Bertha Paradies – Biographie

Bertha Paradies wird am 10. März 1928 als fünftes Kind von Johann Drieling und Alma Drieling in Vielstedt geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Herbert Drieling, Gustav Drieling, Heino Drieling und Anita Kähler und die ältere Schwester von Hans Drieling und Gisela Wiemken.

Am Tag von Berthas Geburt endet in der schwedischen Ortschaft Mora der traditionelle Wasalauf mit einem denkwürdigen Ereignis. Weil auf der knapp 90 Kilometer langen Strecke keiner der das Feld anführenden Skiläufer Erik Hedlund und Sven Utterström einen entscheidenden Vorsprung herausarbeiten kann, überqueren sie Hand in Hand die Ziellinie. Die Rennleitung bestimmt daraufhin per Los Hedlund zum Sieger, womit dieser aber ganz und gar nicht einverstanden ist: Er lässt beide Medaillen auseinandersägen und jeweils eine Gold- und eine Silberhälfte wieder zusammenlöten.

Die geteilte Goldmedaille ist bereits Hedlunds zweite eigenwillige Aktion innerhalb weniger Wochen. Bei den vom 11. bis zum 19. Februar stattfindenden Olympischen Winterspielen in St. Moritz hatte er sich geweigert, wie die anderen schwedischen Athleten in einem blauen Ski-Anzug anzutreten, woraufhin ihm der Nationaltrainer mit Rausschmiss drohte. Schließlich durfte Hedlund doch ganz in Weiß auf die Piste und gewann prompt die Goldmedaille im 50-Kilometer-Langlauf. Knapp zehn Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs sind in St. Moritz übrigens erstmals wieder deutsche Sportler bei Olympia zugelassen. Obwohl kein anderes Land eine zahlenmäßig größere Mannschaft stellt, reicht es aber nur zu einer Bronzemedaille im Bobfahren.

Ein weiterer Schritt in Richtung Normalisierung in den internationalen Beziehungen vollzieht sich wiederum an Berthas Geburtstag. US-Präsident Calvin Coolidge unterzeichnet ein Gesetz, das die Beschlagnahme deutschen Eigentums in den USA aufhebt. Im Deutschen Reich herrscht derweil Wahlkampf: Weil die bürgerliche Koalition aus Zentrum, DVP, DNVP und BVP im Streit um ein neues Schulgesetz auseinandergebrochen ist, hat Reichspräsident Paul von Hindenburg für den 20. Mai Neuwahlen ausgerufen. Im Zentrum der Debatten steht die noch von der alten Regierung abgesegnete Finanzierung eines neuen Kriegsschiffs, gegen die SPD und KPD mit der Parole „Kinderspeisung statt Panzerkreuzer“ Front machen. Der SPD bringt die Kampagne deutliche Zugewinne, sie kann nach der Wahl mit Hermann Müller wieder den Reichskanzler stellen.

Ein letzter Achtungserfolg der republiktreuen Parteien, mehr nicht: Nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise im Herbst 1929 driftet die Weimarer Republik immer weiter nach rechts – bis Hindenburg im Januar 1933 NSDAP-Führer Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt. Nur wenige Wochen später bringt das Ermächtigungsgesetz die junge Demokratie zu Fall, die Diktatur des Dritten Reiches beginnt.

Ob Bertha mit ihrer Familie zu diesem Zeitpunkt bereits in Hurrel lebt, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Der Umzug von einem kleinen Pachthof an der Hurreler Straße (heute: Klaus Boehnke) in ein auf dem Land von Heinrich Sparke gelegenes Heuerhaus (heute: Elfriede Sparke) erfolgt aber wohl unmittelbar davor oder danach. In Hurrel besucht Bertha ab 1934 die von ihrem neuen Zuhause nur rund 250 Meter entfernte Volksschule, wo neben Schwester Anita unter anderem Elly Höpken, Wilma Lange, Alwine Logemann und Inge Wieting zu ihren in etwa gleichaltrigen Spielgefährtinnen gehören.

Ein halbes Jahr nach Berthas elftem Geburtstag beginnt im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Während sie zunächst weiter die Schule besucht, werden nach und nach ihre älteren Brüder und auch einige ehemalige Schulkameraden zur Wehrmacht eingezogen. Als die Familie im März 1944 die Verlustmeldung für Bruder Gustav erreicht, lebt und arbeitet Bertha bereits im Haushalt ihrer Tante Bertha Vogt in Hude, deren Mann Heinrich Vogt am Vielstedter Kirchweg einen Bauernhof mit angeschlossener Tischlerei betreibt (heute: Huder Tennisverein). Dort erlebt sie die Schrecken der letzten Kriegsmonate, die allen gegenteiligen Hoffnungen zum Trotz mit Heino ein weiterer Bruder mutmaßlich nicht überlebt – er gilt seit März 1945 als verschollen.

Mag Deutschland im Frühjahr 1945 auch in Trümmern liegen und das Schlagwort von der Stunde Null die Runde machen, eine im Oldenburger Land bereits zu Zeiten der Weimarer Republik populäre Tradition überlebt selbst das Ende des Dritten Reiches: der Holschenball. Zu den beliebtesten Austragungsorten in der Region gehört auch unter britischer Besatzung die Gaststätte von Anton Budde in Altmoorhausen. Dort lernt Bertha eines Abends im Jahre 1946 ihren künftigen, erst kurz zuvor aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft nach Hause zurückgekehrten Ehemann Herbert Paradies kennen.

Bertha und Herbert heiraten am 20. Juni 1947. Herbert ist der rechtmäßige Erbe einer Hofstelle am Alten Damm in Tweelbäke, die aber aufgrund seines Kriegseinsatzes und des frühen Tods beider Elternteile zunächst noch von einem Pächter bewirtschaftet wird. Erst nach Auslaufen des Pachtvertrags können beide den Betrieb übernehmen. Dieser umfasst zwar zunächst nur rund elf Hektar, doch zur damaligen Zeit fordert auch eine solche, heute eher klein anmutende Fläche von dem jungen Paar vollen Einsatz – zumal zu Beginn nur das Allernötigste an Arbeitsgeräten vorhanden ist.

Im Dezember 1948 wird aus dem Zwei- ein Drei-Personen-Haushalt: Tochter Anita kommt zur Welt. Nur vier Monate später verdoppelt sich quasi über Nacht die Zahl der Hofbewohner. Berthas Eltern Johann und Alma finden, als das von ihnen gemietete Heuerhaus in Hurrel im April 1949 bis auf die Grundmauern niederbrennt, mit der jüngsten Tochter Gisela in Tweelbäke Unterschlupf. Dank ihrer Hilfe gelingt es in den folgenden Jahren, den Betrieb durch Zupacht um insgesamt fünf Hektar zu vergrößern.

Mit Hermann (Januar 1951), Karla (April 1954) und Klaus wächst die Familie bis April 1963 um drei weitere Kinder. Der letztgeborene Sohn Ulf stirbt allerdings zwei Jahre später nur kurz nach der Geburt. Im Juli 1970 stirbt dann an ihrem 79. Geburtstag auch Berthas Mutter Alma. Kurz darauf gibt Herbert mit der Stilllegung der Molkerei in Wüsting seinen seit 1964 ausgeübten Nebenerwerb als Milchwagenfahrer auf, wodurch Bertha nicht mehr ganz so stark in die tägliche Hofarbeit eingespannt ist. Nach wie vor beschicken beide jedoch regelmäßig den Oldenburger Markt und beliefern diverse Kunden auch privat mit Kartoffeln und anderem Gemüse.

Anfang der 70er Jahre verändert ein Verkehrsprojekt das Leben auf dem Paradies-Hof von Grund auf: Die Trasse der neu gebauten Autobahn A 28 führt mitten durch Tweelbäke. Herbert und Bertha müssen einen Teil ihres Landes abtreten. Durch Vermittlung des örtlichen Entwässerungsverbandes erfahren sie, dass an der Dorfstraße in Altmoorhausen – nur rund 300 Meter vom Gasthof Budde entfernt – ein Hof zum Verkauf steht, dessen Fläche zwar etwas kleiner, aber dafür von besserer Bodenqualität ist. Daraufhin kommt ein Tausch zustande, und 1974 siedelt Bertha mit Herbert, den beiden Söhnen und Vater Johann nach Altmoorhausen über.

Sechs Jahre nach dem Umzug übernimmt der älteste Sohn Hermann den Hof und führt ihn fortan im Nebenerwerb weiter. Die neugewonnene Freiheit nutzt Bertha unter anderem für Dinge, für die sie zuvor nie Zeit gefunden hatte: So lernt sie Schwimmen und besucht fortan regelmäßig das Hallenbad in Hemmelsberg. Neben der regelmäßigen Gartenarbeit bereichern zudem Ausflüge und sonstige Aktivitäten in Kegelclub, Nachbarschaft und Bekanntenkreis ihren Alltag.

Nach der im Juni 1997 gefeierten Goldenen Hochzeit geht es Herbert schon bald deutlich schlechter. Er stirbt im Juni 2000, nur zwei Tage vor dem 53. Hochzeitstag. Zehn Monate später gewinnt Bertha im Lotto bei einer Sonderziehung einen nagelneuen Audi A4, für den sie aber mangels Führerschein keine Verwendung hat. Der Verkaufserlös kommt letztlich der ganzen Familie zugute, unter anderem den vier Enkelkindern.

Unmittelbar nach ihrem 80. Geburtstag im März 2008 erleidet Bertha einen Schlaganfall, von dessen Folgen sie sich in den ihr noch verbleibenden vier Jahren nicht mehr erholt. Sie stirbt am 18. Oktober 2012 und wird sechs Tage später auf dem Alten Osternburger Friedhof in Oldenburg beerdigt.