Anna Gesine Barkemeyer wird am 15. Mai 1847 als zweites Kind von Hinrich Wiedau und Ahlke Margarete Wiedau auf dem elterlichen Hof an der heutigen Pirschstraße in Hurrel (heute: Heinz und Alke Brinkmann) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Anna Catharina Wiedau und die ältere Schwester von Meta Catharina Wiedau, Hinrich Wiedau, Ahrend Diedrich Wiedau, Hermann Wiedau, Bernhard Wiedau , Johann Diedrich Wiedau und Anna Adeline Schwarting.
Anna Gesines Geburtstag ist untrennbar mit einem Stück deutscher Eisenbahn-Geschichte verbunden: Am 15. Mai 1847 rollt erstmals ein Zug mitten durchs Ruhrgebiet. Nachdem die 1843 gegründete Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft die im Dezember 1845 eröffnete Teilstrecke von Deutz nach Düsseldorf schon im Februar 1846 bis Duisburg erweitert hatte, geht es nun über Oberhausen, Altenessen, Gelsenkirchen, Wanne, Herne, Dortmund und Kamen weiter bis nach Hamm. Die Endstation Minden wird erstmals am 15. Oktober 1847 angefahren, am gleichen Tag nimmt auch die Strecke Hannover-Minden den Betrieb auf. Fortan hat die damals knapp 9.000 Einwohner zählende Provinzhauptstadt Dortmund nicht nur im Westen Anschluss an Paris, sondern überdies im Osten an Berlin und Stettin, im Norden an Harburg und im Süden – über Breslau – an Wien.
Zwölf Jahre nach der Jungfernfahrt der legendären Dampflokomotive „Adler“ von Nürnberg nach Fürth herrscht eine große Euphorie für das neue Fortbewegungsmittel. Überall im Deutschen Bund kämpfen in den Rathäusern die Verantwortlichen darum, dass ihre Stadt oder Gemeinde einen eigenen Bahnhof erhält und so vom erhofften Aufschwung profitiert. Der in den meisten Fällen auch eintritt: Ohne Eisenbahn-Anschluss etwa wäre der um 1850 einsetzende rasante Aufstieg des Ruhrgebiets zur „Herzkammer der deutschen Industrie“ wohl um einiges langsamer verlaufen.
Doch es gibt auch Rückschläge. Der aufsehenerregendste ereignet sich Anfang 1851 ausgerechnet auf der Stammstrecke der Köln-Mindener Eisenbahn, als am 21. Januar zwischen Bielefeld und Gütersloh ein bis zu 80 Stundenkilometer schneller Reisezug entgleist. Beim ersten Zugunglück auf deutschem Boden mit mehreren Toten sterben neben dem Lokführer auch der Heizer und ein Passagier, es gibt zudem acht Verletzte. Besondere Aufmerksamkeit ruft der Vorfall unter anderem deshalb hervor, weil es sich bei einem der Verletzten um Prinz Friedrich Wilhelm handelt, den Neffen des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. und späteren deutschen Kaiser Friedrich III. – er trägt eine stark blutende, aber im Endeffekt doch harmlose Wunde am Hinterkopf davon. Als ursächlich für den Unfall gilt ein unmittelbar im Anschluss behobener Konstruktionsfehler des Lokomotiven-Typs. Nachhaltig erschüttern kann er das Vertrauen in die Eisenbahn nicht.
Im Großherzogtum Oldenburg, zu dem Anna Gesines Geburtsort Hurrel gehört, beginnt das Eisenbahn-Zeitalter erst im Juli 1867 mit Fertigstellung der Bahnstrecke Oldenburg-Bremen. Bis dahin ist man ausschließlich mit Pferd und Wagen unterwegs – oder eben zu Fuß. So wie Anna Gesine auf ihrem täglichen Weg zur Schule, der sie ins Nachbardorf Lintel führt. Dort gehören aus Hurrel neben Schwester Meta Catharina unter anderem Catharine Barkemeyer, Gesine Haverkamp, Gesine Stolle und Meta Tönjes zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen. Ihre nur 14 Monate ältere Schwester Anna Catharina ist dagegen ebenso wenig dabei wie die jüngeren Geschwisterkinder Ahrend Diedrich und Hermann: Alle drei sind bereits im Säuglingsalter verstorben. Im November 1858 stirbt auch der erst vier Monate zuvor geborene Bruder Johann Diedrich. Über die jeweilige Todesursache gibt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude keine Auskunft.
Der von Anna Gesines Eltern bewirtschaftete Hof an der heutigen Pirschstraße gehört mit einer Fläche von rund 35 Hektar zu den größten des Dorfes. Realistische Chancen, ihn eines Tages zu übernehmen, hat sie angesichts des in Hurrel geltenden Jüngstenrechts und mit zwei in der Erbfolge vor ihr stehenden Brüdern allerdings nicht. Da im Januar 1862 auch Mutter Ahlke Margarete stirbt, arbeitet Anna Gesine aber nach Schulabschluss und Konfirmation sehr wahrscheinlich trotzdem weiter im väterlichen Betrieb mit und kümmert sich nebenbei um die beiden jüngsten, beim Tod der Mutter erst fünf und zwei Jahre alten Geschwister Bernhard und Anna Adeline.
Wann Anna Gesine den Wiedau-Hof verlässt, liegt heute im Dunkeln. Möglicherweise erst im November 1875 nach der Hochzeit mit Hermann Barkemeyer, dem ältesten Bruder ihrer inzwischen ebenfalls verstorbenen Schulkameradin Catharine Barkemeyer. Hermann gehört zur ersten Siedler-Generation im nördlich von Hude gelegenen Hochmoor – sein zehn Jahre zuvor begründeter Hof an der späteren Königstraße wird zu Anna Gesines neuem Zuhause. Allerdings nur für kurze Zeit: Anna Gesine stirbt am 13. Juni 1877 bei der Geburt ihres einzigen Kindes Georg Hinrich. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.