Martha Adeline Hartmann wird am 29. Oktober 1906 als drittes Kind von Karl Hinrich Würdemann und Anna Würdemann auf dem elterlichen Hof in Maibusch geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Gustav Würdemann und Heinrich Würdemann.
Zwölf Tage vor Marthas Geburt gelingt es dem aus Breslau stammenden deutschen Physiker Arthur Korn erstmals, eine Fotografie mittels Telefonleitung in passabler Qualität über weite Strecken zu übertragen. Für seinen Bildtelegrafie-Apparat – einen Vorläufer des Faxgeräts – nutzt Korn eine besondere Eigenschaft des chemischen Elements Selen: Unter Lichteinfluss leitet es Strom sehr gut, im Dunkeln dagegen nicht. Mit einem auf diesem Prinzip basierenden Sensor tastet der Apparat die Vorlage ab und wandelt sie in elektrische Impulse um. Diese Impulse bringt ein zweites Gerät gleicher Bauart am Empfangsort wieder in die ursprüngliche Form.
Zwar ist Korn nicht der erste Forscher, der zum Thema Bildtelegrafie experimentiert. So konstruierte der schottische Uhrmacher Alexander Bain bereits 1843 einen Kopier-Telegrafen, dessen Funktionsweise Frederick Collier Bakewell in Großbritannien, Giovanni Caselli in Frankreich und Elisha Gray in den USA in den folgenden Jahrzehnten stetig weiterentwickelten. Korns Apparat hat jedoch den Vorteil, jede beliebige Vorlage ohne weitere Vorbereitungen übertragen zu können. Zudem gelingt es ihm im Laufe seiner bereits 1901 an der Universität München begonnenen Versuche, die Qualität der Kopien deutlich zu steigern und die Übertragungszeit von über 45 auf unter 15 Minuten zu verringern. Das macht sein Verfahren interessant für Verlagshäuser. Ab Herbst 1907 druckt etwa die Pariser Wochenzeitschrift „L’Illustration“ per Bildtelegrafie übermittelte Fotos, andere Publikationen ziehen nach. Im Frühjahr 1908 gelingt es der Überlieferung zufolge sogar, anhand eines in der Londoner Tageszeitung „Daily Mirror“ zeitnah veröffentlichten Fahndungsfotos einen flüchtigen Juwelendieb dingfest zu machen.
Um sich am breiten Markt zu etablieren, ist Korns Verfahren freilich viel zu teuer. Auch Regionalzeitungen wie die in Oldenburg erscheinenden „Nachrichten für Stadt und Land“ oder das „Delmenhorster Kreisblatt“ haben kurz nach der Jahrhundertwende kaum die finanziellen Mittel, Bildtelegrafie einzusetzen. Für die damaligen Verhältnisse im stark landwirtschaftlich geprägten Großherzogtum Oldenburg darf schon als etwas Besonderes gelten, dass in Marthas Jugend mit der 1910 gegründeten „Huder Zeitung“ in unmittelbarer Nähe ein eigenständiges Presseobjekt existiert. Den nur zwei Kilometer vom Würdemann-Hof entfernt an der Königstraße in Hude aufgewachsenen Herausgeber Diedrich Barkemeyer dürften ihre Eltern von klein auf kennen.
Marthas Vater ist ebenfalls in Maibusch geboren und aufgewachsen, Mutter Anna stammt aus dem benachbarten Ocholt. Beide bewirtschaften eine Brinksitzerei, die Karl Hinrich Würdemann von seinen 1898 kurz nacheinander verstorbenen Eltern übernommen hat. Dort wächst Martha mit ihren 1902 und 1904 geborenen Brüdern auf und besucht vermutlich ab Frühjahr 1913 die örtliche Volksschule.
Ob Vater Karl Hinrich als Soldat am Ersten Weltkrieg teilnimmt, liegt heute im Dunkeln – da er im August 1914 bereits 42 Jahre alt ist, erscheint dies jedoch eher unwahrscheinlich. Trotzdem sind die nächsten Jahre für ihre Familie mit Sicherheit keine einfache Zeit. Und obwohl das Kriegsende bei Marthas mutmaßlicher Schulentlassung 1921 bereits mehr als zwei Jahre zurückliegt, bleibt das vermutlich noch eine Weile so beziehungsweise verschlimmert sich durch die ab 1922 Fahrt aufnehmende Hyperinflation sogar noch.
Über die folgenden Jahre in Marthas Leben sind heute kaum noch Details bekannt. Sehr wahrscheinlich geht sie jedoch wie damals üblich irgendwo in der näheren Umgebung in Stellung. Vielleicht sogar im von Maibusch knapp zehn Kilometer entfernten Hurrel, wo 1836 Diedrich Barkemeyers Vater Hermann geboren ist und wo Marthas künftiger Ehemann Georg Hartmann – ein entfernter Verwandter Diedrich Barkemeyers – mit seinen Eltern Diedrich Georg und Gesine Hartmann im Zentrum des Dorfes einen rund 15 Hektar großen Hof bewirtschaftet (heute: Michael und Sara Westphal).
Martha und Georg heiraten im Mai 1930 in Hude, Martha siedelt daraufhin nach Hurrel über. Als sie zwölf Monate später Tochter Anita zur Welt bringt, hat die aus den USA herübergeschwappte Weltwirtschaftskrise Deutschland längst fest im Griff. Die sich quasi im Wochentakt verschärfende Lage spielt den mit radikalen Maßnahmen Besserung versprechenden Nationalsozialisten in die Karten. Nach spektakulären Stimmenzuwächsen ernennt Staatspräsident Paul von Hindenburg deren Führer Adolf Hitler im Januar 1933 zum Reichskanzler. Das kurz darauf vom Reichstag beschlossene Ermächtigungsgesetz macht Hitlers NSDAP zur Staatspartei, die Weimarer Republik wird zur NS-Diktatur.
Mit drastischen Folgen für Arthur Korn: Der Bildtelegrafie-Pionier, seit 1914 Professor für Physik an der Technischen Universität Berlin, verliert als Jude seine Anstellung und flieht 1939 über den Umweg Mexiko in die USA. Damit hat Korn immer noch mehr Glück als Millionen andere, die von 1933 an systematisch verfolgt, in Konzentrationslager gesperrt und ermordet werden. Eines von unzähligen Beispielen liefert die Lebensgeschichte von Marthas mutmaßlichem astrologischen Zwilling Max Salomon: Für den ebenfalls am 29. Oktober 1906 geborenen Ex-Fußball-Star von Alemannia Aachen – manche Quellen nennen den 29. Oktober 1905 als Geburtsdatum – gibt es kein Entkommen vor dem Nazi-Terror, seine Spur verliert sich 1942 auf dem Transport nach Auschwitz-Birkenau.
Zu diesem Zeitpunkt tobt bereits der im Oktober 1939 begonnene Zweite Weltkrieg. Durch die Geburt von Sohn Werner im Juni 1936 ist Marthas Familie um ein weiteres Mitglied gewachsen, im Januar 1943 kommt noch die zweite Tochter Linda hinzu. Im Gegensatz zu anderen jungen Müttern des Dorfes hat Martha das Glück, dass Ehemann Georg nicht zur Wehrmacht eingezogen wird. So erlebt sie das Kriegsende ohne persönliche Verluste im engsten Umfeld – mit Ausnahme von Vater Karl Hinrich, der im Februar 1944 im Alter von 72 Jahren in Maibusch einem Herzleiden erliegt. Im November 1946 stirbt dann in Hurrel Schwiegervater Diedrich Georg, im Juli 1947 auch Schwiegermutter Gesine.
Den demokratischen Neuanfang nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 gestaltet Georg Hartmann in den ersten Jahren als Ratsherr der Gemeinde Hude mit, auch danach bleibt er in mehreren Ehrenämtern tätig. Dafür hält ihm Martha zusammen mit den Kindern auf dem Hof so gut es geht den Rücken frei. Im Laufe des Jahres 1955 stehen dann gleich zwei bedeutende familiäre Ereignisse an: Im März heiratet Tochter Anita Gerold Schröder aus Dingstede, im Mai feiern Martha und Georg im Gasthof von Otto und Karla Mehrings Silberne Hochzeit. Im Mai 1959 muss Martha von Mutter Anna Abschied nehmen, die kurz vor ihrem 81. Geburtstag stirbt.
Tochter Linda heiratet im Juli 1965 Helmut Grashorn aus Kirchkimmen. Sohn Werner, der den Hartmann-Hof später einmal übernehmen soll, bleibt hingegen Junggeselle. Ohne die zupackende Hilfe einer Schwiegertochter ist es für Martha selbstverständlich, dass sie auch im Alter weiter in die Hofarbeit eingebunden bleibt. Bald muss sie dabei auch auf Georg verzichten: Marthas Ehemann stirbt im August 1976 nach längerer Krankheit.
In den 80er Jahren nimmt Martha weiter an Aktivitäten innerhalb der Nachbarschaft teil, lebt ansonsten aber – vom regelmäßigen Kontakt zu den Töchtern und den fünf Enkelkindern Ernst, Elke, Hergen, Dörte und Harald abgesehen – mit Werner relativ zurückgezogen. Im Januar 1984 ereilt sie noch einmal ein unerwarteter Schicksalsschlag: Tochter Linda erliegt im Alter von nur 41 Jahren einem Hirntumor. Gegen Ende des Jahrzehnts erlahmen auch Marthas Kräfte. Sie stirbt am 23. Dezember 1990 an Altersschwäche und wird fünf Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude beerdigt.