Liselotte Meyer wird am 2. September 1931 als erstes Kind von Heinrich Köhler und Elli Köhler in Bergedorf geboren. Sie ist die ältere Schwester von Jürgen Köhler und Egon Köhler. Darüber hinaus hat sie mit Gisela Stephan, Walter Köhler und Irmgard Klintworth drei Halbgeschwister aus der zweiten Ehe ihres Vaters mit Henny Schmertmann.
Am Tag von Liselottes Geburt kippt die Filmprüfstelle in Berlin ihr im Dezember 1930 erlassenes Aufführungsverbot für den amerikanischen Anti-Kriegsfilm „Im Westen nichts Neues“. Der auf dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque basierende Film darf somit ab sofort wieder in allen Lichtspielhäusern des Deutschen Reichs gezeigt werden – allerdings nur in einer stark gekürzten Fassung. Verbunden mit der Freigabe ist zudem die Zusicherung des Hollywood-Produzenten Carl Laemmle, außerhalb der USA künftig nur noch die von der Berliner Behörde genehmigte Fassung zur Verfügung zu stellen. Sie umfasst gerade einmal 85 Minuten, während das Original 152 Minuten füllt.
„Im Westen nichts Neues“ schildert in drastischen Bildern den Ersten Weltkrieg aus der Sicht eines deutschen Frontsoldaten, der noch kurz vor dem im November 1918 geschlossenen Waffenstillstand sein Leben lassen muss. Weil der 1930 mit zwei „Oscars“ ausgezeichnete Film damit die Sinnlosigkeit des Konflikts beispielhaft auf den Punkt bringt, empfiehlt das Branchenblatt „Variety“ dem Völkerbund, ihn auf der ganzen Welt in jeder Sprache zu zeigen – solange, bis das Wort „Krieg“ aus dem Wörterbuch gestrichen sei. Das wiederum sehen Millionen Menschen in Deutschland ganz anders, wie in der ursprünglichen Begründung der Zensoren für ihr Verbot durchklingt: Sie halten es grundsätzlich nicht mit der Würde eines Volkes für vereinbar, wenn dieses sich seine eigene Niederlage vorspielen lasse, „noch dazu verfilmt durch eine ausländische Herstellungsfirma“. Bedenken, die es auch in Österreich gibt, dem zweiten großen Verlierer-Staat des Ersten Weltkriegs. Dort bleibt „Im Westen nichts Neues“ ebenso verboten wie im von den Faschisten unter Benito Mussolini regierten Italien. Frankreich wiederum erlaubt nur eine Fassung, in der ein zwischen den Bombentrichtern sterbender französischer Soldat und die Verbrüderung dreier französischer Frauen mit dem Feind herausgeschnitten sind.
In Deutschland ist der mit Zugeständnissen erkaufte Etappensieg gegen die Zensurbehörden nur von kurzer Dauer. Die mit der Pleite der Danat-Bank im Juli 1931 weiter an Fahrt aufnehmende Weltwirtschaftskrise sorgt für eine politische Radikalisierung, in deren Verlauf die von Adolf Hitler geführten Nationalsozialisten die Oberhand gewinnen. Unmittelbar nach der Machtübernahme im Januar 1933 folgt das erneute Verbot, Romanautor Remarque emigriert in die Schweiz.
Als im Frühjahr 1933 bei den überall im NS-Staat öffentlichkeitswirksam zelebrierten Bücherverbrennungen auch zahlreiche Exemplare von „Im Westen nichts Neues“ in Flammen aufgehen, lebt Liselotte bereits nicht mehr in Bergedorf. Dort ist Großvater Diedrich Grape als Forstarbeiter beschäftigt und betreibt nebenbei mit Großmutter Elisabeth einen kleinen Bauernhof, auf dem Liselottes Eltern nach der im Juli 1931 gefeierten Hochzeit zunächst Unterschlupf gefunden haben. Im Herbst 1932 sind sie jedoch in eine kleine Mietwohnung nach Bookholzberg gezogen, wo Liselotte laufen lernt und wo im Februar 1936 Bruder Jürgen die Familie vergrößert. Vater Heinrich arbeitet zu dieser Zeit bei der Bohr-Firma Borchers Schweers im benachbarten Hude. Weil es durch den Zuwachs in der ohnehin sehr kleinen Wohnung noch beengter zugeht, zieht die Familie kurz darauf nach Grüppenbühren und danach in ein Haus an der Königstraße in Hude – „das kleine, feine Haus“, wie Liselotte es zeitlebens nennen wird.
Das Jahr 1938 bringt nicht nur Liselottes Einschulung, sondern auch zwei bemerkenswerte Erfolge für das Hitler-Regime. Im März erzwingt es den Anschluss Österreichs, im September erlaubt das Münchner Abkommen den Zugriff auf das zur Tschechoslowakei gehörende Sudetenland. Knapp sechs Wochen später brennen überall im Land jüdische Synagogen. Im Frühjahr 1939 dann führt Hitler mit der Zerschlagung der Rest-Tschechei der Welt vor Augen, das von seinen gebetsmühlenartig wiederholten Friedensbeteuerungen rein gar nichts zu halten ist. Am 1. September 1939 beginnt durch den Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Ungefähr zur gleichen Zeit kündigt sich in Liselottes Familie neuer Nachwuchs an. Der zweite Bruder Egon wird im Mai 1940 geboren, vier Wochen nach dem deutschen Überfall auf Dänemark und Norwegen.
Die Einberufung ihres Vaters zur Wehrmacht und sein anschließender Einsatz in Norwegen bringen auch für Liselotte Veränderungen mit sich. Mutter Elli nämlich zieht daraufhin mit den Kindern von Hude nach Kirchkimmen, wo ihre Schwiegereltern Johann und Sophie Köhler eine von Heinrich Kruse gepachtete Gastwirtschaft betreiben (heute: Museum Haus Kimmen). Damit verbunden ist der Wechsel auf die örtliche Volksschule, die Liselotte von 1942 an besucht. Obwohl die Fronten des Krieges zu diesem Zeitpunkt noch weit entfernt sind, bekommt sie bereits eine Ahnung von dessen Folgen – unter anderem durch feindliche Bomber, die von Westen her regelmäßig Angriffe auf Bremen fliegen. Auf dem Rückflug lassen ihre Besatzungen häufig übriggebliebene Stabbrandbomben über Kirchkimmen und das benachbarte Sandersfeld hinabregnen, wodurch Ende Juni 1942 der knapp zwei Kilometer entfernt liegende Hof von Johann Haverkamp bis auf die Grundmauern niederbrennt.
Liselottes vorletztes, im Frühjahr 1945 endendes Schuljahr ist dann immer stärker vom Krieg geprägt. Kurz bevor britische und kanadische Truppen Kirchkimmen einnehmen, muss Mutter Elli wegen einer akuten Blinddarmentzündung nach Delmenhorst ins Krankenhaus. Die unter dem funzeligen Licht einer Petroleumlampe durchgeführte Not-Operation überlebt sie nicht – ihr Tod am 16. April 1945 macht Liselotte lange zu schaffen und überlagert nahezu alle anderen Erinnerungen an das Kriegsende drei Wochen später. Da Vater Heinrich auf dem Rückzug aus Norwegen in Gefangenschaft geraten ist, bleibt sie mit ihren beiden Brüdern bis auf weiteres in der Obhut der Großeltern.
Im Herbst 1945 kehrt Heinrich Köhler nach Kirchkimmen zurück und quartiert sich zunächst wieder bei seinen Eltern ein. Über den Verlust der Ehefrau tröstet er sich relativ rasch durch die Beziehung mit der im Ort ansässigen Kriegswitwe Henny Schmertmann hinweg. Aus der neuen Verbindung, in die Henny ihren Sohn Gerold mitbringt, geht im September 1946 mit Halbschwester Gisela ein weiteres Geschwisterkind hervor.
Nach dem Schulabschluss arbeitet Liselotte zunächst im Gasthof der Großeltern, der auch eine Poststation beherbergt. Bei Wind und Wetter trägt sie so tagtäglich im ihr zugewiesenen Bezirk Briefe und Päckchen aus. Der Eigentümer des Gasthofs, Heinrich Kruse, ist nicht aus dem Krieg zurückgekommen, so dass die Pacht zunächst verlängert wird. Vater Heinrich errichtet derweil eine Baracke auf einem bis dahin nicht bebauten Grundstück am Steinkimmer Weg, die die Familie 1949 bezieht. Im September 1951 kommt dort Liselottes neugeborener Bruder Walter als weiterer Bewohner hinzu.
Als ihre Großeltern im selben Jahr aus Altersgründen den Gasthof abgeben und sich in einem Siedlungshaus an der Kirchkimmer Straße niederlassen, geht Liselotte im Haushalt eines Osternburger Bäckermeisters in Stellung. Dort arbeitet sie mit Hannelore Zierenberg zusammen, mit der sie lange Jahre befreundet bleiben wird – und mit Ursula Tammen aus Apen, die in ihrer Freizeit Theater spielt und schon bald zu den großen Nachwuchs-Hoffnungen der August-Hinrichs-Bühne in Oldenburg gehört. Einem bundesweiten Publikum wird Ursula Tammen nach ihrer Hochzeit mit Heiko Hinrichs – einem Enkel des Heimatdichters August Hinrichs – bekannt, als sie in den 70er Jahren ans Hamburger Ohnsorg-Theater wechselt und fortan als Ursula Hinrichs in vielen Bühnen- und Fernsehproduktionen mitwirkt. An die gemeinsame Zeit in Osternburg denkt Liselotte später gern zurück und besucht des Öfteren Auftritte oder Lesungen der ehemaligen Arbeitskollegin, wenn sie in der Nähe stattfinden.
Kurz vor Antritt ihrer Stellung in Osternburg hat Liselotte auf einem Tanzabend im Vielstedter Bauernhaus den Hurreler Zimmermann Wilhelm Meyer kennengelernt. Beide treffen sich fortan regelmäßig und schmieden schnell Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Pläne, die 1954 durch einen folgenschweren Arbeitsunfall Wilhelms, der danach nicht mehr in seinem erlernten Beruf arbeiten kann, für einen Moment in Frage gestellt werden. Liselotte, mittlerweile in der Bäckerei von Johannes Siemers in Wüsting angestellt, überlegt jedoch nicht lange und hält ihrem künftigen Verlobten und Ehemann die Treue.
Nach der am 25. Februar 1955 in Hude bei Schnee und frostigen Temperaturen vollzogenen Trauung zieht Liselotte bei Wilhelm ein, der mit seiner Mutter Anni an der Hurreler Straße einen kleinen Hof betreibt. Ein Nebenerwerb, der neben einer schmalen Berufsunfähigkeits-Rente und Annis Witwenrente zunächst die einzige Einnahmequelle der im Mai 1955 um Tochter Ingrid erweiterten Familie darstellt. Der Zuwachs macht zwei Jahre später die Erweiterung des 1931 von Wilhelms Vater Heinrich errichteten Wohnhauses nötig. Im Juli 1960 bringt Liselotte dann die zweite Tochter Petra zur Welt.
Da Hurrel von Kirchkimmen nur wenige Kilometer entfernt liegt, bleibt der Kontakt zu Vater Heinrich, Stiefmutter Henny und Liselottes noch in der Baracke wohnenden Geschwistern eng. Liselottes jüngste Halbschwester Irmgard ist erst im Januar 1955 geboren und somit gerade einmal vier Monate älter als Ingrid. Am 30. September 1961 verunglückt Heinrich Köhler direkt vor der eigenen Haustür, als er bei Dunkelheit die damals noch als Bundesstraße genutzte und entsprechend stark befahrene Bremer Straße überqueren will. Das Auto, das ihn dabei erfasst, schleift ihn fast 60 Meter weit mit; er stirbt einem Bericht der Nordwest-Zeitung zufolge unmittelbar darauf.
Das Schicksal ihres Vaters hält Liselotte nicht davon ab, selbst ihren Führerschein zu machen. Das erste, 1962 angeschaffte Auto der Familie ist ein weißer Opel Kadett. Ihn sich leisten zu können, erfordert Bescheidenheit in vielen anderen Bereichen – die der in jenen Jahren noch sehr hohe Grad an Selbstversorgung aber durchaus ermöglicht: Was auf den Tisch kommt, stammt in aller Regel aus dem eigenen Stall oder Gemüsegarten. Der in den 60er Jahren allgegenwärtige Strukturwandel in der Landwirtschaft bleibt aber natürlich auch auf dem Meyer-Hof nicht ohne Auswirkungen. Im Herbst 1971 beschließen Wilhelm und Liselotte deshalb, ihre Kühe abzuschaffen und nur noch einige Schweine und die Hühner zu behalten. Liselotte bietet diese Entscheidung die Möglichkeit, wieder arbeiten zu gehen. Im Hunte-Supermarkt (später „Comet“) an der Parkstraße in Hude räumt sie fortan Ware ein und aus, kassiert und packt überall an, wo Hilfe benötigt wird. Eine Tätigkeit, die sie bis zum Rentenbeginn 1991 gern ausübt.
Wilhelm, der nach seinem Arbeitsunfall dem Sozialverband Reichsbund beigetreten ist, übt im Vorstand der Ortsgruppe Hude seit 1977 das Amt des Kassierers aus. Ein Jahr später unterschreibt auch Liselotte ihre Beitrittserklärung. Zu diesem Zeitpunkt organisiert Wilhelm für den Reichsbund bereits mit großem Erfolg Busreisen, an denen regelmäßig bis zu 50 Mitglieder teilnehmen. Meistens geht es Richtung Süddeutschland oder Österreich. Liselotte ist bis zu Beginn der 2000er Jahre jedes Mal mit dabei, und einmal kann sie sogar gegen Wilhelms anfänglichen Widerwillen ein etwas außerhalb der Reihe liegendes Reiseziel durchsetzen: Masuren. Im März 2004 rückt sie selbst ebenfalls in den Vorstand des mittlerweile in SoVD umbenannten Verbands auf und übernimmt das Amt der Schriftführerin.
Wenige Wochen nach der Anfang 1980 im Gasthof von Ursel und Bodo Mehrings gefeierten Silberhochzeit wird Liselotte mit der Geburt von Ingrids Tochter Annika zum ersten Mal Großmutter. Mit Annikas Schwester Cathrin und Petras im Anbau an der Hurreler Straße aufwachsenden Kindern Florian, Fabian und Franziska kommen bis 1993 vier weitere Enkel hinzu. Sie alle wissen neben Liselottes Fürsorglichkeit auch ihre Koch- und Backkünste zu schätzen und lassen sich gern von ihr damit verwöhnen. Letzteres gilt auch für alle anderen Gäste des Hauses – seien es Freunde, Verwandte, Nachbarn, Bekannte oder Kegelschwestern, die bei Liselotte stets ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte finden.
Nach ihrer im Februar 2005 im Altmoorhauser Krug gefeierten Goldenen Hochzeit lassen es Liselotte und Wilhelm ganz allmählich etwas ruhiger angehen. Die Diamantene Hochzeit im Februar 2015 überschattet der unerwartete Tod von Tochter Ingrid zwei Jahre zuvor. Auch Liselottes letzte Jahre sind nicht eben einfach: Vor allem körperlich baut sie nach Wilhelms 85. Geburtstag im Januar 2016 deutlich ab, bricht sich bei einem Sturz den Arm und leidet unter Magengeschwüren. Krankenhaus- und Kurzzeitpflege-Aufenthalte wechseln sich ab, und als sie endlich wieder zu Hause ist, stirbt im Mai 2018 Wilhelm.
Trotz alledem rappelt sich Liselotte noch einmal auf und kommt ab Anfang 2020 wieder weitgehend ohne Unterstützung durch eine Pflegekraft zurecht. Am 19. April 2021 muss sie allerdings mit einem Magendurchbruch erneut in die Klinik nach Oldenburg, wo sie zunächst im Pius-Hospital und dann auf der Palliativstation des Evangelischen Krankenhauses versorgt wird. Dort stirbt sie am 5. Mai 2021. Beerdigt ist Liselotte neun Tage später auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.