Marta Haverkamp – Biographie

Marta Haverkamp wird am 15. Juli 1905 als drittes Kind von Heinrich Nehls und Mathilde Nehls auf dem elterlichen Hof in Vielstedt geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Alma Nehls und Hinrich Nehls und die ältere Schwester von Karl Nehls und Lina Nehls.

Vier Tage vor Martas Geburt starten in New York 33 Automobile zu einer wilden Querfeldein-Rallye, die ihre Lenker bis zum 22. Juli ins rund 550 Kilometer nördlich gelegene Bretton Woods führt und wieder zurück. Benannt ist das Glidden Tour getaufte Spektakel nach seinem Sponsor, dem ehemaligen Geschäftsmann Charles Jasper Glidden. Der Privatier – ein früherer Partner des Telefon-Pioniers Alexander Graham Bell – hat es sich in den Kopf gesetzt, dem in den USA bislang vor allem als Spielzeug der Reichen und Schönen angesehenen Automobil zum Durchbruch als massentauglichem Verkehrsmittel zu verhelfen. Zu diesem Zweck hat er bereits 1902 mit seiner Ehefrau und einem Mechaniker in einem Wagen der britischen Firma Napier & Son eine spektakuläre Reise unternommen, die über 75.000 Kilometer durch 39 Staaten führte.

Landesweite Aufmerksamkeit erlangt die Rallye vor allem durch Joan Newton Cuneo. Die Ehefrau eines New Yorker Bankiers, die sich selbst als „verrückt nach Geschwindigkeit“ charakterisiert, ist die einzige weibliche Teilnehmerin. Von der als Veranstalterin auftretenden American Automobile Association (AAA) als Frau zunächst abgelehnt, beruft Cuneo sich erfolgreich auf deren Statuten („Wo bitte schön steht das?“) und wird daraufhin höchst widerwillig doch zugelassen. Auch wenn sie am Ende mit dem Sieg nichts zu tun hat, dient die Teilnahme Cuneo als Sprungbrett zu einer kurzen, aber eindrucksvollen Rennfahrer-Karriere. Diese endet allerdings im Frühjahr 1909 nach diversen Geschwindigkeits-Rekorden ziemlich abrupt, als die AAA ganz offiziell beschließt, bei künftigen Rennen unter ihrer Regie keine Frau mehr zu akzeptieren.

Noch ein zweites, heute nahezu vergessenes Ereignis der amerikanischen Geschichte fällt in die Woche vor Martas Geburtstag: Vom 11. bis zum 14. Juli 1905 treffen sich in der kanadischen Stadt Fort Erie unter Leitung des Soziologen William Du Bois 32 Afroamerikaner, um eine Strategie gegen die in den USA praktizierte Rassentrennung zu entwickeln. Sie gründen die Niagara-Bewegung, die fortan dafür kämpft, allen Einwohnern die gleichen bürgerlichen Freiheiten zu gewähren. Im Februar 1909 geht die Bewegung in der noch heute bestehenden National Association for the Advancement of Colored People auf.

In Vielstedt wiederum kündigt sich im Frühjahr 1909 in Martas Familie zum fünften und letzten Mal Nachwuchs an: Am 16. November kommt Schwester Lina zur Welt. Mit ihr und dem 1906 geborenen Bruder Karl wächst Marta in den folgenden Jahren auf – die beiden älteren Geschwister, die Zwillingskinder Alma und Hinrich, sind bereits im Herbst 1903 als Säuglinge verstorben. Im Januar 1913 erliegt überdies Mutter Mathilde mit nur 36 Jahren den Folgen einer Lungenentzündung. Das Ende des anderthalb Jahre später ausbrechenden Ersten Weltkriegs erlebt auch Lina nicht: Sie stirbt Anfang Januar 1918 nach kurzer Krankheit. Sehr wahrscheinlich sind die beiden letztgenannten Todesfälle der Grund dafür, dass Marta und Karl zeitlebens ein besonders enges Band verbindet.

Nach dem Tod der Mutter hilft Marta nach Kräften, die 1863 gekaufte, rund 15 Hektar große Landwirtschaft am Vielstedter Kirchweg am Laufen zu halten. Auch nach dem Abschluss der achtjährigen Volksschule in Vielstedt bleibt sie zunächst weiter auf dem Hof – ob sie zwischenzeitlich oder danach noch bei einem anderen Bauern in der näheren Umgebung in Stellung geht, ist heute in der Familie nicht mehr bekannt. Aktenkundig ist dagegen das Datum ihrer Hochzeit mit Emil Haverkamp aus Hurrel: Beide treten am 26. Oktober 1934 in Hude vor den Traualtar. Anschließend zieht Marta auf den Hof ihres Ehemannes am Vossbarg, den dieser zusammen mit seiner Mutter Annchen Sparke und deren zweitem Ehemann Georg Sparke bewirtschaftet (heute: Erwin und Christa Haverkamp).

Das Leben auf dem Haverkamp-Sparke-Hof verläuft in den ersten Jahren nicht immer stressfrei. Vor allem die regelmäßigen, stets ohne seine Ehefrau angetretenen Kuren des angeheirateten Schwiegervaters in Bad Nauheim sorgen bei Marta, die schon bald nach dem Einzug die Buchführung des Hofes übernimmt, für Verdruss. Nach dem Tod der Schwiegermutter im November 1936 kommen Erbstreitigkeiten hinzu. Doch die Zeiten im seit Anfang 1933 von den Nationalsozialisten regierten Dritten Reich bleiben auch nach Abflauen der Weltwirtschaftskrise hart, und so arrangiert man sich – zumal kurz darauf Familienzuwachs ansteht: Im Juli 1937 wird Martas und Emils Tochter Elfriede geboren.

Nach dem durch den Überfall auf Polen provozierten Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 ist Marta froh, dass Emil, der unter gelegentlichen Asthma-Anfällen leidet, zunächst nicht zur Wehrmacht eingezogen wird. So kann er ihr auch bei der Geburt des zweiten Kindes Ewald im Juli 1941 beistehen. Erst Anfang 1945 muss Emil doch noch zum Volkssturm ausrücken, kehrt aber von seinem Einsatz in einer Flugabwehrstellung an der Nordsee unversehrt zurück.

Nach Kriegsende müssen Marta, Emil, Georg und die beiden Kinder mit der Einquartierung der aus Ostdeutschland geflüchteten Familie von Franz Röcker noch ein Stück enger zusammenrücken. In den folgenden Jahren trägt Marta wesentlich zum Lebensunterhalt bei, indem sie den stetig wachsenden Geflügelbestand des Hofes betreut und regelmäßig zum Markt nach Oldenburg fährt, um dort Eier, Hühner und Gänse zu verkaufen. Im Juli 1953, einige Monate nach dem Tod von Georg Sparke, wird der Hof auf Emil überschrieben. Marta bleibt jedoch weiter für die Buchführung zuständig und ist in den folgenden zwei Jahrzehnten diejenige in der Familie, die am besten bis ins Detail über jedes einzelne gehaltene Stück Vieh berichten kann.

Zum ersten Mal jäh unterbrochen wird Martas Schaffensdrang Mitte der 70er Jahre, als sie einen Schlaganfall erleidet. Trotz kurzfristigem Gedächtnisverlust erholt sie sich schnell wieder und arbeitet auf dem mittlerweile an Ewald und dessen Frau Adda verpachteten Hof weiter wie bisher – bis sie einige Jahre später die Diagnose Krebs bekommt. Auch diese Krankheit überwindet Marta jedoch, so dass sie nach der Juni 1980 erfolgten Hofübergabe an Ewald zusammen mit Emil ihren Ruhestand genießen und im Oktober 1984 Goldene Hochzeit feiern kann. Danach lassen ihre Kräfte allmählich nach: Marta stirbt am 14. August 1987 an Altersschwäche und wird vier Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude begraben.