Anna Marie Rüdebusch – Biographie

Anna Marie Sophie Rüdebusch wird am 7. August 1853 als sechstes Kind von Johann Diedrich Clauss und Anna Maria Catharina Clauss in Oberlethe geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Hermann Clauss, Johann Hermann Clauss, Heinrich Clauss, Johann Hinrich Clauss und Catharine Clauss und die ältere Schwester von Gerhard Clauss, Marie Clauss und Johann Diedrich Clauss. Daneben hat sie noch eine unmittelbar nach der Geburt am 25. Juli 1859 verstorbene Schwester, die deshalb namenlos geblieben ist.

Wenige Wochen vor Annas Geburt stellt die 1850 von der sächsischen Schriftstellerin Louise Otto ins Leben gerufene „Frauen-Zeitung“ ihr Erscheinen endgültig ein. Drei Jahre lang hat Otto in ihrer Zeitung unter dem Einfluss der März-Revolution von 1848 dafür geworben, Frauen am sich kurzzeitig Bahn brechenden Demokratisierungsprozess der Gesellschaft zu beteiligen. Sehr zum Missfallen der fürstlichen Obrigkeit: In einer Zeit, in der es Frauen in vielen deutschen Städten sogar verboten ist, öffentliche Lesesäle zu betreten, gilt Otto mit der Forderung nach besseren Bildungschancen und Gleichberechtigung für das weibliche Geschlecht bald als „gemein- und staatsgefährliches Subjekt“.

Um Otto mundtot zu machen, erlässt Sachsen Ende 1850 ein neues Pressegesetz, dass es ausschließlich männlichen Personen erlaubt, die verantwortliche Redaktion einer Zeitschrift zu übernehmen. Frauen dürfen nicht einmal als Mitredakteure genannt werden. Otto weicht daraufhin ins im Fürstentum Reuß gelegene Gera aus, sieht sich aber auch dort immer wieder behördlichen Schikanen ausgesetzt. Anfang 1853 wagt sie nach mehrmonatiger Pause noch einmal einen Neustart unter dem Namen „Deutsche Frauen-Zeitung“, doch ein halbes Jahr später ist angesichts der von Otto als „politische Kirchhofstille“ empfundenen Restauration endgültig Schluss.

Auch im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Annas Geburtsort Oberlethe gehört, sind 1853 bereits wieder sämtliche Hoffnungen des Bürgertums auf politische Mitbestimmung verflogen – von besseren Lebensbedingungen für die noch überwiegend in der Landwirtschaft arbeitende Bevölkerung ganz zu schweigen. Allein zwischen 1850 und 1855 wandern deshalb mehr als 3.000 Oldenburger nach Nordamerika aus.

Ob es auch in Annas Familie derartige Überlegungen gibt, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Wohl aber, dass ihre als Heuerleute arbeitenden Eltern und die zwischen 1844 und 1863 geborenen Kinder in jenen Jahren kein leichtes Leben haben. Von Annas neun Geschwistern erreichen nur fünf (Johann Hermann, Heinrich, Johann Hinrich, Catharine und Marie) das Erwachsenenalter. Am nächsten davon stehen dürfte ihr ihre nur anderthalb Jahre ältere Schwester Catharine, mit der sie vermutlich sechs oder sieben Jahre lang gemeinsam die Volksschule in Oberlethe besucht. Nach Konfirmation und Schulabschluss führt Annas Weg relativ rasch ins 20 Kilometer entfernt gelegene Hurrel, wo sie auf dem Hof von Hermann Wübbenhorst (heute: Birgit Ganteföhr) in Stellung geht.

Aus der Beziehung mit Hermanns Bruder Diedrich, der nach Hermanns vermutlich durch Tuberkulose verursachten Tod im April 1874 zum Hoferben wird, entstammt Annas Sohn Johann Hermann. Er kommt am 27. Juni 1874 auf dem Wübbenhorst-Hof zur Welt. Acht Wochen später, am 25. August, feiern Anna und Diedrich Hochzeit. Am selben Tag wird Johann Hermann getauft. Er stirbt jedoch schon im April 1876, Erzählungen der Familie zufolge ebenfalls an Tuberkulose.

Die heimtückische, damals weitverbreitete Krankheit begleitet Anna noch über Jahre hinweg. Sie nimmt ihr auch den zweitgeborenen Sohn August, die nachfolgende Tochter Aline und den dritten Sohn Hermann Theodor, die 1877, 1879 und 1880 jeweils vor der Vollendung des ersten Lebensjahres sterben. Im Mai 1878 – kurz nach der Geburt von Aline – muss Anna zudem den Tod ihres Vaters verkraften. Und als wäre das alles noch nicht genug, fällt im Januar 1881 auch ihr Ehemann Diedrich der Tuberkulose zum Opfer.

Der Schmerz muss für Anna gewaltig sein – doch sie ist noch jung, und das Leben geht weiter. Am 3. Februar 1882 heiratet sie Johann Rüdebusch aus Kirchkimmen; der Wübbenhorst- wird zum Rüdebusch-Hof. Dort kommen am 7. November 1882 die Zwillinge Johann Diedrich und Heinrich zur Welt, von denen aber nur der letztgenannte überlebt. Bis 1889 folgen die Kinder Frieda, Martha, Gesine und Georg.

Die folgenden Jahre bleibt Anna von größeren Schicksalsschlägen verschont – bis sie im Oktober 1906 auch ihren zweiten Ehemann Johann zu Grabe tragen lassen muss. Sechs Monate später folgt der erst 17-jährige Sohn Georg und im Dezember 1909 Mutter Anna Maria, die ihre letzten Lebensjahre bei der Tochter verbracht hat. Zu dieser Zeit bearbeitet Anna den knapp 25 Hektar großen Rüdebusch-Hof zusammen mit dem einzigen verbliebenen Sohn Heinrich, der im Februar 1910 Anna Catharine Schwarting aus Sandersfeld heiratet. Zwei Monate später eröffnet Elli den Reigen der auf dem Hof geborenen Enkelkinder. Im Januar 1912 kommt Georg Heinrich hinzu. Im Oktober desselben Jahres überlebt Tochter Frieda nur knapp die Geburt des mit schweren Verkrüppelungen an Armen und Beinen zur Welt kommenden Enkels Karl.

Der im August 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg fordert in Annas Familie keine Opfer – sowohl Heinrich als auch die Schwiegersöhne Georg Barkemeyer, Friedrich Petermann und Hinrich Müller kehren 1918 unversehrt nach Hause zurück. Ihren Sohn überlebt sie dennoch: Heinrich stirbt am 31. August 1933, nur wenige Stunden vor der Trauung von Annas Enkelin Erna Barkemeyer mit Adolf Heyne.

Gegen Ende ihres Lebens hält der von den Nationalsozialisten entfesselte Zweite Weltkrieg noch einmal einige besonders dunkle Momente für Anna bereit. Im Juli 1943 fällt Heinrichs zweitgeborener Sohn Gustav, im August 1944 dann Georg Heinrich und im Februar 1945 schließlich der als Hoferbe vorgesehene dritte Sohn Heino. Übrig bleibt aus dieser Linie lediglich Enkelin Elli.

Anna selbst stirbt nur wenige Tage nach Kriegsende, am 12. Mai 1945, im Alter von 91 Jahren – und zwar auf dem heute nicht mehr bestehenden Zweithof von Gerhard Wieting an der Hurreler Straße (Besitzerin des in der Nähe errichteten Neubaus: Inge Molde). Dorthin musste sie sich mit Schwiegertochter Anna Catharine flüchten, weil ihr eigener Hof kurz zuvor von den alliierten Besatzern in Beschlag genommen worden war. Beerdigt ist Anna am 15. Mai 1945 auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.