Johann Hinrich Stolle Junior wird am 2. Februar 1844 als viertes Kind von Johann Hinrich Stolle Senior und Anna Maria Stolle in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Gerhard Hinrich Stolle, Johann Dierk Stolle und Ehlert Heinrich Stolle und der ältere Bruder von Ehlert Diedrich Stolle, Gesine Wilkens und Tönjes Hinrich Stolle.
Drei Tage nach Johann Hinrichs Geburt feiert am Surrey Theatre in London die erste Bühnenfassung der von Charles Dickens erst im Dezember 1843 veröffentlichten Novelle „A Christmas Carol“ Premiere. Fast zeitgleich starten in der englischen Hauptstadt mehrere konkurrierende Theater-Produktionen – ein Beleg dafür, dass der für seine sozialkritischen Stoffe bekannte Autor offenbar den Nerv der Zeit getroffen hat. Dickens erzählt vom ebenso geizigen wie herzlosen Geldverleiher Ebenezer Scrooge, dem in der Weihnachtsnacht neben dem Geist seines verstorbenen Teilhabers Jacob Marley drei weitere Gespenster erscheinen. Indem sie Scrooge mit Szenen aus der Vergangenheit und der Zukunft konfrontieren, stellen sie sein Leben komplett auf den Kopf: Er erwacht am nächsten Morgen im festen Willen, ein besserer Mensch zu werden.
Die bis heute vielfach adaptierte Weihnachtsgeschichte erscheint noch im selben Jahr auf Deutsch. Es ist nicht das einzige Stück Weltliteratur, das 1844 zwischen Konstanz und Königsberg erstmals den Weg zum Leser findet. Das zweite, „Deutschland. Ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine, muss dafür im September allerdings einen Umweg nehmen: Um eine Lücke bei den Zensur-Bestimmungen zu nutzen, veröffentlicht der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe das satirische Vers-Epos zunächst im Rahmen eines auch andere Texte enthaltenden Gedichts-Bands. Heine, seit 1831 im Exil in Paris lebend, schildert darin eine im Spätherbst 1843 unternommene Reise zu seiner Mutter nach Hamburg und spart nicht mit beißender Kritik an den politischen Zuständen im von Preußen und Österreich dominierten Deutschen Bund.
Heines im Grunde genommen optimistische Botschaft, die Menschen in seiner Heimat hätten etwas Besseres verdient, kommt wie nicht anders zu erwarten kaum zur Geltung. „Deutschland. Ein Wintermärchen“ gilt östlich des Rheins lange Zeit als Schmähschrift eines Vaterlandsverräters. Schon Anfang Oktober 1844 wird das Werk in Preußen verboten und beschlagnahmt, König Friedrich Wilhelm IV. erlässt sogar einen Haftbefehl gegen den inzwischen nach Paris zurückgekehrten Autor. Als vier Jahre später mit der Märzrevolution tatsächlich kurz Hoffnung auf ein neues, demokratisches Deutschland aufkeimt, ist Heine bereits von Krankheit gezeichnet. Bis zu seinem Tod Anfang 1856 bleibt er bettlägerig.
Wie Johann Hinrich und seine Familie in Hurrel die Jahre des Vormärz und die der Revolution folgende Reaktions-Ära erleben, lässt sich nur vage erahnen. Vieles aus dieser Zeit liegt heute im Dunkeln – selbst der genaue Wohnort im Dorf. Es könnte ein 1662 erstmals erwähnter Hof am Brink sein, für den 1807 Johann Hinrichs Großvater Johann Dierk Stolle als Eigentümer genannt ist (heute: Hartmut und Ute Stolle). Gut möglich, dass später Johann Hinrichs Eltern diesen Hof bewirtschaften. Falls ja, dann aber seit 1855 nur noch als Pächter: Neuer Eigentümer ab jenem Jahr ist nämlich Tönjes Hinrich Wübbenhorst. Vier Jahre später erbt Wübbenhorsts in Munderloh lebende Tochter Anna Gesine Harms besagten Hof. Deren Ehemann Johann Harms wiederum verkauft ihn 1878 oder 1879 an Johann Hinrichs älteren Bruder Gerhard Hinrich.
Als Heinrich Heine am 17. Februar 1856 in Paris stirbt, besucht Johann Hinrich bereits seit einigen Jahren die Volksschule im Nachbardorf Lintel. Sein jüngster Bruder Tönjes Hinrich ist gerade fünf Jahre alt geworden, der nächstjüngere Bruder Ehlert Diedrich – ein Zwillingsbruder der einzigen Schwester Gesine – lebt da schon nicht mehr. In Lintel gehören neben Gesine und dem 1841 geborenen Bruder Ehlert Heinrich unter anderem Catharine Barkemeyer, Diedrich Barkemeyer, Meta Tönjes, Anna Gesine Wiedau, Anna Witte und Hermann Heinrich Wübbenhorst zu Johann Hinrichs in etwa gleichaltrigen Mitschülern.
Wo Johann Hinrich die ersten Jahre nach Schulentlassung und Konfirmation verbringt, lässt sich ebenfalls nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Danach leistet er jedoch allem Anschein nach seinen Wehrdienst beim Oldenburgischen Infanterie-Regiment Nr. 91 ab und gehört zu jenen Mitgliedern der Oldenburgisch-Hanseatischen Brigade, die im Sommer 1866 auf preußischer Seite am Preußisch-Österreichischen Krieg teilnehmen. Im Rahmen des Main-Feldzugs kommt es am 24. Juli 1866 in der Nähe von Tauberbischofsheim zu einem Gefecht zwischen oldenburgischen und badischen Truppen, das auf oldenburgischer Seite neun Tote und 20 Verletzte fordert.
Johann Hinrichs Name steht nicht auf der entsprechenden Verlustliste – gehört er zu jenen elf nur leicht Verwundeten, die zunächst bei der Truppe verbleiben und deshalb nicht aufgeführt sind? Wird er zu einem späteren Zeitpunkt verletzt oder krank? Wie auch immer, in die Heimat kehrt er nicht zurück: Johann Hinrich stirbt am 3. September 1866 in einem Militärhospital in Neudenau, 60 Kilometer südwestlich von Tauberbischofsheim. Dort ist er einen Tag nach seinem Tod auch beerdigt.