Gustav Schwarting – Biographie

Gustav Diedrich Schwarting wird am 8. Juni 1893 als zweites Kind von Johann Hinrich Schwarting und Catharine Schwarting auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Gerd und Ute Schwarting) geboren. Er ist der jüngere Bruder von Gerhard Heinrich Schwarting und Heinrich Georg Schwarting und der ältere Bruder von Adele Blankemeyer.

Drei Wochen nach Gustavs Geburt starten 117 Teilnehmer zur Distanzradfahrt Wien-Berlin. Anlass für dieses Ereignis ist der im Herbst 1892 abgehaltene Distanzritt Berlin-Wien – ein militärischer Übungsritt für Offiziere des deutschen und des österreich-ungarischen Heeres zwischen den beiden Hauptstädten, der wenig ruhmreich endet: Fast 72 Stunden sind die schnellsten Reiter unterwegs, 30 Pferde überstehen die Strapazen nicht, und auch das Siegerpferd bricht nach dem Zieleinlauf tot zusammen. Eine gute Gelegenheit also für die Lobby der Radsport-Begeisterten, den überheblichen Militärs und der ganzen Welt die Überlegenheit der oftmals noch belächelten Stahlrösser zu beweisen.

Tatsächlich benötigt der Sieger Josef Fischer für die 582 Kilometer lange Strecke gerade einmal 31 Stunden. Eine Meisterleistung, die in den folgenden Jahren wesentlich zur Popularisierung des Radsports und des Fahrradfahrens generell beiträgt. Auch im Großherzogtum Oldenburg: Im Jahr 1900 existieren in der Landeshauptstadt bereits 20 auf das neue Fortbewegungsmittel spezialisierte Verkaufsläden – unter anderem das noch in Gustavs Geburtsjahr gegründete Geschäft von Joseph Vosgerau.

Die erste Hurreler Familie, die ein Fahrrad besitzt, ist der Überlieferung zufolge die Familie des Gastwirts Carl Busch. Als in dessen Schankstube (heute: Hajo und Dagmar Mehrings) im Mai 1902 der Radfahrverein „Wanderlust“ aus der Taufe gehoben wird, besucht Gustav bereits seit zwei Jahren die dem Gasthof gegenüberliegende Volksschule. Dort gehören unter anderem Adolf Busch, Heinrich Tönjes und Hinrich Wieting zu seinen gleichaltrigen Spielkameraden, mit denen er bis 1908 gemeinsam die Schulbank drückt.

Trotz des Jüngstenrechts in der Gemeinde Hude kristallisiert sich in der Familie relativ rasch heraus, dass Gustavs älterer Bruder Gerhard den elterlichen, 1681 begründeten und nach einem Brand 1898 zu großen Teilen neu errichteten Hof übernehmen soll. Deshalb besucht Gustav nach dem Schulabschluss zunächst die Handelsschule und absolviert anschließend eine kaufmännische Ausbildung beim Bremer Kaffeeröster Carl Ronning.

Dieser berufliche Hintergrund kommt ihm 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zugute: Wegen seiner Kenntnisse in Kurzschrift wird Gustav zunächst heimatnah auf einer Schreibstube eingesetzt. Im weiteren Verlauf des Krieges muss er allerdings doch noch an die Front, wo er im Küchendienst arbeitet und bei einem gegnerischen Angriff einen Durchschuss am Fuß erleidet. Damit hat er allerdings bedeutend mehr Glück als sein Bruder Gerhard, der ein halbes Jahr vor Kriegsende in Nordfrankreich fällt.

Der frühe Tod des Bruders ändert Gustavs Lebensweg: Er gibt seinen erlernten Beruf auf und absolviert eine landwirtschaftliche Ausbildung. Kurz nach deren Abschluss – am 30. Mai 1923, eine Woche vor seinem 30. Geburtstag – heiratet Gustav Anni Düser aus Altmoorhausen und richtet sich mit seiner Ehefrau und dem Anfang Januar 1924 geborenen Sohn Heino auf dem elterlichen Hof ein. Der zweite Sohn Georg kommt 1928 zur Welt, stirbt aber bereits nach wenigen Monaten. Die Familie komplett machen Anfang 1933 Sohn Ingo und im Mai 1935 Tochter Linda.

Als hätte der Erste Weltkrieg der Familie nicht schon übel genug mitgespielt, hält der im September 1939 von den seit 1933 regierenden Nationalsozialisten begonnene Zweite Weltkrieg eine ganz ähnliche Tragödie bereit. Kaum hat der für die Übernahme des Hofes auserkorene älteste Sohn Heino 1942 seine landwirtschaftliche Ausbildung beendet, erhält er einen Stellungsbefehl zur Wehrmacht. Auch Heino kehrt nicht nach Hause zurück, er wird an der Ostfront schwer verwundet und stirbt im September 1944 in einem Lazarett im schlesischen Beuthen.

Gustav selbst wird im Frühjahr 1945 noch zum Volkssturm eingezogen und bei der unweit seines Hofes an der Ahnenstätte Hilligenloh stationierten Flugabwehr eingesetzt. Gegen die unmittelbar danach anrückenden englischen und kanadischen Truppen kann er aber erwartungsgemäß nichts mehr ausrichten.

Nach Ende des Krieges geht es für Gustav und Anni in erster Linie darum, den Hof zu vergrößern und zukunftsfest zu machen. Mit tatkräftiger Hilfe ihres Sohnes Ingo, der nach dem Tod des älteren Bruders wie 25 Jahre zuvor sein Vater seine ursprünglichen beruflichen Pläne ändert und Landwirt lernt, vergrößern sie die Stallungen und bauen 1957 ein weiteres Wohnhaus an.

Nach Ingos Hochzeit mit Hanna Haye im selben Jahr arbeitet Gustav weiter mit auf dem Hof, tritt aber ab Anfang der 60er Jahre altersbedingt etwas kürzer. So entdeckt er – kurz, nachdem sich der im Frühjahr 1952 noch mit einem großen Fest 50-jähriges Jubiläum feiernde Radfahrverein „Wanderlust“ auflöst – seine Liebe zum Zweirad und fährt zudem mit Anni regelmäßig für drei bis vier Wochen in den Urlaub nach Bad Salzuflen.

Der gemeinsame Ruhestand hätte durchaus noch einige Jahre in den gewohnten Bahnen weiterlaufen können, hätte nicht eine heimtückische Krankheit frühzeitig einen Schlusspunkt gesetzt: Am 18. Dezember 1967 stirbt Gustav kurz vor seinem 75. Geburtstag an Krebs. Beerdigt ist er vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.