Helene Elise Marie Stöver – Rufname Marie – wird am 29. Januar 1887 als zweites Kind von Anton Wilhelm Böning und Elise Gesine Böning in Südmentzhausen bei Ovelgönne geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Johann Böning und die ältere Schwester von Diedrich Böning, Johanne Christine Böning, Heinrich Böning und Helene Spiekermann.
Mit August Wilhelm von Preußen hat Marie einen zur damaligen Zeit äußerst prominenten astrologischen Zwilling – handelt es sich bei ihm doch um den bis dato jüngsten Spross der Hohenzollern-Dynastie, deren Oberhaupt seit 1871 als Kaiser Wilhelm I. das Deutsche Reich regiert. Dass August Wilhelm nur knapp anderthalb Jahre später an die vierte Stelle der Thronfolge rücken würde, lässt sich bei seiner Geburt im Potsdamer Stadtschloss freilich noch nicht absehen. Zwar blickt Urgroßvater Wilhelm I. im Januar 1887 seinem 90. Geburtstag entgegen. Als designierter Nachfolger hält sich jedoch Großvater Friedrich bereit, der spätere 99-Tage-Kaiser.
Bevor das Drei-Kaiser-Jahr 1888 ins Land zieht und August Wilhelms 29-jähriger Vater als Wilhelm II. die Herrschaft übernimmt, steht im Februar 1887 noch eine vorgezogene Reichstagswahl an. Sie ist nötig geworden, weil die Mehrheit des alten Reichstages die von Reichskanzler Otto von Bismarck eingebrachte Heeres-Vorlage abgelehnt hatte. Die Abgeordneten waren zwar mit der vorgesehenen 10-prozentigen Aufstockung des Friedens-Heeres auf 468.000 Mann einverstanden, nicht aber mit der Dauer des Gesetzes von sieben Jahren. Auf einen Kompromiss wollte sich Bismarck nicht einlassen, so dass Wilhelm I. und der Bundesrat den Reichstag am 14. Januar auflösten. Das Kalkül geht auf: Bei den Neuwahlen am 21. Februar erringen Deutschkonservative, Freikonservative und Nationalliberale – die sogenannten „Kartell-Parteien“ – die absolute Mehrheit und stimmen der Vorlage schließlich am 11. März 1887 zu.
Elf Monate später setzt die gleiche Koalition eine Verlängerung der Wahlperiode des Reichstags von drei auf fünf Jahre durch, die nach der Wahl vom 20. Februar 1890 in Kraft tritt. Trotzdem bleibt auch der an jenem Tag gewählte Reichstag nur etwas mehr als drei Jahre im Amt. Reichskanzler Leo von Caprivi – Nachfolger des 1890 bei Wilhelm II. in Ungnade gefallenen Bismarck – beantragt die Auflösung aus dem gleichen Grund wie sechs Jahre zuvor sein Vorgänger: Eine Mehrheit war nicht bereit, die von der Regierung eingebrachte Heeres-Vorlage durchzuwinken. Die Neuwahlen am 15. Juni 1893 entscheiden erneut die Kartell-Parteien für sich, wenn auch nur mit knappem Vorsprung.
Zu diesem Zeitpunkt ist in Maries Familie gerade die jüngere Schwester Johanne Christine geboren, die aber wie der 1890 geborene Bruder Diedrich nur etwas mehr als zehn Monate lebt. Mit den anderen drei Geschwistern wächst Marie auf dem von ihren Eltern bewirtschafteten Bauernhof auf. Nach dem Abschluss der Volksschule geht sie vermutlich irgendwo in der näheren Umgebung in Stellung. Näheres dazu ist in der Familie allerdings nicht mehr bekannt. Möglicherweise lernt Marie dabei ihren künftigen Ehemann Friedrich Stöver kennen, den sie am 7. April 1908 heiratet. Zu diesem Zeitpunkt ist sie bereits im fünften Monat schwanger: Tochter Frieda erblickt am 16. Juli das Licht der Welt. Mit den Söhnen Heino (Januar 1910) und Erich (September 1911) sowie der zweiten, am Heiligabend des Jahres 1912 geborenen Tochter Johanne kommen rasch drei weitere Kinder hinzu.
Den Sommer 1914 wird Marie wohl auf ewig in Erinnerung behalten: Im Juni stirbt Vater Anton Wilhelm, im Juli kommt ihr dritter Sohn Friedrich Edo zur Welt und Anfang August beginnt der Erste Weltkrieg, an dem Ehemann Friedrich aller Wahrscheinlichkeit nach von Beginn an teilnimmt. Wie Marie in den folgenden Jahren sechs kleine Kinder versorgt – im September 1917 kommt Tochter Martha hinzu – und nebenbei den nach der Heirat gepachteten Bauernhof in Ovelgönne-Neustadt bewirtschaftet, ist nicht überliefert. Immerhin: Friedrich kehrt Ende 1918 unversehrt aus dem Krieg zurück und trotz der politisch und wirtschaftlich alles andere als rosigen Zeiten besitzen beide offenbar genügend Kapital, um in Rastede einen eigenen Hof zu kaufen.
Kurz nach dem Umzug nach Rastede bringt Marie ihren vierten Sohn Johannes Helmuth zur Welt, der allerdings am 25. Dezember 1920 im Alter von nur sechs Monaten stirbt. Im Sommer des folgenden Jahres wird sie zum achten und letzten Mal schwanger – am 18. März 1922 macht dann der jüngste Sohn Werner die Familie komplett.
Warum Friedrich und Marie ihren Hof wenige Jahre nach dem Kauf wieder aufgeben, lässt sich heute nicht mehr mit letzter Gewissheit klären. Auch der genaue Zeitpunkt ist unklar – irgendwann im Laufe des Jahres 1924 pachten beide jedoch in Hurrel den bereits 1428 erstmalig urkundlich erwähnten Hof von Diedrich Heinemann (heute: Ursula Schlake).
In Hurrel verschafft sich Marie schnell Anerkennung – unter anderem dadurch, dass sie sich trotz der reichlich vorhandenen Arbeit auf dem gepachteten Hof ehrenamtlich um kranke und gebrechliche Dorfbewohner wie Karl Barkemeyer oder Metta Wachtendorf kümmert und ihnen regelmäßig Besuche abstattet. Für Marie eine Selbstverständlichkeit, die sie aus ihrem tiefen christlichen Glauben herleitet. Dass sie angesichts dieses Weltbilds wenig Sympathie für die seit der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland regierenden Nationalsozialisten hegt, darf als gesichert gelten.
Obwohl sich Marie und Friedrich in Hurrel wohlfühlen, zieht es sie nach Ende ihrer Pachtzeit – der exakte Zeitpunkt ist auch hier nicht bekannt – ein weiteres Mal fort: Sie pachten Mitte der 30er Jahre an der Cloppenburger Straße im Oldenburger Stadtteil Kreyenbrück einen anderen Betrieb (heute: Esso-Tankstelle an der Kreuzung zum Niedersachsendamm). Kaum dort angekommen, trifft sie allerdings ein schwerer Schicksalsschlag: Am 5. Juni 1937 stirbt Tochter Frieda bei einem Verkehrsunfall.
Zwei von Maries Kindern haben den Umzug nach Oldenburg nicht mitgemacht: Erich lebt seit seiner Hochzeit mit Johanne Sanders im Januar 1935 in Dingstede, Heino ist in Hurrel geblieben und dort seit August 1935 mit Martha Wübbeler verheiratet. Zum im September 1939 mit dem Überfall auf Polen beginnenden Zweiten Weltkrieg werden die beiden ebenso eingezogen wie die noch zu Hause lebenden Söhne Friedrich Edo und Werner. Für Marie beginnt damit wie für Millionen andere Mütter eine jahrelange Zeit der Ungewissheit, in der an jedem Tag der Überbringer einer Todesnachricht vor der Tür stehen kann.
Akute Lebensgefahr droht ihr und Friedrich aber auch ganz persönlich: Erzählungen aus der Familie zufolge verstecken beide im Schweinestall über einen längeren Zeitraum hinweg mehrere Juden – möglicherweise alte Bekannte aus Ovelgönne, wo es bis 1900 eine größere jüdische Gemeinde gab.
Das gefährliche Geheimnis bleibt gewahrt, doch ein anderer Alptraum wird wahr: Nur zwei von Maries Söhnen kehren aus dem Krieg zurück. Werner wird im September 1944 in Rumänien als vermisst gemeldet, Heino im März 1945 in Kurland. Beides nimmt Marie sehr mit – ebenso der tragische Tod von Sohn Friedrich Edo, der fünf Jahre später, am 17. Juni 1950, unmittelbar vor seiner Hochzeit mit Klara Rüdebusch aus Altmoorhausen verunglückt. Ein letzter Schicksalsschlag, von dem sie sich nicht mehr erholt: Marie stirbt am 30. Mai 1956 nach kurzer Krankheit und wird drei Tage später auf dem Neuen Osternburger Friedhof in Kreyenbrück beerdigt.