Christiane Thekla Berta Franz – Rufname Berta – wird am 7. November 1872 im thüringischen Dorfilm (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) als vermutlich zweites von vier Kindern von Louis Christian Mörl und Therese Mörl geboren.
Zwei Tage vor Bertas Geburt findet in den USA eine gleich aus mehreren Gründen bemerkenswerte Präsidentschaftswahl statt. So hat es Amtsinhaber Ulysses S. Grant nicht nur mit den gegnerischen Demokraten zu tun, sondern auch mit Teilen seiner eigenen Partei, den Republikanern. Grant gehört dem Flügel der Radical Republicans an, der den 1865 im Amerikanischen Bürgerkrieg geschlagenen Südstaaten deutlich unversöhnlicher gegenübersteht als eine andere, sich vor den Wahlen als Liberal Republican Party abgespaltene Gruppe von Parteimitgliedern. Diese unterstützt den demokratischen Kandidaten Horace Greeley, der aber am Ende nur knapp 44 Prozent der abgegebenen Stimmen erhält. Greeley stirbt am 29. November 1872, noch bevor das Wahlmänner-Kollegium zur eigentlichen Wahl des Präsidenten zusammentritt.
Das Bemerkenswerteste an der Wahl jedoch: Zu den weiteren, von vornherein chancenlosen Bewerbern gehört mit der New Yorker Börsenmaklerin und Verlegerin Victoria Woodhull auch eine Frau – obwohl Frauen nach der damals herrschender Rechtsauffassung in den USA weder das aktive noch das passive Wahlrecht besitzen. Eine Auffassung, der Woodhull im Vorfeld des Urnengangs vehement widerspricht: Ihrer Meinung zufolge steht das Wahlrecht allen „geborenen Amerikanern“ zu.
Genießt Woodhull anfangs noch die Sympathie vieler amerikanischer Frauenrechtlerinnen und anderer fortschriftlicher Gruppierungen, so wenden sich bis zum Wahltag immer mehr Unterstützer ab. Zu radikal erscheinen ihre Positionen: So propagiert Woodhull nicht nur die Ausübung freier Liebe, sondern gibt sich auch als Anhängerin der von Karl Marx und Friedrich Engels inspirierten Pariser Kommune zu erkennen. Als erste Publikation in den USA druckt die von Woodward und ihrer Schwester Tennessee Claflin herausgegebene Wochenzeitung „Woodhull & Claflin’s Weekly“ im Dezember 1871 eine englische Übersetzung des „Kommunistischen Manifests“.
Wie viele – letztlich ungültige – Stimmen Woodhull am 5. November 1872 erhält, ist nicht überliefert. Den Wahltag selbst verbringt sie zusammen mit ihrer Schwester im Gefängnis. Dorthin gebracht hat sie ein die Doppelmoral der amerikanischen Gesellschaft anklagender Bericht in der „Woodhull & Claflin’s Weekly“ über die außereheliche Affäre des populären Predigers Henry Ward Beecher mit der Frauenrechtlerin Elizabeth Tilton. Aufgrund illegaler Verbreitung von Pornographie lässt sie daraufhin der New Yorker Sittenwächter Anthony Comstock verhaften. Nach ihrer Entlassung hält sich Woodhull finanziell vorwiegend mit Vortragsreisen über Wasser und wandert 1877 nach Großbritannien aus.
Zu diesem Zeitpunkt ist Berta in Dorfilm bereits Halbwaise: Ihre Mutter stirbt am 11. März 1875 bei der Geburt des jüngsten Geschwisterkindes. Ob Bertas Vater später noch ein zweites Mal heiratet, ist nicht bekannt – ebenso wenig, wo sie die Schule besucht und ob sie nach dem Schulabschluss wie zu jener Zeit üblich irgendwo in einem Haushalt in Stellung geht. Sehr weit weg von zu Hause verschlagen haben kann es sie jedoch nicht: Ihr späterer Ehemann Karl Franz, den sie am 23. Mai 1899 im Alter von 26 Jahren heiratet, stammt aus dem nur rund zehn Kilometer entfernt liegenden Dorf Neidenberga.
Nach der Hochzeit zieht Berta mit Karl in den Haushalt ihrer Schwiegereltern Louis Christian und Friederike Franz. Schwiegervater Louis Christian betreibt in Neidenberga eine kleine Schmiedewerkstatt, stirbt aber bereits Anfang September 1899. Nur sechs Wochen später, am 17. Oktober 1899, bringt Berta Sohn Kurt zur Welt. In den folgenden acht Jahren, in denen Karl die Schmiede fortführt und nebenbei ein wenig Landwirtschaft betreibt, kommen mit Erna (Juni 1901), Elly (April 1903), Otto (April 1904) Erwin (Januar 1906) und Rudolf (November 1907) fünf weitere Kinder hinzu. Ein siebtes Kind – ein Junge – kommt im Dezember 1909 tot zur Welt. Schwiegermutter Friederike Franz wiederum stirbt einen Monat nach Ellys Geburt.
Weil die trotz des neuerlichen Todesfalls stetig größer werdende Familie weder von den Erträgen der von Karls Urgroßvater Johann Heinrich Franz begründeten Schmiede noch von der Landwirtschaft leben kann, entschließen sich Karl und Berta zu einem Neuanfang. Sie bewerben sich für ein Siedlungs-Projekt in Westpreußen, wo die staatlichen Behörden nach der Aufteilung mehrerer großer Rittergüter zu sehr günstigen Konditionen Land zum Kauf anbieten. Am 1. Juli 1910 heißt es deshalb Abschied nehmen von Freunden und Verwandten. Das Ziel der Reise heißt Rebkau – ein mehr als 500 Kilometer nordöstlich von Neidenberga gelegenes, rund 350 Einwohner zählendes Dorf im Landkreis Kulm.
Der Start in der Fremde gelingt, nicht zuletzt dank des sehr fruchtbaren Bodens. Für Berta beginnt der neue Lebensabschnitt jedoch mit einem altbekannten Zustand: Sie ist schwanger, im Juli 1911 kommt mit Sohn Arno ihr achtes und letztes Kind zur Welt. Kurz nach Arnos drittem Geburtstag wirft dann der Ausbruch des Ersten Weltkriegs alle weiteren Planungen für die Zukunft über den Haufen – auch wenn die für Rebkau gravierendsten Folgen dieses epochalen Ereignisses erst mehr als zwölf Monate nach dessen Ende offenbar werden: Der zwischen den Siegermächten und dem Deutschen Reich geschlossene Friedensvertrag von Versailles schlägt den Landkreis Kulm Anfang 1920 der Zweiten Polnischen Republik zu.
Die abermalige Suche nach einer neuen Heimat führt Familie Franz dieses Mal in die andere Himmelsrichtung: nach Hurrel, wo sich Karl und Berta mit den Kindern im Mai 1920 auf dem ehemaligen, rund zwölf Hektar großen Hof von Hermann Christian Bischoff (heute: Rita Wiemer) niederlassen. Was die Qualität des bearbeiteten Bodens angeht, ist es alles andere als ein guter Tausch, doch letztlich gelingt – wenngleich unter vielen Entbehrungen in den Anfangsjahren – auch die zweite Umsiedelung. Nach Kurts Hochzeit mit Johanne Wunderlich aus Altmoorhausen übergeben Karl und Berta den Betrieb Ende 1931 dem ältesten Sohn, bleiben aber weiter dort wohnen.
Bis zu ihrem Tod kann sich Berta über die Geburt von insgesamt 13 Enkelkindern freuen – muss aber im Januar 1940 auch den Verlust ihres Ehemannes verkraften und zudem fürchten, dass einer ihrer zur Wehrmacht eingezogenen Söhne dem im September 1939 ausgebrochenen Zweiten Weltkrieg zum Opfer fällt. Dass diese Sorge unbegründet ist, erlebt sie nicht mehr: Berta stirbt am 29. April 1941 nach einem Schlaganfall und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beigesetzt.