Wilhelmine Fenske – Rufname Minna – wird am 17. Oktober 1892 in Wilhelmshof im Kreis Ortelsburg in Ostpreußen geboren. Sie ist die Tochter von Johann Maciejewski und Luise Maciejewski und wächst mit insgesamt sechs Geschwistern auf.
Zehn Tage vor Minnas Geburt wagt der Münchner Chemie-Professor Max von Pettenkofer einen öffentlichen Selbstversuch: Er trinkt vor den Augen seiner Studenten mit Cholera-Erregern verseuchtes Wasser – weil er beweisen will, dass allein der Kontakt mit den Bakterien nicht ausreicht, um sich mit der potenziell tödlichen Krankheit anzustecken. Entscheidend ist Pettenkofers Theorie zufolge vielmehr die Bodenbeschaffenheit vor Ort, die erst im zweiten Schritt die Infektion auslöst. Wie in Hamburg, wo seit August 1892 eine Cholera-Epidemie Angst und Schrecken verbreitet. Oder eben auch nicht. Wie in München, wo bislang trotz vieler Zuzüge aus der Hamburger Region kein einziger Fall von Cholera aufgetreten ist.
Die Theorie ist falsch, wie kurz zuvor schon Pettenkofers Forscherkollege Robert Koch nachgewiesen hat. Trotzdem leidet der Professor nach seinem Selbstversuch nur einige Tage lang unter leichtem Durchfall. Warum er nicht ernsthaft erkrankt und deshalb umso stärker daran glaubt, auf dem richtigen Weg zu sein, lässt sich nur vermuten. Vielleicht hat er einfach Glück oder die Bakterienkultur, die er sich von Koch hat schicken lassen, entfaltet nach der Zucht im Labor nicht mehr ihre volle Wirkung. Eine andere mögliche Erklärung: Pettenkofer könnte bereits als Kind in Kontakt mit Cholera-Erregern gekommen sein und reagiert deshalb nur noch schwach auf die erneute Konfrontation.
Auch wenn sich Pettenkofer in diesem einen Punkt verrennt, so haben ihm die Münchner in puncto Seuchenbekämpfung doch einiges zu verdanken. Denn auf sein Drängen hin entsteht nach der Cholera-Epidemie von 1854 eine moderne Kanalisation – einer der Hauptgründe, warum die Stadt von weiteren Epidemien verschont bleibt. Hamburg hingegen versorgt seine Bürger mit Trinkwasser aus der Elbe, ohne es vorher genügend zu reinigen. Traurige Bilanz dieses vor allem aus finanziellen Erwägungen heraus begangenen Versäumnisses: Zwischen Mitte August und Ende Oktober 1892 fallen der Seuche mehr als 8.600 Menschen zum Opfer.
Obwohl die Cholera sehr wahrscheinlich von Osteuropa aus nach Hamburg eingeschleppt wird, sind in Minnas Heimat – klassisches Durchreiseland für russische Auswanderer Richtung Nordamerika und zwischen 1831 und 1873 viermal Seuchengebiet – für den Sommer 1892 keine gehäuften Krankheitsfälle überliefert. Minnas Eltern betreiben eine kleine Landwirtschaft, ihr Großvater Samuel Rachni arbeitet als Förster.
Da Wilhelmshof nur wenige Kilometer von der Grenze zu Kongress-Polen entfernt liegt, wächst Minna zweisprachig auf. Einer ihrer Brüder lässt sich – wie Tausende andere junge Ostpreußen – als Bergmann für das aufstrebende Ruhrgebiet anwerben und zieht 1902 nach Herten. Minna selbst verbringt nach Ende der Schulzeit mehrere Sommer lang im rund 900 Kilometer entfernten Salzgitter, wo sie als Saisonkraft bei der Rübenernte hilft.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 beendet das bis dato friedliche Nebeneinander von Deutschen, Polen, Masuren und Russen in der Grenzregion schlagartig. Gleich zu Beginn des Krieges fallen russische Truppen im südlichen Ostpreußen ein, woraufhin Minna mit mehreren ihrer Geschwister nach Pommern flieht. Obwohl deutsche Truppen die gesamte Provinz mit der gewonnenen Schlacht bei Tannenberg schon nach wenigen Wochen zurückerobern, kehrt Minna zunächst nicht in ihre Heimat zurück. Die folgenden Jahre verbringt sie in Eichort im Kreis Saatzig, wo sie ihren späteren Ehemann Wilhelm Fenske kennenlernt.
Wann genau Minna und Wilhelm heiraten, ist nicht überliefert. Ihr erstes Kind Erich wird 1917 geboren, gefolgt von den Töchtern Grete (1920) und Irmgard (1923). Weil der Kreis Ortelsburg nach einer im Juli 1920 durchgeführten Volkabstimmung bei Ostpreußen verbleibt, zieht die Familie kurz nach Irmgards Geburt nach Wilhelmshof zurück, wo Wilhelm fortan als Fuhrmann für eine Ziegelei arbeitet. Damit verbunden ist der Bezug einer Dienstwohnung auf dem Betriebsgelände, die in den kommenden Jahren Minnas Zuhause wird.
Ihren schon länger gehegten Traum von der Selbstständigkeit erfüllen sich Wilhelm und Minna, als sie 1938 in Wilhelmshof auf Leibrente einen Bauernhof übernehmen, dessen früherer Besitzer im Jahr darauf tödlich verunglückt. Finanziell ein Glücksfall, der jedoch vom Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Tod des einzigen Sohnes Erich überschattet wird. Er stirbt gleich in den ersten Wochen des Polen-Feldzugs. Im Januar 1941 stirbt auch Minnas seit 1927 verwitweter Vater, allerdings nicht durch Kriegseinwirkung. Neu zur Familie dazu kommen bis Juli 1943 die Enkelkinder Siegfried, Brigitte und Manfred.
Anders als im Ersten Weltkrieg bleibt Wilhelmshof lange von direkten Kriegshandlungen verschont. Deshalb suchen dort Ende 1944 beide Töchter mit ihren Kindern Zuflucht. Anfang 1945, Wilhelm ist mittlerweile zum Volkssturm eingezogen, rückt die Front jedoch immer näher. Schweren Herzens entschließt sich Minna mit ihrer Familie zur Flucht – die allerdings bereits nach 80 Kilometern von der Roten Armee gestoppt wird. Der anschließenden Rückkehr auf den Hof folgen harte Jahre der russischen Besatzung und nach Übergabe der Region an Polen schließlich im Herbst 1947 die Ausweisung.
Nach Zwischenstationen in einem Barackenlager nahe Berlin und in Weißenfels überquert Minna im Frühjahr 1948 mit Tochter Grete und Enkel Manfred bei Wittingen zu Fuß die Grenze zwischen der sowjetischen und der britischen Besatzungszone. Von dort aus reist sie mit dem Zug nach Hurrel, wo Wilhelm auf dem Hof von Hinrich Janzen (heute: Daniela und Hans Mertsch) untergekommen ist. Dem Wiedersehen mit ihrem Ehemann folgt einige Monate später der Umzug auf ein an der B 75 gelegenes, von der Gemeinde Hude gepachtetes Grundstück, auf dem alle vier zusammen mit der Familie von Kurt Klingbeil eine zuvor auf dem Hof von Georg Tönjes (heute: Heiko Pflug) abgebrochene Baracke beziehen.
Wie Wilhelm und Tochter Grete arbeitet auch Minna in den kommenden Jahren als Tagelöhnerin auf verschiedenen Hurreler Höfen, bevor sie Anfang 1960 mit ihrem Mann zur jüngeren Tochter Irmgard ins hessische Beiseförth zieht. Nach Wilhelms Tod im März 1963 kehrt sie noch einmal nach Hurrel zu Grete zurück. Im Haus von Enkel Manfred in Gifhorn finden beide Frauen dann 1969 eine endgültige Bleibe. Dort stirbt Minna, nachdem sie sich zunächst noch gut von einem 1981 erlittenen Oberschenkelhalsbruch erholt hat, am 11. Januar 1986 im Alter von 93 Jahren. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem evangelischen Friedhof in Beiseförth.