Bertha Kreis – Biographie

Bertha Christine Kreis wird am 4. November 1908 als drittes Kind von Diedrich Düßmann und Adeline Düßmann in Delmenhorst geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Gesine Willenbrock und Adele Timmermann.

Eine Woche nach Berthas Geburt kommt es in der Zeche Radbod in Bockum-Hövel zu einer Schlagwetter-Explosion. Das vermutlich durch eine Benzin-Sicherheitslampe verursachte, bis dahin schwerste Unglück in einem deutschen Bergbau-Revier fordert 350 Menschenleben. Es löst nicht nur im gesamten Deutschen Reich eine Welle der Spendenbereitschaft aus, sondern heizt auch die Debatte um bessere Arbeitsschutzbedingungen im Bergbau an. Als direkte Folge dürfen fortan in Schlagwetter-Gruben nur noch elektrische Lampen benutzt werden. Zudem formiert sich in den folgenden Jahren eine von Gewerkschaften schon lange geforderte unabhängige Aufsichtsbehörde.

Kaum vergleichbar mit den Verhältnissen der Bergmänner unter Tage sind die Arbeitsbedingungen bei Delmenhorsts größtem Arbeitgeber jener Epoche, der 1884 gegründeten Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei. Dort beschäftigt der Bremer Industrielle Carl Lahusen überwiegend junge Frauen aus Osteuropa, die zwar trotz Akkords einen auch für die damalige Zeit nur äußerst kargen Lohn beziehen, dafür aber zahlreiche betriebliche Sozialleistungen in Anspruch nehmen können. Größere Arbeitsunfälle auf dem Firmengelände sind bis zur endgültigen Schließung im Jahre 1981 nicht überliefert. Für Berthas Geburtsjahr 1908 finden sich in den Archiven mit Bezug auf ihre Heimatstadt denn auch nur zwei Randnotizen: Im Fitgerhaus eröffnet das erste städtische Kino und die Mitglieder des Stadtrats debattieren recht emotional über einen vom Bremer Architekten Heinz Stoffregen vorgelegten Entwurf zum Neubau des Rathauses.

Nur wenige Monate nach Fertigstellung des Delmenhorster Rathauses im Frühjahr 1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Ob Berthas als Maurer arbeitender Vater Diedrich aktiv daran teilnimmt, ist in der Familie nicht überliefert – ebenso wenig, wo Bertha während des Krieges ihre ersten Schuljahre verbringt. Im Laufe des Jahres 1919 erfolgt jedoch ein Schulwechsel: Weil Mutter Adeline aufgrund einer Lungenerkrankung dringend Luftveränderung benötigt, kauft Diedrich Düßmann im 15 Kilometer westlich gelegenen Hurrel ein sieben Jahre zuvor von Tönjes Hinrich Schwarting errichtetes Wohnhaus (heutiger Eigentümer: Günter Klintworth) nebst zwei Hektar Land. In Hurrel gehören fortan die in etwa gleichaltrigen Dorfkinder Alma Bleckwehl, Henny Heinemann, Marie Janzen, Anna Osterloh, Elli Rüdebusch und Hanna Timmermann zu Berthas neuen Mitschülerinnen. Ihre beiden älteren Schwestern Gesine und Adele haben dagegen zum Zeitpunkt des Umzugs den elterlichen Haushalt schon verlassen.

Die frische Landluft trägt nur wenig dazu bei, die Leiden von Adeline Düßmann zu lindern – sie stirbt im Juli 1923 kurz vor dem Höhepunkt der deutschen Hyperinflation. Hilfe in diesen schwierigen Zeiten bekommen Bertha und ihr täglich mit dem Fahrrad zu seinem Arbeitsplatz bei den Deutschen Linoleumwerken pendelnder Vater von Gesine Düßmann, die nun ebenfalls nach Hurrel zieht. Nach Gesines Hochzeit mit Diedrich Willenbrock (Oktober 1925) der Geburt von Berthas Nichte Gisela (Januar 1926) und dem berufsbedingten Umzug der neugegründeten Familie nach Wilhelmshaven im folgenden Jahr bleibt Bertha nur kurze Zeit mit ihrem Vater allein: Schwester Adele, zwischenzeitlich in einem Haushalt in Ochtum bei Lemwerder in Stellung, füllt die Lücke und heiratet im März 1931 den Nachbarssohn Karl Timmermann.

Bertha selbst heiratet im November 1934 Fritz Kreis, einen aus Oldenburg stammenden Telegrafenbau-Handwerker. Obwohl mit Diedrich, Bertha, Adele, Karl und deren im Februar 1932 geborener Tochter Gertrud bereits fünf Personen im Haushalt leben, nimmt zunächst auch Fritz dort Quartier. Spätestens mit der Geburt von Gertruds Bruder Dieter im September 1935 kristallisiert sich jedoch heraus, dass dies keine Dauerlösung sein kann. Bertha und Fritz halten deshalb nach einer Alternative Ausschau und siedeln nach Lemwerder um. Dort findet Fritz Arbeit auf einer der örtlichen Werften.

Mit tatkräftiger Unterstützung von Vater Diedrich beginnen Bertha und Fritz im östlich der Weser gelegenen Aumund mit dem Bau eines eigenen Hauses. Dessen Fertigstellung verhindert jedoch der im September 1939 ausgebrochene Zweite Weltkrieg, an dem Fritz als Angehöriger der Luftwaffe teilnimmt. Wann genau er nach Hause zurückkehrt und beide endlich einziehen können, vermag heute in den Familien von Berthas Nichten und Neffen niemand mehr mit Gewissheit zu sagen. Ebenso im Dunkeln liegen die Gründe für Berthas frühen Tod mit nur 48 Jahren: Sie stirbt am 3. Juni 1957 in Aumund – seit 1946 ein Ortsteil Vegesacks – und wird dort wenige Tage später beerdigt.