Sophie Auguste Bleckwehl wird am 11. Februar 1875 als viertes Kind von Johann Witte und Sophia Witte in Dingstede geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Anna Catharine Gramberg, Heinrich Friedrich Witte und Johann Wilhelm Witte und die ältere Schwester von Wilhelm August Witte.
Eine Woche vor Sophies Geburt führt das Deutsche Reich die Zivilehe ein. Als rechtsgültig gelten fortan nur noch Ehen, die ein staatlicher Standesbeamter beurkundet hat. Darüber hinaus bedroht das neue, im Königreich Preußen bereits 1874 in Kraft getretene „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung“ Geistliche mit bis zu drei Monaten Haft, wenn sie ohne entsprechenden Nachweis eine kirchliche Trauung vornehmen. Damit erreicht der von Reichskanzler Otto von Bismarck seit der Reichsgründung 1871 geführte Kulturkampf gegen die katholische Kirche einen neuen Höhepunkt.
Wie zu erwarten, ist der Protest groß. Schließlich besitzt die Kirche in diesem wichtigen Lebensbereich seit Jahrhunderten eine Art Monopol: Ohne ihren Segen konnte in vielen Regionen bisher niemand eine Familie gründen – was zum Beispiel in Fällen, in denen die Partner verschiedenen Konfessionen angehören, immer wieder zu Schwierigkeiten führte. An Scheidung oder eine erneute Heirat war schon gar nicht zu denken. Beides erlaubt das neue Gesetz dagegen ausdrücklich.
In der Enzyklika Quod numquam erklärt Papst Pius IX. postwendend alle bislang im Kulturkampf erlassenen Bestimmungen für nichtig und ruft Bischöfe und Kardinäle zu zivilem Ungehorsam auf. Daraufhin erlässt Preußen im April 1875 das Brotkorbgesetz: Staatliche Zuschüsse erhalten künftig nur noch jene kirchlichen Einrichtungen, die die neuen Gesetze ausdrücklich anerkennen. Erst ab 1878 – Bismarck benötigt Bündnispartner für das von ihm vorbereitete Sozialistengesetz – kommt es zu einer Annäherung beider Seiten und vereinzelten Kompromissen. An den grundsätzlichen Regeln für die Zivilehe ändert sich jedoch nichts mehr.
Für die Menschen im Großherzogtum Oldenburg und damit auch in Sophies Geburtsort ist die Zivilehe bei ihrer reichsweiten Einführung 1875 nichts Neues mehr – dort gibt es sie schon seit 1855. Großen Anteil daran hat der Baptisten-Prediger Frerich Bohlken aus Halsbek, der sie im Revolutionsjahr 1848 eingefordert und so lange nicht lockergelassen hatte, bis Großherzog Peter II. ein entsprechendes Gesetz unterzeichnete. Zwar sträubte sich zunächst auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche gegen diese Reform, leistete aber deutlich weniger Widerstand als etwa das für die katholische Bevölkerung Südoldenburgs zuständige Bischöflich Münstersche Offizialat in Vechta.
Über Sophies Kinder- und Jugendjahre in Dingstede ist heute in der Familie nichts mehr bekannt – dasselbe gilt für ihren genauen Geburtsort. Großvater Wilke Witte hat bis zu seinem Tod 1860 einen Hof an der Kimmer Straße (heute: Silvia und Heino Hoffmann) bewirtschaftet, den danach Sophies Tante Gesine Catharine mit ihrem Ehemann Heinrich Twiestmeyer weiterführt. Gut möglich, dass Sophies Eltern dort arbeiten und sie mit ihren Geschwistern auf diesem Hof aufwächst. Sehr wahrscheinlich ab Frühjahr 1881 besucht sie dann die nur rund 500 Meter entfernt liegende örtliche Volksschule.
Schulabschluss und Konfirmation erlebt Sophie dann aber bereits in Hurrel. Darauf lässt zumindest der im Dezember 1888 erfolgte Sterbe-Eintrag für Mutter Sophia im Kirchenbuch der Gemeinde Hude schließen. Vielleicht haben ihre Eltern im Dorf damals jenen Hof gepachtet, den Vater Johann 1895 von Heinrich Janßen kauft (heute: Hans und Heike Burgmann). Wie lange Sophie bei ihrem Vater und den jüngeren Brüdern wohnt und bei welcher Gelegenheit sie ihren künftigen Ehemann Johann Bleckwehl aus Steinkimmen kennenlernt, liegt ebenfalls im Dunkeln.
Sophie und Johann heiraten am 3. April 1900. Ob Sophies zu diesem Zeitpunkt bereits todkranker Vater an der Feier noch teilnimmt, ist fraglich – er stirbt nur eine Woche später an Wassersucht. Den fünf Jahre zuvor gekauften Witte-Hof übernimmt daraufhin Sophies Bruder Johann Wilhelm. Sophie und Johann Bleckwehl wiederum ziehen auf den 1882 errichteten Altenteiler-Hof von Johann und Meta Ohlebusch an der Bremer Straße (heute: Angelika Mielke). Dort bringt Sophie am 29. März 1901 Sohn Johann Hinrich zur Welt, der allerdings nur zwei Tage lang lebt. Mit Martha (August 1902), einem weiteren, im Januar 1905 noch am Tag der Geburt namenlos verstorbenen Mädchen, Alma (September 1906), Emma Mathilde (Juni 1909) und Anni (März 1912) kommen insgesamt noch fünf Töchter hinzu. Aufwachsen sieht Sophie nur drei von ihnen: Emma Mathilde erliegt im Februar 1911 einer Lungenentzündung.
Als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, nimmt Johann von Beginn an daran teil – für die folgenden Jahre ist Sophie bei der Bewirtschaftung des rund acht Hektar großen Hofes weitgehend auf sich allein gestellt. Auch der Nebenverdienst aus Johanns kleiner Schuhmacher-Werkstatt fällt in dieser Zeit weg. Ob und wie stark Sophie bei seiner Rückkehr 1918 bereits unter Herzasthma leidet, lässt sich nur vermuten. In den ersten, wirtschaftlich äußerst schwierigen Jahren der Weimarer Republik dürfte die Krankheit jedoch schon relativ stark ihren Alltag bestimmen. Sophie stirbt am 31. Januar 1924, unmittelbar nach Ende der Hyperinflation und nur zwei Wochen vor ihrem 49. Geburtstag. Beigesetzt ist sie wenige Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.