… von Almuth Pannemann
Aufgezeichnet im Dezember 2016
Viele Erinnerungen an meine Mutter decken sich mit jenen an meinen Vater Heinrich und an die Zeit, die wir bis zu meiner Hochzeit 1967 gemeinsam in Goldenstedt und später dann in Hurrel verbracht haben, sie sind entsprechend dort nachzulesen. Über zwei weitere Episoden möchte ich an dieser Stelle aber noch zusätzlich berichten.
Im Jahr 1954 wurde das Waldschwimmbad in Hude eröffnet. Das war ein Grund für meinen Vetter Wilfried – mit ihm und seinem älteren Bruder Manfred bin ich bis zu unserem Umzug aufgewachsen – die Sommerferien in Hurrel zu verbringen. Meine Mutter meldete uns gleich zu einem Schwimmkurs an. Wir fuhren dann jeden Tag mit dem Fahrrad ins Waldschwimmbad. Doch der Sommer war kein schöner Sommer, es war meistens recht frisch. Die Wassertemperatur lag oft unter 20 Grad. Meine besorgte Mutter hat dann beim Bademeister angerufen und um den Abbruch des begonnenen Schwimmkurses gebeten. Der Bademeister hat sie aber beruhigt und meinte nur: „Die Kinder kommen jeden Tag und sind abgehärtet.“ Wir haben dann auch durchgehalten und waren nach erfolgreichem Abschluss glücklich.
Die zweite Episode führt in den Oktober des Jahres 2010. Wir hatten gerade den 90. Geburtstag geplant. Wenige Tage später stürzte meine Mutter und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es wurde ein Beckenbruch festgestellt, was bedeutete, dass meine Mutter zunächst Bettruhe brauchte. Nach zehn Tagen wurde sie in die Kurzzeitpflege entlassen. Ein Beckenbruch muss von alleine ausheilen. Die Ärzte machten meiner Mutter keine Hoffnung, in dem hohen Alter noch wieder laufen zu können. Sie verordneten einen Rollstuhl. Diesen Schicksalsschlag wollte meine Mutter eigentlich nicht hinnehmen. Nach ein paar Wochen besserte sich ihr Allgemeinzustand und Anfang des Jahres 2011 meinte meine Mutter, sie würde gerne mal probieren zu laufen.
Gesagt, getan. Ich habe sie mit dem Rollstuhl zum Handlauf im Flur geschoben und sie hat dann versucht, ein paar Schritte zu machen. Zunächst musste sie erst einmal die Angst vor einem erneuten Sturz überwinden, aber wir schafften schon ein paar Meter. Sie war ganz froh und sagte, morgen üben wir wieder.
Da ich meine Mutter ohnehin jeden Tag besuchte, wurden diese Laufübungen zu einem Ritual. Nach kurzer Zeit klappte es auch schon recht gut mit dem Rollator. Wir haben dann auch täglich die Trainingszeiten etwas gesteigert. Meine Mutter war überglücklich, sich doch noch ein wenig selbstständig mit dem Rollator oder abwechselnd mit dem Rollstuhl bewegen zu können. Somit war sie nicht ständig auf fremde Hilfe angewiesen. Wir haben dieses Training dann die weiteren Jahre beibehalten, wahrscheinlich kamen ihr auch ihre sportlichen Aktivitäten in der Jugend noch zugute.
Mir gab sie den Rat: „Wenn du mal alt bist und sich die ersten Wehwehchen einstellen, niemals aufgeben und immer wieder üben, üben, üben.“
Wenn sich jetzt mal nach getaner Gartenarbeit mein Rücken bemerkbar macht, denke ich immer an meine Mutter und an diesen Satz.