Klara Wachtendorf wird am 15. April 1905 als erstes Kind von Hinrich Pape und Gesine Pape in Dingstede geboren. Sie ist die ältere Schwester von Georg Pape, Johann Pape, Adolf Pape, Rudolf Pape, Arthur Pape, Ida Busemann, Frieda Pape, Rosa Westerholt, Heino Pape und Walter Pape. Daneben hat sie mit Katharine Wieting, Anna Marie Eilers, Heinrich Pape, Karl Friedrich Pape, Friedrich Wilhelm Pape und den als Kindern verstorbenen Johanne Pape und Johann Pape noch sieben Halbgeschwister aus der ersten Ehe ihres Vaters sowie mit Wihelm Engels einen älteren Halbbruder mütterlicherseits.
Eine Woche vor Klaras Geburt stellt der französische Radrennfahrer Paul Guignard im Prinzenpark-Stadion in Paris einen neuen Weltrekord auf. Im Windschatten einer Schrittmacher-Maschine erreicht er eine Geschwindigkeit von 89,9 Stundenkilometern. Es ist bereits Guignards dritter Anlauf, um die bisherige, von seinem Landsmann Louis Darragon im Oktober 1904 aufgestellte Bestmarke von 87,9 Stundenkilometern zu knacken. Das erste Mal stoppt ihn ein defekter Reifen, das zweite Mal ein Motorschaden des Schrittmachers. Beim zweiten Mal stürzt Guignard und zieht sich erhebliche Verletzungen zu, die ihn aber bei seinem neuerlichen Rekordversuch nur noch geringfügig behindern.
Der Radrennsport genießt Anfang des 20. Jahrhunderts in ganz Europa eine enorme Popularität. Dabei sind die im Windschatten von Motorrädern gefahrenen Steher-Rennen die Königsdisziplin – durchaus vergleichbar der späteren Formel 1 im Automobilsport. In puncto Gefährlichkeit stehen sie einem Autorennen in nichts nach, im Gegenteil: Immer wieder kommt es aus Unachtsamkeit oder Material-Überlastung zu schweren und nicht selten tödlichen Stürzen. Etwa im November 1904, als der Franzose Charles Albert Brécy seinen Versuch, Darragons Geschwindigkeitsrekord zu überbieten, mit dem Leben bezahlt. Am 7. Mai 1905 erwischt es den deutschen Steher Hubert Sevenich: Er wird bei einem Rennen in Braunschweig von einem nachfolgenden Motorrad an die Barriere gedrückt.
Zu den bekanntesten deutschen Vertretern dieser Sportart gehört der Mülheimer Radprofi Willy Schmitter. Am 18. September 1905 stirbt auch Schmitter den typischen Steher-Tod: Bei den Europameisterschaften in Leipzig stürzt er nach einem geplatzten Reifen vom Rad und wird vor den Augen von 30.000 Zuschauern vom nachfolgenden Schrittmacher überrollt. Bei seinem Begräbnis drängen sich für das letzte Geleit mehr als 50.000 Menschen dicht an dicht. Ein knappes Dutzend tödlich verunglückte Steher und Schrittmacher später kommt es schließlich am 18. Juli 1909 zur Rennbahn-Katastrophe von Berlin: Dabei rast ein Schrittmacher-Motorrad in die Zuschauermenge, der Tank explodiert und fordert insgesamt neun Todesopfer und mehr als 40 Verletzte. Es ist das bis heute größte Unglück im deutschen Radsport – führt aber nach einer kurzen Unterbrechung nur zu marginalen Änderungen am Reglement entsprechender Rennen.
Zu diesem Zeitpunkt lebt Klaras Familie bereits seit zwei Jahren in Hurrel, wo Vater Hinrich 1907 am Hasenlager eine ursprünglich von Hermann Quitsch begründete Hofstelle gekauft hat. Am neuen Wohnort ist das Radfahren in jenen Jahren ebenfalls äußerst populär: Dem 1902 gegründeten Verein „Wanderlust“ sind gleich zu Beginn 45 Hurreler beigetreten. Auch dort finden neben gemeinsamen Ausfahrten regelmäßig Wettkämpfe statt – unter anderem im Langsamfahren, wie Gründungsmitglied Georg Barkemeyer der „Nordwest-Zeitung“ zum 50-jährigen Vereinsjubiläum erzählen wird. Gut möglich, dass Klara als Schülerin diese Wettkämpfe verfolgt. Ein eigenes Fahrrad dürfte sie in jenen Jahren allerdings wie die meisten ihrer in etwa gleichaltrigen Klassenkameradinnen – unter anderem Sophie Albers, Alma Bleckwehl, Henny Heinemann, Martha Lange, Martha Spreen und Martha Wilkens – kaum besitzen.
Der im August 1914 ausbrechende Erste Weltkrieg bringt nicht nur die Aktivitäten der Hurreler Radfahrer zum Erliegen, er markiert das Ende einer ganzen Epoche. Auch Klaras Familie bekommt die Folgen unmittelbar zu spüren: Ihr zur kaiserlichen Armee eingezogener Halbbruder Heinrich stirbt im Oktober 1916 in englischer Gefangenschaft, nur sieben Wochen nach der Geburt der bis dato jüngsten Schwester Ida. Die nächstgeborene Schwester Frieda kommt im August 1918 wenige Monate vor Kriegsende zur Welt, wird aber nur anderthalb Jahre alt.
Ob Klara bei Friedas Tod im März 1920 noch in Hurrel lebt oder den elterlichen Hof bereits verlassen hat, liegt heute im Dunkeln. Überliefert ist lediglich, dass sie in den 20er Jahren als Haushaltshilfe in Rethorn arbeitet. In dieser Zeit lernt Klara ihren künftigen Ehemann Emil Wachtendorf kennen, den sie am 7. Mai 1929 in Ganderkesee heiratet.
Klaras vier Monate vor der Trauung verstorbener Schwiegervater Heinrich Wachtendorf, im Hauptberuf Chausseewärter, hat mit Ehefrau Anna Elisabeth im heutigen Bookholzberg an der Stedinger Sraße nebenbei einen Bauernhof bewirtschaftet. Dort übernehmen nun Emil und Klara die Regie und bauen die Landwirtschaft durch Zupacht weiter aus. In wirtschaftlich wie politisch zunehmend schwieriger werdenden Zeiten bringt Klara darüber hinaus bis zum Ende der Weimarer Republik mit Erich (geboren im März 1930) und Linda (Mai 1931) zwei Kinder zur Welt.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 verwirklicht Oldenburgs aus Lemwerder stammender Gauleiter Carl Röver direkt in Klaras Nachbarschaft ein Herzensprojekt: die Freilichtbühne Stedingsehre. Jeweils im Sommer 1935 und 1937 präsentieren dort Schauspieler des Staatstheaters Oldenburg gemeinsam mit Laien aus der Region das von August Hinrichs geschriebene Theaterstück „De Stedinge“. Ein martialisches Spektakel im Geiste der Blut-und-Boden-Ideologie, das in den beiden genannten Spielzeiten der Überlieferung zufolge insgesamt 230.000 Zuschauer anzieht – was vermutlich nicht ohne Auswirkung auf die von Klara und Emil bewirtschafteten Flächen bleibt.
Im Juni 1939 findet auf Stedingsehre mit einer Sonnenwendfeier in Anwesenheit von Reichsleiter Alfred Rosenberg noch einmal eine Massen-Veranstaltung statt – fünf Monate, nachdem Klara durch die Geburt von Tochter Ilse zum dritten Mal Mutter geworden ist. Als im März 1941 das vierte Kind Helga hinzukommt, tobt bereits seit anderthalb Jahren der mit dem Überfall auf Polen begonnene Zweite Weltkrieg. Dieses Mal verlieren dabei mit Arthur und Heino gleich zwei von Klaras Brüdern ihr Leben, in den letzten Kriegstagen trifft es in Hurrel auch Vater Hinrich. Kurz nach der offiziellen Kapitulation der Wehrmacht gibt es dann mit Schwiegermutter Anna Elisabeth ein letztes Opfer zu beklagen: Sie tritt in der Nähe ihres Hofes auf eine Mine; Klara bringt sie Erzählungen aus der Familie zufolge eigenhändig in einer Schubkarre zum Friedhof.
Wie überall in Deutschland sind die ersten Nachkriegsjahre auf dem Wachtendorf-Hof ebenfalls alles andere als einfach. Doch es kommen auch wieder bessere Zeiten. Zu Ostern 1952 beispielsweise gibt es eine Doppel-Verlobung zu feiern: Klaras Sohn Erich verspricht Hilde Isermann aus Krögerdorf die Ehe, Tochter Linda verbindet sich mit Heinz Tönjes aus Brandewurth. Auch die dazugehörenden Hochzeiten umweht der Hauch des Besonderen: Hof-Nachfolger Erich und Hilde sind am 9. Januar 1954 das erste Paar, das in der neu erbauten Auferstehungskirche in Bookholzberg getraut wird. Linda und Heinz wiederum heiraten am 7. Mai 1954 – dem 25. Hochzeitstag von Klara und Emil.
Ende der 60er Jahre – Klara und Emil haben sich inzwischen aufs Altenteil zurückgezogen – verpachten Erich und Hilde den Stammhof an der Stedinger Straße und pachten zwei Kilometer entfernt am Brummelhoop einen größeren Betrieb. Dort stirbt Emil am 22. Dezember 1980 im Alter von 78 Jahren. Anderthalb Jahre zuvor konnten Klara und Emil noch mit Verwandten, Freunden und Bekannten im Traditions-Gasthof „Zum Schwarzen Ross“ ihre Goldene Hochzeit feiern, dieses Mal kombiniert mit der Silberhochzeit von Tochter Linda und Heinz Tönjes.
Klara selbst erlebt Anfang 1988 noch den nächsten Umzug zurück an die Stedinger Straße mit, wo sie drei Monate später ein letztes Mal Geburtstag feiert. Sie stirbt am 2. Februar 1989 im Josef-Hospital in Delmenhorst an einem Darmverschluss. Beerdigt ist Klara vier Tage später auf dem Friedhof der Auferstehungskirche in Bookholzberg.