Martha Petermann – Biographie

Martha Johanne Petermann wird am 6. November 1886 als viertes Kind von Johann Hinrich Rüdebusch und Anna Marie Rüdebusch auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Birgit Ganteföhr) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Diedrich Rüdebusch, Heinrich Rüdebusch und Frieda Barkemeyer und die ältere Schwester von Gesine Müller und Georg Hermann Rüdebusch. Darüber hinaus hat sie mit Johann Hermann Wübbenhorst, August Wübbenhorst, Aline Wübbenhorst und Hermann Theodor Wübbenhorst noch vier Halbgeschwister aus der ersten Ehe ihrer Mutter mit Diedrich Wübbenhorst.

Das Jahresende 1886 ist mit drei Erfindungen verbunden, die heute aus keinem Haushalt mehr wegzudenken sind. Zuvorderst natürlich das Automobil: Am 2. November erteilt das Kaiserliche Patentamt in Berlin dem Mannheimer Ingenieur Carl Benz für den Motorwagen Nummer 1 das bereits im Januar 1886 beantragte Patent. Auch wenn Benz und sein zeitgleich mit einem ähnlichen Fahrzeug herumexperimentierender Ingenieurs-Kollege Gottlieb Daimler von Zeitgenossen für ihre „Kutschen ohne Pferde“ zunächst viel Spott ernten, verändern sie damit den Lauf der Welt entscheidender als viele andere vor ihnen.

Letzteres lässt sich vom Patent DRP 40065, das die Berliner Beamten nur zwölf Tage später an Friedrich Soennecken vergeben, eher nicht sagen. Schließlich geht es dabei nur um einen vergleichsweise simplen Apparat zum Stanzen von Papier. Ähnlich wie das Automobil tritt der Locher jedoch bald schon seinen Siegeszug um den Globus an. Etwas länger mit der Vermarktung dauert es bei der Erfindung der Amerikanerin Josephine Cochrane. Gleichwohl, verzichten möchte darauf in der heutigen Wohlstandsgesellschaft kaum jemand: Weil die Diplomaten-Gattin viele Partys gibt und sich immer wieder darüber ärgert, dass ihre Angestellten beim Abwasch so viel Porzellan zerdeppern, konstruiert sie mit Hilfe eines befreundeten Mechanikers kurzerhand einen Geschirrspül-Automaten. Das entsprechende Patent dafür bekommt Cochrane am 28. Dezember 1886 ausgehändigt.

Wann die beschriebenen Erfindungen zum ersten Mal in Hurrel gesichtet werden, lässt sich nur vermuten. Ganz gewiss jedoch noch nicht während Marthas Schulzeit, die sie mit ihren Geschwistern und den in etwa gleichaltrigen Mitschülern Frieda Busch, Gerhard Heinemann, Friedrich Lange, Johann Mönnich und Meta Katherine Mönnich zunächst im Nachbardorf Lintel und ab 1897 in der von Marthas Elternhaus rund 300 Meter entfernten Volksschule Hurrel (heute: Gunda Hagestedt) verbringt. Auch in der Gastwirtschaft von Martin Strackerjan in Vielstedt, wo Martha nach Schulabschluss und Konfirmation in Stellung geht, waschen die Angestellten Tassen, Teller und Besteck selbstverständlich noch von Hand ab, der Papierkram ist anders als heute auf ein Minimum beschränkt und die Gäste kommen mit Pferd und Wagen vorgefahren.

Wie lange Martha in Vielstedt arbeitet, ist in der Familie nicht überliefert. Mit einiger Sicherheit wird sie jedoch vor ihrer Hochzeit mit Friedrich Petermann aus Kirchhatten im Mai 1912 auch immer einmal wieder auf dem elterlichen Hof aushelfen. Den knapp 25 Hektar großen Betrieb führt seit dem Tod des Vaters (Oktober 1906) und des jüngeren Bruders Georg (März 1907) Mutter Anna Marie zusammen mit Marthas einzig verbliebenem Bruder Heinrich. Der dritte Bruder Johann Diedrich ist wie zuvor bereits die vier Halbgeschwister als Säugling verstorben.

Der Petermann-Hof liegt damals mitten in Kirchhatten, an der Abzweigung von der Hauptstraße zur Sandhatter Straße. Auf dem rund 16 Hektar großen Betrieb bringt Martha im Januar 1913 Tochter Else zur Welt. Als im August 1914 Tochter Käthe hinzukommt, tobt in Europa bereits der Erste Weltkrieg, zu dem auch Friedrich einberufen wird. Wie Schwester Frieda und ihre inzwischen mit Heinrich verheiratete Schwägerin Anna Catharine in Hurrel muss Martha deshalb in den folgenden Jahren nicht nur mehrere kleine Kinder versorgen, sondern zusammen mit einem heute namentlich nicht mehr bekannten Knecht unter schwierigsten Bedingungen die Landwirtschaft am Laufen halten.

Anders als ihre seit 1911 ebenfalls in Kirchhatten verheiratete Schulkameradin Frieda Busch macht der bis Ende November 1918 tobende Krieg Martha nicht zur Witwe. Doch auch nach Friedrichs Rückkehr bessern sich die Zeiten nur allmählich. Martha bleibt voll in die Hofarbeit eingespannt und bekommt noch drei weitere Kinder: Heinrich (Juni 1921), Irma (November 1924) und die jüngste Tochter Elisabeth. Letztere stirbt allerdings bereits nach wenigen Jahren – der genaue Zeitpunkt ist in der Familie nicht mehr bekannt – an einer Lungenentzündung.

Wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 erliegt Marthas Bruder Heinrich ebenfalls einer Lungenentzündung. Sechs Jahre später geben Friedrich und Martha ihren Wohnsitz im Zentrum von Kirchhatten auf und errichten an der Sandkruger Straße ein neues Hofgebäude (heute: Horst und Marlies Petermann). Der Umzug wird überschattet vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939, der in Marthas Familie weitere Lücken reißt: Am Ende gehört außer ihren drei Neffen Georg, Gustav und Heino Rüdebusch auch Schwiegersohn Willi Stolle zu den Toten. Unmittelbar vor Kriegsende im Mai 1945 erlebt Martha den längst sinnlos gewordenen „Kampf um Hatten“ mit, in dessen Verlauf nach Angaben des örtlichen Chronisten Wolfgang Martens allein auf deutscher Seite mehr als 80 Menschen ums Leben kommen und mindestens 14 Gehöfte in Flammen aufgehen. Auch auf dem Petermann-Hof hinterlässt der Beschuss durch Truppen der Ersten Kanadischen Armee Schäden, die noch Jahrzehnte später zu sehen sind.

Besatzung, ein nicht enden wollender Flüchtlingsstrom aus den deutschen Ostgebieten, katastrophale Wohn- und Hygieneverhältnisse, dazu ein strenger Hungerwinter – die ersten Nachkriegsjahre verlaufen in Kirchhatten ähnlich bedrückend wie in ganz Deutschland. Auch auf dem Petermann-Hof heißt es zusammenrücken: Neben der Familie von Horst Pobanz und der durch den Beschuss der Kanadier obdachlos gewordenen Nachbarin Marie Rodiek finden dort Tochter Käthe Stolle und ihre Kinder Inge und Peter Unterschlupf. Käthe erhält später auf dem Grundstück ebenso einen Bauplatz wie die jüngere Schwester Irma, die mit Ehemann Günther Strangmann im Ortskern von Kirchhatten einen Edeka-Laden betreibt. Da sowohl Friedrich als auch der als Erbe vorgesehene Sohn Heinrich nebenbei auf der Gemeindeverwaltung arbeiten, bleibt Martha für Schwiegertochter Karla bis weit ins Rentenalter hinein eine wichtige Stütze bei der Bewirtschaftung des Hofes.

Eine Auszeit gönnt sich Martha viele Jahre hindurch an jedem Montag: Dann trifft sie ihre Schwestern Frieda und Gesine – entweder auf dem Petermann-Hof oder in Hurrel auf dem Hof von Friedas Enkelin Irmgard Wachtendorf. Diese Tradition behält Martha auch nach Friedrichs Tod im August 1971 bei. Sie endet erst 1973, als innerhalb von acht Monaten sowohl Gesine als auch Frieda sterben. Martha selbst begeht 1976 ihren 90. Geburtstag bei relativ guter Gesundheit und übersteht auch einen Oberschenkelhalsbruch, den sie sich kurz danach bei einem Sturz zuzieht. Erst nach einem weiteren Sturz verlassen sie ihre Kräfte, sie stirbt am 3. September 1980 an Altersschwäche. Beerdigt ist Martha zwei Tage später auf dem Alten Friedhof in Hatten.