Bernhard Schwarting – Biographie

Bernhard Friedrich Diedrich Schwarting wird am 12. April 1924 als drittes Kind von Diedrich Schwarting und Annchen Schwarting auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Heiko und Anieka Schwarting) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anneliese Heinemann und Heinrich Schwarting und der ältere Bruder von Gisela Siems.

Zwei Tage vor Bernhards Geburt stirbt in Berlin mit Hugo Stinnes einer der bekanntesten Industriellen der noch jungen Weimarer Republik. Zu seinem Einflussbereich gehören zeitgenössischen Quellen zufolge mehr als 4.500 Unternehmen mit rund 600.000 Mitarbeitern, unter anderem die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke und der Mülheimer Bergwerks-Verein. Wegen der damit verbundenen Machtfülle hat das US-Magazin „Time“ Stinnes erst im Jahr zuvor als „neuen Kaiser von Deutschland“ bezeichnet.

Der 1870 in Mülheim an der Ruhr geborene Enkel des Firmengründers Mathias Stinnes konnte sein anfänglich vor allem aus Bergbau- und Handelsfirmen bestehendes Konglomerat in den Inflationsjahren nach dem Ersten Weltkrieg beträchtlich vergrößern, indem er Kredite aufnahm und diese bei Fälligkeit mit bis dahin stark entwertetem Geld zurückzahlte. Als Abgeordneter der nationalliberalen DVP war Stinnes auch politisch aktiv. Ein im November 1918 von ihm und Gewerkschaftsführer Carl Legien verantwortetes Abkommen legte den Grundstein für die Einführung des Acht-Stunden-Tags in der deutschen Industrie. Am Ende kosten Stinnes Komplikationen nach einer Gallen-Operation das Leben.

Weitere Schlagzeilen jener Tage sind dem Gutachten gewidmet, das eine vom US-Bankier Charles Dawes angeführte Kommission bezüglich der im Friedensvertrag von Versailles festgelegten deutschen Reparationen vorlegt. Die unabhängigen Experten empfehlen eine deutliche Streckung der an die ehemaligen Kriegsgegner fälligen Zahlungen und verurteilen auch die Anfang 1923 von der französischen Regierung zur Durchsetzung ihrer Forderungen angeordnete Besetzung des Ruhrgebiets. Das signalisierte Entgegenkommen soll die Lage im wirtschaftlich am Boden liegenden Deutschland stabilisieren – kann aber nicht verhindern, dass bei den Reichstagswahlen vom 4. Mai 1924 radikale Kräfte deutlich Aufwind erhalten: Die stärksten Zuwächse erzielen neben der KPD und der DNVP extrem weit rechts stehende Gruppierungen wie die Nationalsozialistische Freiheitspartei.

Nach einer kurzen, bis 1929 anhaltenden Phase der Stabilisierung trägt das weitere Erstarken der politischen Ränder während der Weltwirtschaftskrise wesentlich zum Scheitern der ersten deutschen Demokratie bei. So ebnet schließlich am 30. Januar 1933 die Ernennung des Nationalsozialisten Adolf Hitler zum Reichskanzler den Weg in die Diktatur des Dritten Reiches. Zu diesem Zeitpunkt besucht Bernhard die von seinem Elternhaus rund einen Kilometer entfernte Volksschule Hurrel, wo unter anderem Heinrich Brinkmann, Heino Drieling, Heino Rüdebusch, Heino Schwarting und Heino Wieting zu seinen in etwa gleichaltrigen Klassenkameraden gehören.

Da Bernhard den meisten Mitschülern im Lernen voraus ist, wechselt er im Frühjahr 1937 als erster Hurreler auf das 1922 gegründete Graf-Anton-Günther-Gymnasium in Oldenburg. Anders als es der bis Februar 1938 gültige Name „Staatliche Oberschule für Jungen in Aufbauform“ suggeriert, werden dort Jungen und Mädchen von Beginn an gemeinsam unterrichtet. Dabei stammen die meisten Schüler wie Bernhard selbst aus den umliegenden Landgemeinden und haben einen entsprechend langen Schulweg zu bewältigen.

Der Start an der neuen Schule geht für Bernhard mit massiven Raumproblemen einher: Er gehört dem ersten Jahrgang an, der einem ministeriellen Erlass zufolge bereits nach der sechsten Klasse von der Volksschule auf Gymnasium wechseln kann. Entsprechend groß ist der Andrang, und das 1936 bezogene, von der ehemaligen Mädchenmittelschule Oldenburg übernommene Gebäude an der Brüderstraße ist immer noch ein Provisorium.

Stofflich bereitet ihm der Wechsel aufs Gymnasium dagegen keinerlei Schwierigkeiten, wie der Blick auf sein fünf Jahre später – am 23. März 1942 – „mit Auszeichnung“ verliehenes Abiturzeugnis erahnen lässt: Unter den 13 vergebenen Abschlussnoten findet sich sechsmal ein „Sehr gut“ (darunter für die Leistungen in Mathematik, Physik, Chemie und Latein) und siebenmal ein „Gut“. Bernhards Ziel, seinen beiden Onkeln Heinrich Friedrich und Friedrich Schwarting nachzueifern und die Lehrer-Laufbahn einzuschlagen, hätte von dieser Seite aus nichts im Wege gestanden.

Dass es anders kommt, zeichnet sich jedoch schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ab. Denn die nationalsozialistische Terror-Herrschaft hat das Graf-Anton-Günther-Gymnasium – wie auch alle anderen Schulen in Oldenburg und im gesamten Deutschen Reich – fest im Griff: Nur wenige Wochen nach Bernhards Ankunft etwa, am 29. Mai 1937, gibt es eine große Feier anlässlich des fünfjährigen Bestehens der NS-Regierung in Oldenburg. In den folgenden Jahren werden neben dem Geburtstag Adolf Hitlers – der auf den gleichen Kalendertag fällt wie der allererste Schultag an der neu gegründeten Schule (20. April 1922) – auch die sogenannten „Großtaten“ des Führers wie die Einmärsche in Österreich, in Tschechien und ins Memel-Gebiet festlich begangen. Unmittelbar nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 nehmen zudem Luftlandetruppen kurzzeitig einen Teil des Schulhofs in Beschlag und behindern dadurch den Schulbetrieb massiv.

Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet von Unterrichtsausfällen, Fliegeralarmen und Einberufungen von Lehrern und ganzen Abschluss-Jahrgängen. Nicht anders ergeht es Bernhard: Nur wenige Tage nach der Übergabe seines Abiturzeugnisses findet er sich bei der Wehrmacht wieder, wo er nach seiner Ausbildung zum Panzergrenadier bei der im Juni 1943 aufgestellten Panzerdivision Hermann Göring landet.

Nach diversen Einsätzen in ganz Europa verschlägt es Bernhard im Spätsommer 1944 an die Westfront, wo ihn schließlich am 14. September bei Gefechten in dem belgischen Dörfchen Aart am Maas-Schelde-Kanal eine tödliche Kugel trifft. Am Nordrand des Dorfes wird er noch am selben Tag begraben und nach Kriegsende auf den 1959 eingeweihten deutschen Soldatenfriedhof Lommel überführt.