Martha Kruse – Biographie

Martha Johanne Kruse wird am 14. September 1903 als zweites Kind von Gerhard Wieting und Anna Wieting auf dem elterlichen Hof in Hurrel (heute: Edo Wieting und Klaus-Peter Wieting) geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Heinrich Wieting und die ältere Schwester von Diedrich Wieting und Georg Wieting. Darüber hinaus hat sie mit Hinrich Wieting, Theodor Wieting und Anna Mathilde Wieting noch drei ältere Halbgeschwister aus der ersten Ehe ihres Vaters mit Beta Brandt.

In den Wochen nach Marthas Geburt erhalten zwei Erfindungen ein Patent, die heute aus keinem Haushalt mehr wegzudenken sind. Das erste geht am 21. September 1903 an August Oetker: Der Apotheker aus Bielefeld experimentiert – wie diverse Wissenschaftler vor ihm – bereits seit 1891 mit einem Back-Triebmittel, das die Herstellung von Brot erleichtern soll. Daraus entsteht 1893 „Backin“ – eine bis heute unverändert hergestellte Rezeptur, die Oetker fortan in kleine Tütchen verpackt und für 10 Pfennig das Stück verkauft. Nach der Patent-Erteilung expandiert Oetker rasch und legt mit einer geschickten Marketing-Strategie innerhalb weniger Jahre den Grundstein für einen der größten deutschen Familien-Konzerne.

Das zweite Patent erhält am 1. Oktober 1903 Reinhold Burger für die Weiterentwicklung der ursprünglich von Adolf Ferdinand Weinhold und James Dewar erfundenen Isolierkanne. Dabei handelt es sich um eine doppelwandige, von innen versilberte Glasflasche, die sich durch diesen Aufbau zur Aufbewahrung und zum Transport sehr heißer oder kalter Flüssigkeiten eignet. Den von Dewar losgetretenen Rechtsstreit um die Nutzungsrechte entscheidet Burger für sich, so dass seine auf den Namen Thermos getaufte Firma mit der Produktion starten kann. Da Burger sich eher als Erfinder denn als Kaufmann sieht, reicht er das Patent aber zügig an seinen österreichischen Geschäftspartner Gustav Robert Paalen weiter. Dieser gründet 1907 in den USA die American Thermos Company, die das Produkt ab 1909 mit großem Erfolg vermarktet, vornehmlich an Armee-Ausrüster in aller Welt.

Zu diesem Zeitpunkt steht Martha in Hurrel kurz vor der Einschulung in die örtliche Volksschule, die sie anfangs mit ihrem nur ein Jahr älteren Bruder Heinrich und später auch mit den beiden jüngeren Geschwistern besucht. Die beiden älteren, 1893 und 1895 geborenen Halbbrüder Hinrich und Theodor haben die Schule zu diesem Zeitpunkt bereits hinter sich gelassen, Halbschwester Anna ist 1904 im Alter von sechs Jahren an einer Hirnhautentzündung gestorben. Zu Marthas in etwa gleichaltrigen Klassenkameradinnen gehören neben Alma Albers, Hermine Busch, Else Busch, Ida Pannenborg und Berta Schweers gleich vier weitere Mädchen mit demselben Vornamen: Martha Bleckwehl, Martha Lange, Martha Spreen und Martha Wilkens.

Die zweite Hälfte von Marthas Schulzeit wird überschattet vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wie in fast jeder Hurreler Familie bringt die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts auch auf dem rund 35 Hektar großen Wieting-Hof massive Veränderungen mit sich. Marthas ältere Halbrüder ziehen an die Front, am Ende kehrt lediglich Hinrich zurück. Sie selbst geht nach Schulabschluss und Konfirmation für ein Jahr auf einem Hof in der Wesermarsch in Stellung, arbeitet aber anschließend wieder im elterlichen Betrieb, den nach Theodors Tod später einmal Marthas jüngerer Bruder Georg erben soll.

Ein weiterer bedeutender Einschnitt folgt im Sommer 1928: Martha wird schwanger, ohne dass der wie sie aus Hurrel stammende Vater des Kindes sich dazu bekennt. Eine zur damaligen Zeit alles andere als einfache Situation, in der die Familie aber zu ihr hält. Tochter Inge, am 22. April 1929 in der Oldenburger Kinderklinik an der Kanalstraße geboren, wächst in den folgenden Jahren auf dem Wieting-Hof behütet auf und nimmt es als ganz selbstverständlich hin, dass sie im Kreise ihrer Freundinnen die einzige ist, in deren Biographie es keinen Vater gibt.

Nach dem Tod von Mutter Anna Catharine im August 1932 unterstützt Martha ihren Vater und den ebenfalls noch unverheirateten Hoferben Georg weiter bei der Bewirtschaftung des Betriebs. Möglicherweise ist sie bei Ausbruch des von den Nationalsozialisten im September 1939 begonnenen Zweiten Weltkriegs ganz froh, dass sie sich keine Sorgen um das Schicksal eines bei der Wehrmacht kämpfenden Ehemannes machen muss. Einfacher wird Marthas Situation durch die neue Lage jedoch keineswegs. Im Gegenteil – nach Georgs Einberufung lastet noch mehr Arbeit auf ihren Schultern als ohnehin schon.Gegen Kriegsende häufen sich dann die schlechten Nachrichten: Marthas älterer, bis zu seiner Einberufung als Lehrer in Sengwarden arbeitender Bruder Heinrich stirbt Anfang April 1944 an einer Herzmuskelentzündung, Georg gerät wenig später in sowjetische Gefangenschaft und kommt erst 1948 frei.

Im November 1949 heiratet Georg Irmgard Hoffmeier, die mit ihrer Familie aus Schlesien geflüchtet ist. Daraufhin überschreibt Vater Gerhard Martha für die jahrzehntelange Mitarbeit im Betrieb einen rund 4 Hektar großen Hof an der Hurreler Straße, den er 1898 von den Erben Röbe Haverkamps gekauft hatte und der nach einem zwischenzeitlichen Weiterverkauf seit 1921 wieder zum Familienbesitz gehört. Dort wohnt und wirtschaftet Martha in den kommenden Jahren ganz für sich allein – Tochter Inge lebt seit ihrer Hochzeit mit Hugo Molde im Juni 1949 auf dem Hof ihres Ehemannes in Dingstede.

In einem Moment, in dem sie vermutlich selbst nicht mehr damit rechnet, tritt doch noch ein neuer Mann in Marthas Leben. Über die Familie ihres Schwiegersohnes Hugo Molde lernt sie Hinrich Kruse aus Schönemoor kennen, den verwitweten Leiter der Volksschule in Westrittrum. Die beiden heiraten im Februar 1954, und Martha zieht zu Hinrich in dessen Lehrerwohnung. Ein Aufenthalt, der von vornherein auf Zeit angelegt ist, denn bis zu Hinrichs Pensionierung sind es nur noch sechs Jahre. Im Frühjahr 1959 beginnt er mit dem Bau eines Hauses in Falkenburg, das ihm und Martha als Altersruhesitz dienen soll. Den Einzug erlebt Hinrich jedoch nicht mehr: Er stirbt am 31. Oktober 1959 – eine Woche vor dem geplanten Richtfest – an einem Schlaganfall.

Nachdem sie übergangsweise einige Monate bei Tochter Inge wohnt, zieht Martha im Herbst 1960 allein in das neue Haus ein. Richtig heimisch wird sie in Falkenburg allerdings nie, so dass sie bereits 1965 nach Dingstede zurückkehrt. Dieses Mal für immer. In den folgenden 20 Jahren fasst sie auf dem Molde-Hof überall mit an, wo eine helfende Hand benötigt wird. Nach zwei schweren Krebserkrankungen – von der ersten erholt sie sich 1968 noch relativ schnell wieder – stirbt Martha dort am 27. September 1985 Im Alter von 82 Jahren. Beerdigt ist sie fünf Tage später auf dem Neuen Friedhof in Kirchhatten.