Diedrich Georg Lüers wird am 25. November 1887 als drittes Kind von Hermann Lüers und Mathilde Lüers in Hurrel geboren. Er ist der jüngere Bruder von Anna Runge und Katharine Dreischmeier und der ältere Bruder von Rosa Buck, Claire Vèbre, Adele Raschen, Amalie Oldenburg und Martha Wachtendorf.
Sechs Tage vor Diedrichs Geburt kommt es im Ärmelkanal bei dichtem Nebel zu einer folgenschweren Kollision. Weil es ihm angesichts der Wetterverhältnisse zu gefährlich erscheint, seine Fahrt Richtung Saint-Nazaire fortzusetzen, gibt der Kapitän des britischen Kohledampfers „Rosa Mary“ am Abend des 19. November rund vier Seemeilen vor Dover Befehl, Anker zu setzen. Gegen 23.00 Uhr erreicht das niederländische Passagierschiff „W.A. Scholten“ die Stelle. Dessen Besatzung erkennt das möglicherweise nicht ausreichend beleuchtete Hindernis zu spät und kann den Aufprall nicht mehr verhindern. Er reißt der „W.A. Scholten“ ein mehrere Meter breites Loch in die Backbord-Seite ihres Bugs, durch das große Mengen Seewasser in den Rumpf strömen.
Der Ozeandampfer, der seit 1874 die Auswanderer-Route Rotterdam–Plymouth–New York bedient, hat inklusive Besatzung 210 Menschen an Bord. Die meisten von ihnen stürmen sofort in Panik an Deck. Im allgemeinen Durcheinander stellt sich heraus, dass nur zwei Rettungsboote einsatzbereit sind. In der Folge spielen sich dramatische Szenen ab, erste Passagiere springen über Bord in die eiskalten Fluten. Nur 20 Minuten nach der Kollision kentert die „W.A. Scholten“ und sinkt. Insgesamt sterben bei dem Unglück 132 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder. Einige der Überlebenden berichten später, Schwächere seien bei der Belegung der Rettungsboote von Mitgliedern der Besatzung rücksichtslos zur Seite gedrängt worden.
Ob sich einige der Überlebenden dafür vor Gericht verantworten müssen, liegt heute im Dunkeln – ebenso, ob der Untergang der „W.A. Scholten“ 1887 in Hurrel und anderen Dörfern des Großherzogtums Oldenburg ein Gesprächsthema ist. An Auswanderungswilligen mangelt es in der Region nach wie vor nicht, und etliche Oldenburger haben bereits Verwandte in den USA. Das gilt auch für Diedrichs Familie in Hurrel: Mit Beta Mönnich und Gesine Meyer sind 1869 zwei Schwestern seines Großvaters Röbe Haverkamp denselben Weg gegangen, allerdings mit Bremerhaven als Ausgangspunkt statt Rotterdam.
Röbe Haverkamp selbst lebt im November 1887 bereits seit zwei Jahren nicht mehr – was übrigens einer der Gründe dafür sein dürfte, dass Diedrich in Hurrel zur Welt kommt. Denn um Röbes Witwe Catharine und deren noch minderjährige Kinder zu unterstützen, sind Diedrichs nach der Heirat zunächst in Tweelbäke wohnenden Eltern 1885 auf Catharines heute nicht mehr bestehenden Hof an der Hurreler Straße gezogen (Eigentümerin des ganz in der Nähe errichteten Neubaus: Inge Molde). Hoferbe Georg, der jüngste Bruder von Diedrichs Mutter Mathilde, ist damals erst acht Jahre alt.
Weil Georg jedoch mit jedem weiteren Lebensjahr in seine künftige Rolle hineinwächst, bleibt Diedrich nur relativ kurz in Hurrel. Kurz vor der Geburt der drittjüngsten Tochter Adele im August 1893 zieht die Familie auf einen Pachthof im rund 15 Kilometer entfernten Immer. Dort wächst Diedrich mit den am Ende sieben Schwestern auf und besucht sehr wahrscheinlich ab Frühjahr 1894 die örtliche Volksschule.
Inwieweit Diedrich als einziger Sohn im Alltag der Familie eine besondere Stellung einnimmt, ist nicht überliefert. Er wird jedoch von frühen Kindesbeinen an in die oft beschwerliche Hof- und Feldarbeit eingebunden sein. Mit zunehmendem Alter dann entsprechend mehr – auch, weil die älteren Schwestern bald nach ihrem Schulabschluss den elterlichen Pachthof verlassen.
Bis 1911 ziehen Hermann und Mathilde Lüers noch zweimal um – kurz nach der Jahrhundertwende von Immer nach Kirchkimmen und dann von Kirchkimmen nach Vielstedt. Auch auf den am jeweils neuen Wohnort gepachteten Höfen geht Diedrich seinen Eltern weiter zur Hand. Irgendwann zwischen 1909 und 1914 leistet er zudem in Oldenburg seinen Wehrdienst ab. Eines von zwei in der Familie erhaltenen Fotos zeigt ihn in schmucker Ausgehuniform, aufgenommen im 1895 direkt neben den Kasernen am Pferdemarkt eröffneten Fotostudio von Carl Brüning.
Welche Zukunftspläne Diedrich zu dieser Zeit auch immer haben mag, der Erste Weltkrieg durchkreuzt sie. Als Mitglied der Ersatzreserve Erster Klasse gehört er zu jenem Kreis, der im Zuge der deutschen Kriegserklärungen an Russland und Frankreich der am 1. August 1914 um 17 Uhr verkündeten Generalmobilmachung unterliegt. Vielleicht ist er bereits dabei, als zwölf Tage später tausende Soldaten vom Pferdemarkt zum Hauptbahnhof marschieren und von dort aus an die Front fahren.
Wohin es Diedrich in den ersten Kriegsmonaten verschlägt, lässt sich heute nicht mehr im Einzelnen rekonstruieren. Er gehört der 6. Kompanie des in Oldenburg aufgestellten Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 79 an und wird spätestens ab Sommer 1915 an der Westfront eingesetzt. Bei den Kämpfen in den Argonnen wird Diedrich schwer verwundet und zunächst in eines der vor Ort eingerichteten Feldlazarette gebracht. Er stirbt am 25. September 1915 an den Folgen seiner Verwundung, der Ort der Bestattung ist unbekannt.