Annchen Catharine Hartmann wird am 7. Januar 1863 als viertes oder fünftes Kind von Hinrich Hartmann und Anna Catharine Hartmann auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Michael und Sara Westphal) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Gesine Catharine Hartmann, Johann Heinrich Hartmann und Georg Hartmann und die Zwillingsschwester von Catharine Sophia Aline Hartmann. Mit Georg Hinrich Hartmann hat sie darüber hinaus noch einen 1866 geborenen jüngeren Bruder.
Eine Woche vor Annchen Catharines Geburt tritt in den USA die Emanzipations-Proklamation in Kraft. Sie geht auf Nordstaaten-Präsident Abraham Lincoln zurück und gesteht allen auf dem Territorium der Konföderierten Staaten von Amerika festgehaltenen Sklaven zu, „fortan und für immer“ frei zu sein. An eine praktische Umsetzung ist freilich zunächst nicht zu denken: Seit April 1861 zerreißt ein mörderischer Bürgerkrieg das Land, und weder Konföderierten-Präsident Jefferson Davis noch irgendjemand sonst in den abtrünnigen Staaten des Südens denkt daran, der Order Folge zu leisten.
Lincoln selbst misst der Abschaffung der Sklaverei ebenfalls keine sonderlich hohe Bedeutung bei. Ihm geht es zuvorderst darum, die Einheit der Nation wiederherzustellen – und dabei scheint ihm dieses seit Jahrzehnten kontrovers diskutierte Thema anfangs sogar hinderlich zu sein. Fürchtet er doch, dass sich bei einer allzu offensiven Positionierung in der Sklavenfrage noch weitere bis dato treu zur Einheit stehende US-Staaten den Konföderierten anschließen werden. In einigen Nordstaaten wie Delaware oder Maryland ist die Sklaverei schließlich ausdrücklich erlaubt, und von einer Gleichberechtigung zwischen weißen und schwarzen Amerikanern wollen auch im Norden nur die wenigsten etwas hören. Lincoln inbegriffen: Er sieht die Zukunft befreiter Farbiger nach dem Krieg eher in einer eigenen, noch zu gründenden Kolonie irgendwo im amerikanischen Niemandsland denn als Nachbarn weißer US-Bürger in New York, Chicago oder Philadelphia.
Auf dem Weg dorthin verspricht sich Lincoln durch seine Initiative gleichwohl taktische Vorteile. Zum einen hofft er darauf, dass möglichst viele im Süden festgehaltene Sklaven nichts unversucht lassen werden, dem erzwungenen Arbeitseinsatz auf den Baumwoll- und Tabakfeldern zu entkommen – eine Schwächung der Wirtschaftskraft des Gegners. Dieses Kalkül geht auf, und nicht nur das: Zehntausende Geflüchtete schließen sich, einmal im Norden angekommen, deren Streitkräften an. Sie kämpfen in speziell aufgestellten Farbigen-Regimentern gegen die Südstaaten-Truppen und stellen angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten, weiße Freiwillige zu rekrutieren, militärisch eine durchaus willkommene Verstärkung dar. Zum anderen sichert die Emanzipations-Proklamation den Nordstaaten aufgrund ihres moralischen Charakters im Ausland Unterstützung, die sie andernfalls möglicherweise nicht bekommen hätten. So hatten etwa die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs vorwiegend aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus eine Zeitlang erwogen, zu Gunsten der Südstaaten in den Konflikt einzugreifen. Die öffentliche Meinung in beiden Ländern macht nun allerdings einen solchen Schritt gegen den „Sklavenbefreier“ Lincoln so gut wie unmöglich.
Noch bevor in Hurrel Annchen Catharine und ihre Zwillingsschwester laufen lernen, sorgt im Juli 1863 die Niederlage der Konföderierten in der Schlacht von Gettysburg für eine Vorentscheidung im Bürgerkrieg. Trotzdem dauert es noch bis zum Frühjahr 1865, ehe Südstaaten-Oberbefehlshaber Robert Lee nach dem Gefecht bei Appomattox Court House endgültig kapituliert. Dass als Ergänzung seiner Emanzipations-Proklamation der im Dezember 1865 in Kraft tretende 13. Zusatzartikel zur Verfassung die Sklaverei auf dem gesamten Staatsgebiet der USA endgültig abschafft, erlebt Abraham Lincoln nicht mehr mit: Er fällt am 14. April 1865 in Washington als erster US-Präsident in der Geschichte einem Mordanschlag zum Opfer.
Nicht nur in den USA wird in Annchen Catharines erster Lebens-Dekade Geschichte geschrieben, sondern auch in ihrer Heimat: So entsteht 1867 nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg mit dem Norddeutschen Bund der erste Bundesstaat auf deutschem Boden, dem im Januar 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg die Ausrufung des Deutschen Reiches folgt. Zu diesem Zeitpunkt besucht Annchen Catharine bereits die gemeinsam mit dem Nachbardorf betriebene Volksschule in Lintel, wo neben ihrer Zwillingsschwester unter anderem Anna Galdas, Catharine Harfst, Christine Janzen, Meta Schweers, Sophie Tönjes und Sophie Friederike Voigt sowie anfangs – bis zu deren Scharlach-bedingtem Tod im Mai 1873 – Meta Gesine Heinemann zu den in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen gehören.
Aus Lintel stammt Annchen Catharines 1855 verstorbener Großvater Johann Hinrich Hartmann. Er hat 1834 von seinem Schwiegervater Bernd Barkemeyer den seither von der Familie bewirtschafteten Hof am Hurreler Brink übernommen, den später einmal Annchen Catharines 1860 geborener Bruder Georg weiterführen wird. Die Übergabe erlebt sie selbst nicht mehr: Annchen Catharine stirbt bereits am 4. September 1876. Als Todesursache nennt das Kirchenbuch der Gemeinde Hude „Brustkrankheit“ – ein Hinweis auf die in jenen Jahren in Hurrel und den Nachbardörfern allgegenwärtige und zu jener Zeit unheilbare Volkskrankheit Tuberkulose. Beerdigt ist Annchen Catharine vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.