letztlich behält Friedrich Archenhold, der damalige Leiter der Berliner Sternwarte, mit seiner eher nüchternen Vorhersage Recht: „Es ist sicher, dass ein Spinnenfaden einem Elefanten im rasenden Laufe gefährlicher werden kann als die Schweifteilchen eines Kometen der sie durcheilenden Erde schaden können.“

Den Menschen bleibt nach diesem Ereignis nur etwas mehr als vier Jahre Zeit zum Durchatmen. Im August 1914 nimmt eine Katastrophe ihren Lauf, vor der kritische Stimmen ebenfalls lange gewarnt haben – ohne ernst genommen zu werden: Der Erste Weltkrieg beginnt. Auch in Hurrel eilen Dutzende Männer zu den Waffen, darunter Ellis Vater. Wo er im Einzelnen eingesetzt wird und ob er vielleicht sogar an der Westfront mit ebenso tödlich wie Zyankali wirkenden chemischen Kampfstoffen wie Chlorgas oder Phosgen in Berührung kommt, darüber gibt es in der Familie keine Informationen mehr. Immerhin kehrt Heinrich Rüdebusch nach Kriegsende äußerlich unversehrt nach Hurrel zurück.

Elli besucht derweil die Volksschule in Hurrel, wo unter anderem Anna Osterloh, Marie Janzen, Anni Diers, Erna Lange und Ellis Kusine Erna Barkemeyer zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören. Nach der Schulentlassung geht Elli auf dem von ihrem Namensvetter Emil Rüdebusch geführten Gut Huntlosen in der Gemeinde Großenkneten in Stellung, zeitweise arbeitet sie aber auch in Hude auf dem Gut von Ernst von Witzleben.

Das Jahr 1933 markiert mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler nicht nur für Deutschland eine tiefgreifende Zäsur, es hält auch für Elli zwei einschneidende Erlebnisse bereit. Zum einen lernt sie im März auf einem Abschlussball der Landwirtschaftsschule in Delmenhorst ihren künftigen Mann Fritz Aschenbeck kennen. Eine andere Feier wenige Monate später, auf die Elli sich vermutlich Wochen im Voraus gefreut hat, steht für sie dagegen unter einem weniger günstigen Stern. Am 31. August 1933 heiratet Kusine Erna Barkemeyer in Hude Adolf Heyne – ohne Ellis Vater Heinrich, der in den frühen Morgenstunden desselben Tages einer Lungenentzündung erlegen ist.

Elli und Fritz feiern im Juli 1935 Verlobung und am 17. Juli 1936 Hochzeit. Anschließend zieht Elli auf den bislang von Fritz zusammen mit seiner Mutter Elise und einem Verwalter bewirtschafteten Aschenbeck-Hof in Barel. Anfang November 1936 kommt Tochter Edith zur Welt, Ende März 1938 Sohn Enno. Nur wenige Wochen vor Ennos Geburt feiert Hitler mit dem Anschluss Österreichs seinen bis dato größten außenpolitischen Erfolg, dem sechs Monate später das Münchner Abkommen und die Abtretung des zuvor zur Tschechoslowakei gehörenden Sudetenlandes an Deutschland folgen.

Spätestens mit der Zerschlagung der Rest-Tschechei im März 1939 und den daraufhin einsetzenden Provokationen gegen Polen zeigt sich jedoch, auf welch wackeligen Füßen der Frieden in Europa steht. Von Kriegsbegeisterung kann zwar bei den meisten Deutschen anders als im Sommer 1914 nicht die Rede sein, von nennenswertem Widerstand gegen die auf einen neuen bewaffneten Konflikt hinauslaufende Politik der Nationalsozialisten und die von Jahr zu Jahr zunehmende Verfolgung von Juden, Behinderten und anderen Minderheiten aber auch nicht. So kommt es, wie es unter diesen Umständen wohl kommen muss: Am 1. September 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg.

Nachdem Fritz kurz darauf zur Wehrmacht einberufen wird, entwickeln sich die folgenden Jahre für Elli wie für Millionen andere Angehörige ihrer Generation rasch zu einem Alptraum. Zwar haben sie und Schwiegermutter Elise angesichts der vom Regime zur Verfügung gestellten Zwangsarbeiter ausreichend Hilfe bei der Bewirtschaftung des damals rund 20 Hektar umfassenden Hofes. Die Sorge um die Familienmitglieder an der Front ist jedoch stets präsent, und von dort häufen sich die schlechten Nachrichten: Bruder Gustav fällt im Juli 1943, Bruder Georg im August 1944 und Bruder Heino – gerade einmal 20 Jahre alt – im Februar 1945. Das Kriegsende erleben Elli, Edith, Enno und Elise in einem Hühnerstall in Bergedorf, wohin sie sich vor der Eroberung Barels durch englische Truppen geflüchtet haben.

Als Fritz im Sommer 1946 aus amerikanischer Gefangenschaft zurückkehrt, normalisiert sich das Leben auf dem Aschenbeck-Hof ganz allmählich wieder. Es folgen die Währungsreform vom Juni 1948, der parallel zur Gründung der Bundesrepublik im Mai 1949 betriebene Bau eines neuen Wohnhauses und schließlich im Dezember 1950 die Geburt des jüngsten Sohnes Heiko. In den 50er Jahren kaufen Fritz und Elli einige Hektar Land hinzu und spezialisieren sich auf die Rinderzucht. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Im Mai 1966 erhält Fritz in Frankfurt aus den Händen des DLG-Beauftragten Karl Schimmelpfennig einen Ehrenpreis für „beispielhafte Leistungen in der Landwirtschaft“.

Während sich Fritz und Sohn Enno dem weiteren Ausbau des seit dieser Auszeichnung häufig von Fach-Delegationen aus dem In- und Ausland besuchten Hofes widmen, betreut Elli unter anderem die Jahr für Jahr neu ausgebildeten Lehrlinge. Bis zur kurz nach der erneuten Wiederkehr des Halleyschen Kometen groß gefeierten Goldenen Hochzeit im Juli 1986 absolvieren mehr als 70 angehende Landwirte ihre Ausbildung in Barel – darunter mit Günter Helmers, Ingo Schweers und Heinz Pflug auch einige Hurreler. Ebenfalls dabei: Dirk Wieting, heute Leiter des Niederdeutschen Theaters in Delmenhorst und regelmäßiger Kolumnist der Nordwest-Zeitung.

Nach der offiziellen Übergabe des Hofes an Sohn Enno und Schwiegertochter Ursula lässt es Elli ab 1978 etwas ruhiger angehen – was angesichts ihrer unter anderem durch eine Unterfunktion der Schilddrüse seit längerem angeschlagenen Gesundheit auch nötig erscheint. Regelmäßige Kuraufenthalte in Braunlage und Bad Salzuflen sorgen nur geringfügig für Besserung. Im August 1995 erleidet Elli dann einen Schlaganfall, dessen Folgen sie vier Wochen später erliegt. Beerdigt ist sie am 20. September 1995 auf dem Evangelischen Friedhof in Dötlingen.