Bodo Mehrings wird am 6. August 1939 als zweites Kind von Otto Mehrings und Karla Mehrings geboren. Er ist der jüngere Bruder von Lore Sanders.
Am Tag von Bodos Geburt richtet US-Präsident Franklin Delano Roosevelt einen eindringlichen Appell an den sowjetischen Machthaber Josef Stalin, keine weitere Annäherung an Hitler-Deutschland zu suchen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Tschechien im März 1939 sind sowohl Adolf Hitler als auch die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich bemüht, die Sowjetunion als Bündnispartner zu gewinnen. Ersterer, um freie Bahn für sein nächstes Angriffsziel Polen zu haben – letztere, um genau dies zu verhindern und einen von vielen Beobachtern bereits als unvermeidlich angesehenen Krieg in Europa doch noch abzuwenden.
Durch den Kontakt zu Hans-Heinrich Herwarth von Bittenfeld, einem Hitler-Gegner in der deutschen Botschaft in Moskau, sind die Amerikaner über die deutsch-sowjetischem Verhandlungen recht genau im Bilde und entsprechend besorgt. Beim Adressaten, der parallel dazu mit britischen Diplomaten Gespräche über eine engere Zusammenarbeit führt, hinterlässt der Appell freilich wenig Eindruck: Stalin ist in erster Linie an der Stärkung des eigenen Machtbereichs interessiert und empfindet vor diesem Hintergrund die Möglichkeit, dass Großbritannien und Frankreich sehenden Auges in einen Krieg mit Deutschland taumeln könnten, als durchaus charmant.
Derweil üben sich die von zwei Seiten bedrohten Polen in Kriegsrhetorik. Ebenfalls am 6. August 1939 feiert die Staatsführung den 25. Jahrestag der Gründung der Polnischen Legion, deren Soldaten im Ersten Weltkrieg gegen die russische Armee kämpften. In Krakau hält Marschall Edward Rydz-Smigly vor tausenden Zuhörern eine Ansprache, in der er auch auf das angespannte Verhältnis zu Deutschland eingeht. Mit scharfen Worten warnt er die Regierung in Berlin davor, im Konflikt um den Danziger Korridor die Rechte und Interessen Polens anzutasten. Dabei vertraut Rydz-Smigly auf eine im März 1939 für sein Land abgegebene britisch-französische Garantieerklärung – von der Hitler freilich glaubt, dass sie niemals greifen wird. Deshalb treibt er die Vorbereitungen für den intern längst beschlossenen Überfall auf Polen unbeirrt voran und schafft mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 die letzte Voraussetzung dafür.
Als Hitler am Morgen des 1. September 1939 nach dem von der Wehrmacht vorgetäuschten Überfall auf den Sender Gleiwitz im Reichstag die berühmt gewordenen Worte „Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen“ ins Mikrofon bellt, weilt Bodos Vater bereits nicht mehr in Hurrel bei seiner Familie. Schon zehn Tage zuvor hat er einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht erhalten und daraufhin seine Bäckerkluft gegen eine Uniform getauscht. Die wichtigsten männlichen Bezugspersonen in Bodos ersten Lebensjahren sind deshalb Großvater Heinrich Meyer im nahegelegenen Kirchhatten sowie Reinhard Asseln, der Eigentümer der 1938 von Otto Mehrings gepachteten Bäckerei, zu der auch eine Gaststätte und ein Ladenbetrieb gehören (heute: Hajo und Dagmar Mehrings). Beide Männer helfen Mutter Karla nach Kräften, den zuvor von Reinhard und Ehefrau Adele Asseln selbst bewirtschafteten Betrieb so gut es eben geht durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs zu bringen.
Noch bevor Bodo in die seinem Elternhaus direkt gegenüberliegende Volksschule Hurrel eingeschult wird, ist absehbar, dass der von Hitler 1939 begonnene Krieg für Deutschland ein katastrophales Ende nimmt. Im Frühjahr 1945 überschlagen sich dann auch in Hurrel die Ereignisse: Kanadische Truppen besetzen das Dorf und beziehen auf dem Gelände der Gaststätte Quartier. Bodo erlebt die folgenden Tage mit Mutter Karla und Schwester Lore auf dem Bauernhof der Großeltern in Kirchhatten – und wartet dort mit der Familie eines Abends vergebens auf die Rückkehr von Großvater Heinrich, der in Hurrel nach dem Rechten schauen wollte. Er wird am nächsten Morgen in der Nähe von Dingstede erschlagen aufgefunden. Ein Schock, dem wenige Tage später der nächste folgt, als die Familie feststellt, dass ein von den Besatzern in der zum Gasthof gehörenden Scheune entzündetes Feuer außer Kontrolle geraten ist und große Teile des Dachstuhls vernichtet hat. Immerhin, Wohnhaus, Laden und Backstube sind noch intakt.
Wann genau im Sommer 1945 Vater Otto – äußerlich unversehrt, aber gesundheitlich schwer angeschlagen – nach Hause zurückkehrt, liegt heute im Dunkeln. Vermutlich erlebt er aber Bodos Einschulung mit, die angesichts der äußeren Umstände wenig feierlich verläuft. Die kleine, nach wie vor von August Meyer geleitete Dorfschule platzt in den ersten Jahren nach Kriegsende aus allen Nähten. Zu in Hurrel aufgewachsenen Kindern wie Bodo und Lore, Ewald Franz, Elfriede Haverkamp, Walter Janzen, Konrad Logemann, Egon Schmidt, Ingo Schweers oder Hilde Vosteen gesellen sich zahlreiche Kinder aus Flüchtlings- und Ausgebombten-Familien wie Joachim Eschert, Christa Galle, Karl-Heinz Moskwa oder Reinhard Woisch. Ein Nachzügler aus diesem Kreis ist Hans-Peter Meyer, dessen zuvor in Bremen ansässige Eltern Johannes und Margarete Meyer bis 1958 im Gasthof Sandersfeld (heute HS Lifestyle Club) wohnen. Mit ihm freundet Bodo sich rasch an.
Vater Otto hat sich in der Zwischenzeit von den Strapazen des Krieges erholt und in der Backstube wieder die Regie übernommen. Brot gehört in den Hungerjahren bis zur Währungsreform als Grundnahrungsmittel zu den begehrtesten Waren überhaupt, und anders als in Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln mangelt es in Hurrel angesichts der umliegenden Bauern nicht an den Zutaten. Ob das Ansehen, das Bäcker auch in den Anfängen der 1949 neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland noch genießen, Bodo in seiner Berufswahl beeinflusst, lässt sich rückblickend nur schwer beurteilen. Vermutlich kann er sich aber ähnlich wie die meisten jener Klassenkameraden, die zu Hause mit der Landwirtschaft aufwachsen, kaum etwas anderes und vor allem Besseres vorstellen, als später einmal in die Fußstapfen des Vaters zu treten.
Nach Schulabschluss und Konfirmation geht Bodo deshalb als Nachfolger von Ewald Gramberg im familieneigenen Betrieb in die Lehre. Noch bevor er sie abschließt, sichert sich Otto Mehrings mit der ihm für den Bezirk Hurrel übertragenen Poststation eine weitere Einnahmequelle. Eine Entscheidung, die vor allem den weiteren Lebensweg von Schwester Lore beeinflusst: Sie kündigt ihre Stellung in einem Haushalt in Bookholzberg und trägt fortan täglich die Post aus. Unterstützung bekommt sie dabei außer von ihrem Verlobten Artur Sanders auch von Bodo, der nach dem Erwerb seines Führerscheins eine weitere Nebentätigkeit übernimmt und mit dem Bäckerwagen allmorgendlich Ware ausfährt. Dass er ebenfalls nebenbei in der an sieben Tagen in der Woche geöffneten Gaststätte Bier zapft und anstelle von Vater Otto oder Mutter Karla so manches Mal hinter dem letzten zahlenden Gast die Tür zuzieht, versteht sich von selbst.
Die Gaststätte Mehrings ist in den 1950er Jahren nicht nur Backwaren-Produzent, Lebensmittel- und Kramladen, Post- und Telefonstation, Feierabendbier-Anbieter, Neuigkeiten-Basar, Anlaufpunkt für Wochenend-Ausflügler und Ausrichter von Familienfeiern aller Art, sondern auch Heimstätte der örtlichen Vereine. Dazu gehört neben dem Landvolk und dem Radfahrverein „Wanderlust“ vor allem der 1950 zu neuem Leben erweckte Schützenverein Hurrel. Dort ist Bodo von Anfang an aktiv und wird im Juli 1952 anlässlich des jährlichen Schützenfestes zum ersten Hurreler Jugendkönig ausgerufen. Ein Erfolg, den er 1956 noch einmal wiederholt. Auch an Veranstaltungen der 1955 ins Leben gerufenen Landjugend Sandersfeld nimmt Bodo – so es seine Zeit erlaubt – mehr oder weniger regelmäßig teil.
Dem Ruf, die größte Kontaktbörse und Eheanbahnungs-Institution jener Zeit zu sein, wird die Landjugend im Falle von Bodo einmal mehr gerecht. Angetan hat es ihm die erste Vorsitzende Ursel Dählmann aus Lintel, die seine Avancen prompt erwidert. Am 8. April 1961 geben beide ihre Verlobung bekannt. Zu diesem Zeitpunkt steht längst fest, dass Bodo den vier Jahre zuvor von Otto Mehrings gekauften Betrieb einmal übernehmen wird. Vorangegangen ist zudem der Bau eines Altenteiler-Hauses, das die ehemaligen Eigentümer Reinhard und Adele Asseln 1958 bezogen haben. Auch im Haupthaus ist es in der Zwischenzeit mit Hilfe von Bodos künftigem Schwager Artur Sanders zu zahlreichen Umbauten gekommen, die den Betrieb modernisiert und vor allem Platz für Lore, Artur und deren 1957 und 1960 geborenen Kinder Uwe und Meike geschaffen haben.
Indes, für eine zweite Familie mit Kinderwunsch reicht der Platz nicht aus – und so warten Bodo und Ursel mit der Hochzeit, bis das im nächsten Schritt in Angriff genommene Eigenheim von Lore und Artur in Dingstede bezugsfertig ist. Die Trauung findet am 25. Februar 1964 im Gemeindehaus Ladillen in Hude statt, gefeiert wird anschließend mit Freunden, Nachbarn und Verwandten im eigenen Festsaal. Knapp zwei Jahre später, im Dezember 1965, kommt Tochter Hille zur Welt. Sohn Hajo folgt im Mai 1968.
Kurz vor Hilles Geburt besteht Bodo seine Prüfung als Bäckermeister mit der Gesamtnote „Gut“. Vater Otto, der im Juni 1965 seinen 60. Geburtstag gefeiert hat und nach wie vor mit gesundheitlichen Problemen kämpft, kann somit allmählich an den Ruhestand denken. Nach der Betriebsübernahme 1970 gibt Bodo die Poststelle ab. Um sich künftig voll aufs Backen und den florierenden Saalbetrieb konzentrieren zu können, stellt er mit Alfred Wübbeler einen festen Verkaufsfahrer ein. Lehrlinge bildet Bodo trotz Meisterbrief nicht mehr aus – in der Backstube sind Ehefrau Ursel und er längst ein eingespieltes Team, das ohne fremde Hilfe zurechtkommt.
Der Ruhestand von Otto Mehrings währt nur kurz. Aus einem Harz-Urlaub mit Karla kehrt er im Sommer 1971 mit Darmblutungen zurück, die ihn kaum zwei Wochen später das Leben kosten. Ein denkbar schlechter Beginn für Bodos Geschäftsübernahme, auch wenn Otto ihm zuvor mit Kauf und Modernisierung von Gastwirtschaft und Bäckerei die beiden schwierigsten Dinge abgenommen hat. Das Beste daraus zu machen, ist für Bodo in dieser Situation Antrieb und Verpflichtung zugleich. Und da in der Familie alle mitziehen, muss ihm vor den vom zunehmenden Sterben kleiner Tante-Emma-Läden und dem Rückzug vieler Kneipen-Stammgäste in die privaten vier Wände geprägten 70er Jahren nicht bange sein. Tatsächlich bleibt der Gasthof Mehrings in dieser Zeit anders als so manch anderer vergleichbar aufgestellter Wettbewerber in der Gemeinde Hude von Existenznöten und radikalen Umbrüchen verschont.
In der Mitte dieses bunten und bewegten Jahrzehnts geht etwas in Erfüllung, das Bodo allen Anstrengungen zum Trotz lange Zeit verwehrt geblieben ist – im Juli 1975 schafft er es endlich auf den Thron des Hurreler Schützenkönigs. Eigentlich unverständlich, warum es so lange gedauert hat, denn auch nach seinen Titeln als Jugendkönig in den 50er Jahren glänzt er in Schieß-Wettbewerben aller Art und trägt zahllose Preise nach Hause. Nicht weniger engagiert zeigt sich Bodo bei seinem zweiten großen Hobby, der Jagd. Über Jahrzehnte hinweg prägt er die Aktivitäten der Jagdgenossenschaft Hurrel und bekleidet zudem bis 1992 im übergeordneten Hegering Hude den Posten des Kassenwarts.
Worüber sich Bodo zweifellos freut: Nach ihrem Schulabschluss 1982 strebt auch Tochter Hille den Bäckerberuf an und beginnt eine Lehre bei Werner Fuhrken in Hude. Nach ihrer Heirat mit Harald Jürgens im August 1987 bleibt sie in der Branche und steigt ins Geschäft der Schwiegereltern ein, die in Wardenburg die Traditionsbäckerei Jürgens führen. Sohn Hajo lernt derweil Kfz-Mechaniker im Autohaus Gramberg in Sandersfeld und hilft nach Feierabend und an den Wochenenden in der elterlichen Gastwirtschaft aus. Im September 1988 heiratet er Dagmar Tönjes aus Wüsting, die zwei Monate später Bodos erstes Enkelkind Tobias zur Welt bringt. Dazwischen fällt im Oktober der 50. Jahrestag der Bäckerei-Übernahme durch Otto Mehrings, und im Februar 1989 feiern Bodo und Ursel in der Gaststätte von Heinrich Imholze in Sandersfeld ihre Silberhochzeit. Das in puncto Familienzuwachs recht lebhafte Jahrzehnt beschließt die Geburt von Hilles und Haralds Tochter Carina im November 1989.
Mit Yvonne (Mai 1991), Marina (August 1991) und René (Mai 1994) folgen Anfang der 90er Jahre noch drei weitere Enkelkinder. Anfang 1997 hält Bodo dann den Zeitpunkt für gekommen, sich im ihm nach wie vor sehr am Herzen liegenden Schützenverein auf seine Rolle als Vereinswirt zu konzentrieren und alle anderen ehrenamtlichen Aufgaben – so war er seit 1956 ohne Unterbrechung zunächst als Jugendschießmeister, dann als Protokollführer und schließlich ab 1984 als zweiter Kassenwart tätig – abzugeben. Als Schütze bleibt er gleichwohl aktiv und erringt ein Jahr nach dem 1999 das ganze Jahr hindurch mit diversen Veranstaltungen in seinem Gasthaus gefeierten 100-jährigen Bestehen des Vereins den unter allen bisherigen Schützenkönigen ausgeschossenen Königs-Cup.
Kurz vor Bodos 60. Geburtstag im August 1999 stirbt Mutter Karla im Alter von 85 Jahren. Beide Ereignisse sind für Bodo Anlass, sich mit Anbruch des neuen Jahrzehnts erste Gedanken ums Kürzertreten zu machen. Die Arbeit in der Backstube fährt er herunter, einen Teil der im Laden und per Bäckerwagen verkauften Ware liefern ohnehin schon seit längerem Hille und Harald werktäglich aus Wardenburg zu. In der Gaststätte und bei größeren Veranstaltungen im Saal stehen neben Ursel und ihm mehr und mehr Hajo und Dagmar im Vordergrund. Gute Voraussetzungen also, den einmal gefassten Plan in die Tat umzusetzen, doch wie eine Generation zuvor Vater Otto ist es Bodo nicht vergönnt, den verdienten Ruhestand tatsächlich zu genießen. Nach einer Darmkrebs-Erkrankung geht es ihm rasch schlechter, er stirbt am 23. April 2004 und wird fünf Tage später in Hude auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche beerdigt.