Mathilde Lüers – Biographie

Mathilde Gesine Lüers wird am 27. August 1858 als erstes Kind von Röbe Haverkamp und Catharine Haverkamp in Hurrel geboren. Sie ist die ältere Schwester von Gerd Hinrich Haverkamp, Johann Haverkamp, Heinrich Haverkamp, Hinrich Wilhelm Haverkamp, Bernhard Haverkamp, Meta Katharine Busch, Diedrich Haverkamp, Georg Haverkamp und Martha Hermine Ostendorf.

Kurz vor Mathildes Geburt beginnt, was nachfolgende Generationen als „Goldenes Zeitalter des Alpinismus“ bezeichnen werden: Angetrieben vom sportlichen Ehrgeiz vornehmlich britischer Bergsteiger kommt es in den Westalpen zwischen 1855 und 1865 zu zahlreichen Erstbesteigungen. Im Spätsommer 1858 erreicht die Welle einen ersten Höhepunkt, als zwischen Mitte August und Mitte September gleich vier Gipfel neu in die Liste aufgenommen werden: Eiger, Dom, Piz Morteratsch und Nadelhorn. Die größten Schlagzeilen produziert am 11. August der Aufstieg auf den damals als unbezwingbar geltenden, knapp 4.000 Meter hohen Eiger-Gipfel im Kanton Bern durch Christian Almer, Peter Bohren und Charles Barrington.

Sieben Jahre später endet die Erstbesteigung des als noch schwieriger eingestuften Matterhorns (4.478 Meter über dem Meeresspiegel) in einer Katastrophe. Zwar erreicht eine siebenköpfige Gruppe unter Führung von Edward Whymper am 14. Juli 1865 den Gipfel. Auf dem Rückweg stürzen allerdings vier Expeditions-Teilnehmer in den Tod – darunter der erst 18-jährige Lord Francis Douglas und Charles Hudson, einer der Erstbezwinger der Dufourspitze im August 1855. Mit der Begründung, sie wolle nicht mehr, dass wertvolles englisches Adelsblut am Matterhorn vergeudet werde, denkt daraufhin die britische Königin Victoria angeblich sogar kurz daran, ihren Landsleuten das Bergsteigen zu verbieten. Den Ansturm immer neuer junger Abenteurer auf das Matterhorn verhindert sie damit allerdings nicht.

Im Sommer 1865 besucht Mathilde sehr wahrscheinlich die erste Klasse der Volksschule in Lintel, wo unter anderem Bernhard Brockshus, Carl Busch, Johann Schwarting, Catharine Tönjes, Heinrich Tönjes, Anna Wiedau und Bernhard Wiedau zu ihren in etwa gleichaltrigen Mitschülern gehören. Als älteste Tochter wird sie daneben mit einiger Sicherheit von frühen Kindesbeinen an in die Arbeit auf dem heute nicht mehr bestehenden elterlichen Hof an der Hurreler Straße (Besitzerin des ganz in der Nähe errichteten Neubaus: Inge Molde) eingebunden sein.

Mit einiger Sicherheit verlässt Mathilde ihr Elternhaus bereits vor der Geburt der beiden jüngsten Geschwister Georg (Mai 1877) und Martha Hermine (Mai 1880), um sich wie damals üblich auf einem anderen Hof ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Vermutlich verschlägt es sie dabei in die Nähe von Tweelbäke, denn von dort stammt ihr späterer Ehemann Hermann Lüers. Dessen Familie bewirtschaftet einen Hof am Barkemeyersweg, auf dem sich Mathilde und Hermann nach der im Mai 1883 in Osternburg vollzogenen Trauung zunächst niederlassen. Dort kommt im März 1884 Tochter Anna zur Welt.

Im darauffolgenden Jahr sterben sowohl Hermanns Mutter Anna Becka – Vater Hinrich ist bereits seit 1882 tot – als auch Mathildes Vater Röbe. Da Hermann als ältester Sohn keine Ansprüche auf den elterlichen Hof in Tweelbäke hat, zieht die junge Familie nach Hurrel und unterstützt dort Mathildes Mutter Catharine. Mit Katharine (November 1885), Diedrich (November 1887), Rosa (März 1890) und Clara (Oktober 1891) kommen in dieser Zeit vier weitere Kinder hinzu.

Nach dem auch in Hurrel geltenden Jüngstenrecht ist Mathildes beim Tod des Vaters acht Jahre alter Bruder Georg erbberechtigt – sie selbst steht als älteste Tochter bei insgesamt sieben Brüdern ganz am Ende der Reihe. Deshalb sehen Mathilde und Hermann sich nach Alternativen um und pachten schließlich nach Claras Geburt einen Hof im rund 15 Kilometer entfernten Immer. Dort werden mit Adele (August 1893), Amalie (Mai 1895) und Martha (Februar 1897) noch einmal drei Töchter geboren.

Mit den Erträgen eines gepachteten Hofes acht Kinder großzuziehen, ist an der Schwelle zum 20. Jahrhundert alles andere als eine leichte Aufgabe. Auch dabei dürfte es jedoch wie schon in Mathildes Elternhaus gewissermaßen ein Kommen und Gehen gegeben haben: Als die jüngste Tochter Martha 1903 eingeschult wird, sind die beiden ältesten Töchter Anna und Katharine 19 und 16 Jahre alt und haben den Haushalt wahrscheinlich längst verlassen. Etwa um diese Zeit steht ein weiterer Umzug an: Mathilde und Hermann geben den Pachthof in Immer auf und lassen sich mit Diedrich und den jüngeren Töchtern auf einem anderen Hof in Kirchkimmen nieder, dessen Standort heute in der Familie aber nicht mehr bekannt ist.

In Kirchkimmen findet bald auch – nicht eben zur Freude von Mathilde und Hermann – Anna wieder Unterschlupf, deren unehelicher Sohn Hugo im April 1904 auf dem Hof seiner Großeltern zur Welt kommt. Letztlich bleibt die Rückkehr ins Elternhaus jedoch ein kurzes Intermezzo: Nach der Hochzeit mit Johann Runge im Mai 1906 zieht Anna zu ihrem Ehemann nach Heide. Weniger als drei Monate später macht sie Mathilde durch die Geburt von Sohn Heinrich zum zweiten Mal zur Großmutter.

Als 1911 die jüngste Tochter Martha konfirmiert wird, lebt Mathilde mit ihrer Familie bereits im Nachbardorf Vielstedt, ebenfalls auf einem Pachthof. Die schrecklichen Folgen des im August 1914 ausbrechenden Ersten Weltkrieges bekommt sie früher zu spüren als viele ihrer Nachbarn. Bereits im Dezember 1914 lässt ihr mittlerweile in Ganderkesee lebender jüngster Bruder Georg sein Leben auf den Schlachtfeldern, im September 1915 trifft es in Nordfrankreich auch Sohn Diedrich.

Ob Diedrichs Tod Mathildes Beziehung zu ihrer Tochter Clara und deren französischstämmigem Mann Jean Vèbre trübt, ist nicht überliefert. Jean – gebürtig aus dem elsässischen, damals zu Deutschland gehörenden Kreis Rappoltsweiler – lernt Clara in Bremen kennen; während des Krieges dient er auf deutscher Seite als Johann Vebre im Reserve-Infanterie-Regiment 259. Nach dem Krieg ziehen beide nach Straßburg. Der Kontakt zur Familie bleibt allerdings auch in den folgenden Jahren erhalten.

Über Mathildes letzte Lebensphase ist lediglich bekannt, dass sie nach Hermanns Tod im Juli 1921 weiter mit Tochter Adele und Schwiegersohn Johann Raschen in Vielstedt wohnt. Dort stirbt sie am 24. Oktober 1923 – auf dem Höhepunkt der Hyperinflation und nur vier Wochen nach ihrem Schulkameraden Carl Busch – an den Folgen eines Schlaganfalls. Beerdigt ist sie wenige Tage darauf auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.