Wilhelm Fenske wird am 1. Juli 1893 als jüngstes von drei Kindern in Svograd geboren, einem kleinen Dorf im Nordwesten der heutigen Ukraine (Region Wolhynien). Er ist der Sohn von Friedrich Fenske, die Vornamen der Mutter und der beiden Geschwister sind in der Familie nicht mehr bekannt.
In den Wochen nach Wilhelms Geburt eskalieren die schon seit längerem anhaltenden handelspolitischen Spannungen zwischen dem Deutschen Reich und Russland – beide Staaten liefern sich einen regelrechten Zollkrieg. Er entzündet sich an Russlands Forderung, bei der Einfuhr von Waren nach Deutschland dieselben Vergünstigungen zu erhalten wie andere Staaten. So fällt für Importweizen aus Österreich-Ungarn, Italien, Großbritannien, den USA oder Argentinien pro 100 Kilogramm Getreide nur ein Tarif von 3,50 Mark an, während Russland 1,50 Mark mehr zahlen muss. Zu einer solchen Konzession ist aber die deutsche Regierung unter Reichskanzler Leo von Caprivi nicht ohne Gegenleistung bereit: Zu tief sitzt inzwischen der Ärger über die in den vorangegangenen Jahren sprunghaft gestiegenen russischen Zölle auf deutsche Waren.
Nachdem es den ganzen Juli hindurch bei wechselseitigen Drohungen und zaghaften Einigungsversuchen bleibt, erhöht Russland am 1. August 1893 die Zölle auf deutsche Fertigerzeugnisse um 30 Prozent, auf Halbfabrikate um 20 Prozent und auf Kolonialwaren um 15 Prozent. Deutschland antwortet umgehend mit einer zusätzlichen Abgabe von 50 Prozent auf alle russischen Einfuhren. Daraufhin legt Russland seinerseits noch einmal um 50 Prozent nach und erhöht überdies die Hafenabgaben für deutsche Schiffe von 2,5 auf 50 Kopeken pro Tonne.
Der gegenseitige Schlagabtausch verfehlt seine Wirkung nicht. In den folgenden Wochen verliert Russland seine Stellung als führender Getreide-Lieferant nach Deutschland, umgekehrt bricht der deutsche Export nach Russland ein. So siegt schließlich die Vernunft: Am 1. Oktober 1893 nehmen die Delegationen beider Länder in Berlin erneut Verhandlungen auf und unterschreiben schließlich am 10. Februar 1894 einen neuen Handelsvertrag.
Der Wirtschaftskrieg ist beendet, doch politisch finden Russland und Deutschland nicht wieder zueinander. Nachdem Kaiser Wilhelm II. bereits 1890 den drei Jahre zuvor von Otto von Bismarck geschlossenen Rückversicherungsvertrag hatte auslaufen lassen, wendet sich Russland auf der Suche nach neuen Partnern dem in Europa weitgehend isolierten Frankreich zu. Beide Staaten schmieden ein Zweierbündnis, das am 4. Januar 1894 in Kraft tritt. Ihm schließt sich im August 1907 auch Großbritannien an. Damit ist die Triple Entente komplett, die in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite massiv die Angst vor einer Einkreisung schürt.
Die sich zwischen 1890 und 1910 spürbar verschlechternden Beziehungen zwischen Deutschen und Russen bekommt auch Wilhelms Familie zu spüren. Seine vermutlich aus Pommern stammenden Eltern sind Mitte des 19. Jahrhunderts nach Wolhynien eingewandert, weil das russische Zarenreich zu jener Zeit wegen eines akuten Mangels an Arbeitskräften gezielt um deutsche Siedler wirbt. Diese leben in mehr als 300 Kolonien und betreiben vielerorts auch eigene Kirchspiele und Schulen. Nach dem Besuch einer dieser Schulen arbeitet Wilhelm als Kutscher bei einem Pastor in der Nähe seines Heimatdorfes.
Weil aber die russischen Behörden um die Jahrhundertwende herum damit beginnen, die den Wolhyniendeutschen zugestandenen Freiheiten Stück für Stück zu beschneiden, kehren Wilhelm und seine Geschwister auf den Rat des Vaters bereits kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nach Deutschland zurück. Eine richtige Entscheidung, denn im Sommer 1915 siedeln die Russen innerhalb von nur zehn Tagen fast alle der rund 240.000 in dem Gebiet lebenden Deutschen in Richtung Osten um. Dadurch reißt der Kontakt zu den Eltern ab, ihr genaues Schicksal bleibt nach Kriegsende unerforscht.
Wilhelm verbringt den Krieg, an dem er nicht aktiv teilnimmt, in Eichort im Kreis Saatzig in Pommern. Ob er und seine Geschwister dort bei Verwandten untergekommen sind, ist nicht überliefert – ebenso wenig, wann genau er Minna Maciejewski kennenlernt und heiratet. Aus der Ehe geht im vorletzten Kriegsjahr 1917 Sohn Erich hervor, im April 1920 folgt Tochter Grete und im April 1923 Tochter Irmgard.
Unmittelbar nach Irmgards Geburt bahnt sich ein erneuter Ortswechsel an. Wilhelms Schwiegereltern Johann und Luise Maciejewski bewirtschaften einen kleinen Bauernhof im rund 500 Kilometer östlich von Eichort gelegenen, zu Ostpreußen gehörenden Grenzort Wilhelmshof, dessen Bewohner sich in der Volksabstimmung vom 11. Juli 1920 für die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich entschieden haben. Dorthin zieht die Familie und nimmt Quartier auf dem Gelände einer Ziegelei, wo Wilhelm in den folgenden Jahren als Fuhrmann arbeitet.
In Wilhelmshof bietet sich Wilhelm 1938 die Chance, auf Leibrente einen neu erbauten Bauernhof zu kaufen. Dessen kinderloser Besitzer stirbt bereits im Jahr darauf bei einem Verkehrsunfall, so dass Wilhelm dort viel früher als erwartet frei von irgendwelchen Lasten wirtschaften kann. Wie nahe Glück und Unglück oft beieinander liegen, erfährt er jedoch nur wenige Monate später: Unmittelbar nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 erhält er die Mitteilung, dass sein Sohn Erich im Verlauf des Polen-Feldzugs gefallen ist.
Ende 1944 wird Wilhelm, mittlerweile 51 Jahre alt, noch zum Volkssturm eingezogen. In den Wirren der letzten Kriegsmonate lernt er Hinrich Janzen aus Hurrel kennen, mit dem er im April 1945 nach Einsätzen in Pommern und Mecklenburg im niedersächsischen Munster in britische Kriegsgefangenschaft gerät. Da der Rückweg in die Heimat versperrt ist, bietet Hinrich ihm nach der Entlassung an, mit nach Hurrel zu kommen. Wilhelm willigt ein und arbeitet die folgenden Jahre auf dem Janzen-Hof (heute: Daniela und Hans Mertsch). Dort treffen im Frühjahr 1948 auch Ehefrau Minna, Tochter Grete und deren Sohn Manfred ein.
Im Jahr darauf pachtet Wilhelm mit seiner Familie ein der Gemeinde Hude gehörendes, an den Hof von Georg Wieting (heute: Edo und Klaus-Peter Wieting) grenzendes Grundstück an der B 75, das er mit dem ebenfalls aus Pommern stammenden Flüchtling Kurt Klingbeil und dessen Familie kultiviert. Dort wohnen beide Parteien in einer alten, zuvor auf dem Hof von Georg Tönjes (heute: Heiko Pflug) abgebrochenen Baracke. Seinen Lebensunterhalt verdient Wilhelm in dieser Zeit, indem er sich bei den Bauern in der Nachbarschaft als Tagelöhner verdingt.
Die letzten Lebensjahre verbringt Wilhelm zusammen mit Ehefrau Minna im hessischen Beiseförth, wohin es nach dem Krieg die jüngste Tochter Irmgard, deren Mann Hans und die Enkel Siegfried und Brigitte verschlagen hat. Im Frühjahr 1960 bezieht die sechsköpfige Familie dort ein Siedlungshaus, bei dessen Bau Wilhelm – mittlerweile Rentner – in den Monaten zuvor tatkräftig mitgeholfen hat. Indes, ein langer Ruhestand ist ihm nicht vergönnt: Er stirbt am 15. März 1963 an Krebs und wird wenige Tage später auf dem evangelischen Friedhof in Beiseförth beigesetzt.