Lily Witte wird am 6. April 1921 als erstes Kind von Georg Lange und Anna Lange geboren. Sie ist die ältere Schwester von Wilma Braun.
Im Frühjahr 1921 ist der Erste Weltkrieg, der die bis 1918 geltende Ordnung in Europa hinweggefegt hat, seit mehr als zwei Jahren vorüber. Seine Nachwirkungen sind jedoch in der Weimarer Republik, dem Nachfolge-Staat des Deutschen Kaiserreichs, allgegenwärtig. Um die Reparationsforderungen ihrer Regierungen durchzusetzen, besetzen Anfang März französische und britische Truppen Düsseldorf und Duisburg. Im Osten wiederum kämpfen polnische Freischärler unter Führung von Wojciech Korfanty für den Anschluss Oberschlesiens an die Zweite Polnische Republik. Fast wie ein Zeichen dafür, dass es ein Zurück in die alte Vorkriegswelt nicht gibt, stirbt wenige Tage nach Lilys Geburt Auguste Viktoria, die Ehefrau des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., in ihrem holländischen Exil.
Auch wirtschaftlich ist 1921 kein gutes Jahr für Deutschland. Um die Reparationen zahlen zu können, erhöht die Regierung unter dem neuen Reichskanzler Joseph Wirth die Geldmenge, was einen massiven Kursverlust der Reichsmark an den Devisenbörsen nach sich zieht. Die Geldentwertung, die schließlich zwei Jahre später in eine Hyperinflation mündet, schreitet mit jedem Monat stärker voran. Eine Entwicklung, die ganz massiv auch die Landwirtschaft trifft, denn für deren Produkte gelten im Deutschen Reich Festpreise.
Ein spannungsgeladenes Umfeld also, in dem Lily in den folgenden Jahren auf dem elterlichen Hof (heute: Helmut und Linda Braun) aufwächst und ab 1927 die Volksschule Hurrel besucht. Während sie dort mit den in etwa gleichaltrigen Mitschülerinnen Ilse Asseln, Klara Brinkmann, Sophie Mönnich, Rosa Pape, Anneliese Schwarting und Adele Sparke zunächst von Hans Prull und ab 1933 von August Meyer unterrichtet wird, taumelt die Weimarer Republik ihrem Ende entgegen: Am 30. Januar 1933 übernehmen die Nationalsozialisten um Adolf Hitler die Macht im Staat.
Nach Schulabschluss und Konfirmation geht Lily zunächst auf dem 1450 erstmals erwähnten Hof Wübbenhorst zu Wübbenhorst in Hohenböken in Stellung. Ihren künftigen, sieben Jahre älteren Ehemann Hans Witte aus Tweelbäke lernt sie aber vermutlich bereits in Hurrel kennen: Er absolviert dort Mitte der 30er Jahre eine landwirtschaftliche Ausbildung auf dem Hof von Johann Heinemann.
Lily und Hans heiraten am 25. September 1942 – mitten in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, an dem Hans als Soldat teilnimmt. Auf den Tag genau drei Monate später bringt Lily in Oldenburg Tochter Helga zur Welt, die in ihren ersten fünf Lebensjahren ohne Vater auskommen muss: Hans gerät 1944 in französische Kriegsgefangenschaft und kehrt erst Anfang 1948 nach Hurrel zurück.
Auf dem elterlichen Hof, auf dem Lily und Helga in der Zwischenzeit leben, tut sich kurz vor Hans‘ Ankunft einiges: Schwester Wilma heiratet im November 1947 den aus Hinterpommern stammenden Flüchtling Artur Braun, dessen zur Hochzeit aus der sowjetischen Besatzungszone angereister Vater Reinhard kurzerhand in Hurrel bleibt. Mit Wilmas und Arturs im Mai 1948 geborenem Sohn Egon kündigt sich zudem Nachwuchs an. Deshalb zieht Lily mit Helga und Hans im Frühjahr 1948 zunächst auf den Hof von Hans‘ Eltern nach Tweelbäke und ein knappes Jahr später in eine frei gewordene Oberwohnung im Haus von Diedrich und Minna Schmidt an der Hurreler Straße (heute: Andreas Linke und Bettina Heinemann-Linke). Dort macht im Juli 1949 Sohn Horst die Familie komplett.
Kurz bevor im August 1951 ein Blitzschlag das Haus ihres Onkels Friedrich Lange in Brand setzt, zieht Lily mit Hans und den Kindern auf einen später von Adolf Schmerdtmann gekauften Hof am Goehlweg. Weil Hans mittlerweile in der Warpsspinnerei in Osternburg arbeitet, sehen beide sich aber schon bald nach einer Wohnmöglichkeit in Oldenburg um. Fündig werden sie schließlich am Helmsweg. Bis die Vormieter den 1955 gekauften Resthof verlassen, vergehen allerdings noch mehr als fünf Jahre: Erst 1961 können Lily und Hans mit Horst einziehen. Helga hat den elterlichen Haushalt zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen und arbeitet in Schmede.
Während Hans in den Folgejahren weiter auf der Warpsspinnerei und später beim Holzgroßhandel Bohlen & Sohn arbeitet, kümmert sich Lily um die kleine, nebenbei mit einigen Kühen, Schweinen und Hühnern betriebene Landwirtschaft. So organisiert sie unter anderem den Hofverkauf von Eiern und Milch. Nach seiner Heirat mit Ursula Claußen im August 1974 errichtet Sohn Horst auf dem elterlichen Grundstück ein zweites Wohnhaus, das im Jahr darauf bezugsfertig ist. Die 1979 und 1983 geborenen Enkel Sascha und Florian sehen Hans und Lily so in nächster Nähe aufwachsen. Tochter Helga lebt seit 1964 mit ihrem Ehemann Wilfried Pannemann und den Kindern Hille und Hergen in Großenkneten.
Nach dem plötzlichen Tod von Hans im Oktober 1991 lebt Lily zunächst weiter in ihrem Haus und widmet sich dort nach Aufgabe der Landwirtschaft vor allem dem liebevoll gepflegten Garten. Nach einem notwendig gewordenen Krankenhaus-Aufenthalt im Februar 1998 verbringt sie noch einige Wochen im Wohn- und Pflegezentrum Breewaterweg, wo sie am 25. April 1998 nach einem kurz zuvor erlittenen Schlaganfall stirbt. Beerdigt ist Lily fünf Tage später auf dem Alten Osternburger Friedhof.