Karl Friedrich Schimmelpfennig wird am 30. Oktober 1901 als erstes Kind von Johannes Schimmelpfennig und Martha Schimmelpfennig in Briesen im zu Pommern gehörenden Kreis Schivelbein geboren. Er ist der ältere Bruder von Lieselotte Topp und Paula Philipp.
Elf Tage vor Karls Geburt sichert sich in Paris der brasilianische Flug-Pionier Alberto Santos Dumont den von Henry Deutsch de la Meurthe gestifteten Deutsch-Preis. Der flugbegeisterte französische Öl-Industrielle hatte demjenigen 100.000 Francs versprochen, der als Erster mit einem Luftschiff vom Vorort Saint-Cloud aus den Eiffelturm umrundet und ohne Zwischenlandung innerhalb von 30 Minuten zum Startplatz zurückkehrt. Santos Dumont hatte dazu bereits mehrere gescheiterte Anläufe genommen – bei einem davon war sein Luftschiff in Brand geraten und er konnte sich nur durch den Sprung an die Fensterbank eines Hotels retten.
Obwohl unterwegs der Motor mehrmals kurz aussetzt, geht dieses Mal alles glatt. Trotzdem weigert sich Deutsch de la Meurthe anfangs, das Preisgeld auszuzahlen: Santos Dumont bleibt zwar nach Aussage mehrerer Zeugen knapp unter dem geforderten Limit, doch der offizielle Zeitnehmer notiert einschließlich Landung eine Flugdauer von 30 Minuten und 40 Sekunden. Erst Anfang November gibt der Sponsor aufgrund einer Serie kritischer Berichte in der Pariser Presse nach und der als Sohn eines Kaffeeplantagen-Besitzers kaum minder begüterte Gewinner kann seinerseits das Versprechen einlösen, den größten Teil der Prämie für wohltätige Zwecke zu spenden.
Die vielumjubelte Umrundung des Eiffelturms ist nicht die letzte Aktion, durch die Santos Dumont von sich reden macht. Nach weiteren spektakulären Fahrten mit selbstgebauten Luftschiffen ist er im Oktober 1906 auch der Erste, der mit einem Konstrukt der Kategorie „Schwerer als Luft“ einen offiziell anerkannten Motorflug absolviert. Mit der Demoiselle Nr. 22 entwickelt Santos Dumont zudem 1909 das erste in Kleinserie produzierte Sportflugzeug der Welt. Nur ein Jahr später gibt er allerdings nach längerer Krankheit seine Tätigkeit als Pilot und Konstrukteur auf und widmet sich vornehmlich der Astronomie.
Zu diesem Zeitpunkt besucht Karl in Briesen, wo seine Eltern einen kleinen Bauernhof besitzen, bereits die örtliche Volksschule. Nach deren Abschluss wechselt er auf die Landwirtschaftsschule in Schivelbein und bereitet sich anschließend auf seinen Militärdienst vor. Zu einem Einsatz im 1918 endenden Ersten Weltkrieg kommt es allerdings nicht mehr. Stattdessen wechselt Karl auf die Oberrealschule in Stolp, wo er 1921 das Abitur ablegt.
Allen wirtschaftlichen Nöten zum Trotz – sein Vater hat wie Millionen andere Deutsche mit Kriegsanleihen viel Geld verloren – bekommt Karl aus dem Elternhaus Rückendeckung für eine akademische Laufbahn. Er studiert Landwirtschaft und Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, die ihm 1924 für seine Dissertation „Die Bedeutung des hannoverschen Pferdes für die pommersche Pferdezucht“ einen Doktortitel verleiht.
Nach ersten praktischen Erfahrungen auf landwirtschaftlichen Betrieben in Pommern, Brandenburg und Schlesien verschlägt es Karl nach Lüneburg, wo er fortan als Tierzucht-Inspektor arbeitet. Von dort bewirbt er sich 1930 auf eine frei gewordene Stelle als Zuchtleiter des Oldenburger Herdbuch-Vereins – und bekommt prompt den Zuschlag, obwohl er mit 28 Jahren deutlich jünger ist als andere Mitbewerber.
Der Freistaat Oldenburg ist bereits damals eines der Zentren der deutschen Rinderzucht. Schon seit 1880 sind die Züchter der Region verbandlich organisiert – zunächst allerdings getrennt nach Marsch– und Geest-Bauern. Erstere gehören der Oldenburgischen Wesermarsch-Herdbuch-Gesellschaft in Rodenkirchen an, letztere dem Oldenburger Herdbuch-Verein. An der Bündelung dieser Kräfte mitzuwirken, gehört nach Dienstantritt zu Karls vorrangigen Aufgaben. Tatsächlich fusionieren beide Verbände 1932 zur Oldenburger Herdbuchgesellschaft mit Karl als neuem Geschäftsführer. Ein Jahr nach diesem Aufstieg heiratet Karl Lilly Haeder, die aus Lübeck stammt und in der Bahnhofstraße in der Praxis des mit Karl befreundeten Arztes Georg Stalling arbeitet.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Anfang 1933 steht die deutsche Agrarpolitik ganz im Zeichen der von Walther Darré begründeten Blut-und-Boden-Ideologie. So verwerflich diese im Detail auch sein mag: Die von Karl verfolgten Hauptziele, nämlich anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse die Milch- und Mastleistung der im Einzugsgebiet gehaltenen Zuchttiere nachhaltig zu steigern und Viehseuchen jeglicher Art wirksam zu bekämpfen, stehen ihr nicht entgegen und wären vermutlich von jeder demokratischen Regierung ähnlich kompromisslos forciert worden. Deshalb kann Karl in den folgenden Jahren nahezu unbehelligt von ideologischen Vorgaben seiner Arbeit nachgehen.
Außer auf die beiden genannten Ziele konzentriert sich Karl unter anderem darauf, Oldenburg als Viehhandels-Drehscheibe zu etablieren. So gibt es ab 1937 mit einer auf seine Initiative hin angekauften Hallenanlage an der Wunderburgstraße einen festen Auktionsplatz. Im März 1938 wird Karl dann zum ersten Mal Vater: Lilly bringt Sohn Dieter zur Welt.
Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 hat für Karl zunächst kaum Auswirkungen. Er gilt als unabkömmlich und lebt mit seiner Familie weiter in einer von der Herdbuchgesellschaft zur Verfügung gestellten Dienstwohnung an der Osterstraße. Kurz nach der Geburt des zweiten Sohnes Volker im Oktober 1944 bringt Karl allerdings Lilly und die Kinder auf dem Hof eines befreundeten Bauern in Wemkendorf bei Wiefelstede in Sicherheit. Dort erlebt er im Frühjahr 1945 den Einmarsch der alliierten Truppen.
Nur wenige Wochen später nimmt Karl seinen alten Posten wieder ein. Im Kampf gegen Rinder-Tuberkulose und die Verkalbe-Seuche Brucellose erzielt er rasch Fortschritte – wobei ihm vereinzelt auch das Glück zu Hilfe kommt. „Ich habe nach dem Krieg Kontakt mit dem obersten Veterinär der Amerikaner aufgenommen“, erzählt Karl Jahrzehnte später einem Reporter der Nordwest-Zeitung vom erfolgreichen Versuch, für seine Arbeit Mittel aus dem Marshall-Plan zu bekommen: „Er saß in Bonn, ich fuhr hin. Doch bei allem Wohlwollen, das er mir entgegenbrachte, Geld konnte er mir nicht geben. Gerade habe er eine Anweisung ausgestellt, sagte mir der Oberst, jetzt sei kein Geld mehr da. Zufällig kannte mich die Mitarbeiterin, wir haben beide mal in der Lüneburger Heide gelebt. Sie versprach, etwas für mich zu tun. Als ich ein zweites Mal nach Bonn fuhr, bekam ich das Geld; die Mitarbeiterin hatte die erste Anweisung einfach zerrissen.“
Trotz einiger Widerstände setzt Karl im Verbandsgebiet durch, dass erkrankte Tiere rigoros von Auktionen ausgeschlossen werden. Für davon betroffene Landwirte ist dies natürlich mit Härten verbunden: Ihnen bleibt nur das Schlachthaus, wobei die Tierseuchenkasse lediglich einen Teil des Schadens ersetzt. Auch die Molkereien ziehen mit Karl an einem Strang und nehmen von infizierten Kühen keine Milch mehr an. Eine konzertierte Aktion, die sich nach längerer Durststrecke bezahlt macht. Weil die Käufer sicher sein können, ausschließlich gesunde Tiere zu erhalten, bekommen die Oldenburger Auktionen ungeahnten Zulauf: In Spitzenzeiten werden über 1.000 Tiere aufgerufen und damit mehr als an jedem anderen Vieh-Umschlagplatz der noch jungen Bundesrepublik. Da der Platz auf dem Gelände der alten Wunderburg-Hallen nicht mehr ausreicht, beteiligt sich Karl ab 1951 an den Planungen zum Bau der deutlich größeren Weser-Ems-Halle. Diese wird im September 1954 feierlich eingeweiht.
Karls Methoden machen in ganz Deutschland Schule. Schon bald hagelt es deshalb Auszeichnungen: Zum 25-jährigen Dienstjubiläum überreicht ihm Oldenburgs Verwaltungspräsident Robert Dannemann im August 1955 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Zeitgleich ernennt die Tierärztliche Hochschule Hannover Karl zum Ehrenbürger, und er darf sich mit der Max-Eyth-Medaille der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft schmücken. Anlässlich ihrer 400-Jahr-Feier beruft ihn zudem die Friedrich-Schiller-Universität in Jena, an der er studiert hat, 1958 zum Ehrendoktor – mitten im Kalten Krieg ein echtes Politikum.
Bereits fünf Jahre vor seiner vielbeachteten Reise nach Jena wird Karl zum Teilzeit-Hurreler. Seit er in Oldenburg lebt, vermisst er einen Rückzugsort in der Natur. Das Dienstgebäude in der Osterstraße hat nur einen kleinen Hinterhof, so dass Karl mit seiner Familie fast jedes Wochenende im schilfgrünen VW Käfer nach Sandkrug fährt und dort durchs Barneführer Holz spaziert. Bis ihm eines Tages der befreundete Huder Auktionator Heinrich Degen ein 1934 von Georg Schleusener im Hurreler Sand errichtetes Siedlungshaus (heute: Dieter Schimmelpfennig) als Zweitwohnsitz anbietet.
Nach anfänglichem Zögern – ihm erscheint der ursprünglich geforderte Preis zu hoch – greift Karl zu. Zunächst kann er nur das Erdgeschoss nutzen, denn in der oberen Etage wohnt noch die aus Mecklenburg stammende Familie von Carl-Gustav von Hahn. Als diese bald nach dem Kauf auszieht, beginnt Karl mit ersten Modernisierungsarbeiten – beim Kauf gibt es weder elektrisches Licht noch fließendes Wasser geschweige denn eine Heizung – und verbringt fortan jedes freie Wochenende und unter der Woche so manchen lauen Sommerabend in seinem neuen Refugium. Später tritt er auch einer der örtlichen Jagdgenossenschaften bei, ohne auf diesem Gebiet jedoch allzu aktiv zu werden.
Beruflich läuft es für Karl weiter gut. Dank seines Wirkens sind Rinder-Tuberkulose und Brucellose Mitte der 60er Jahre in Deutschland nahezu ausgerottet. Um die Milchleistungen weiter zu steigern, beschäftigt sich Karl nun unter anderem mit Fragen der Vererbungslehre und der sich rasch ausbreitenden künstlichen Besamung. Als Vortragsredner und Autor ist Karl zu diesen Themen ebenso gefragt wie als ehrenamtliches Mitglied in den entsprechenden Gremien der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde. Außerhalb seines Berufsfeldes betätigt er sich darüber hinaus im Lions-Club Oldenburg.
Im August 1967 organisiert Karl in der Weser-Ems-Halle die Ausstellung „Landwirtschaft und Technik“. Es ist bundesweit die erste Schwarzbunt-Schau über alle Verbands- und Landesgrenzen hinweg mit zahlreichen Besuchern aus dem In- und Ausland. An ihrer Planung hat Karl fast sieben Jahre lang gearbeitet.
Obwohl er zwei Monate später 66 wird, denkt Karl noch nicht ans Aufhören. Erst im Oktober 1971 geht er in den Ruhestand – und erfüllt sich bald darauf einen Herzenswunsch: Zusammen mit den Söhnen Dieter und Volker besucht er seine alte pommersche Heimat. Danach beschäftigt Karl sich vornehmlich mit privaten Studien, die sich keineswegs ausschließlich um das Thema Tierzucht drehen: So interessieren ihn seit jeher brennend alle Aspekte preußischer Geschichte – ein Hobby, dem er auch in seinem Hurreler Landhaus manche Stunde widmet.
Als Lilly Ende 1983 nach kurzer Krankheit stirbt, bleibt Karl zunächst in seiner Wohnung in der Osterstraße wohnen. Als schließlich auch die eigenen Gebrechen größer werden, zieht er in das Hansa-Stift Ofenerdiek. Dort stirbt er am 20. Juni 1990, wenige Monate vor seinem 89. Geburtstag. Beerdigt ist er am 3. Juli auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg.