Käthe Jung – Biographie

Käthe Ruth Jung wird am 2. September 1928 als erstes Kind von Hans Pranke und Erna Pranke in Kreuz in der Grenzmark Posen-Westpreußen geboren. Sie ist die ältere Schwester von Gisela Gütebier und Hans-Wolfgang Pranke.

Eine Woche vor Käthes Geburt unterzeichnen Vertreter von 15 Nationen in Paris den Briand-Kellogg-Pakt. Dabei handelt es sich um den ersten völkerrechtlichen Vertrag, der den Krieg als Mittel der Politik ausdrücklich ächtet. Künftige Streitigkeiten zwischen einzelnen Staaten sollen künftig ausschließlich friedlich gelöst werden, wobei das Recht eines jeden Staates auf Selbstverteidigung davon unberührt bleibt.

Der Vertrag geht zurück auf eine 1927 gestartete Initiative des französischen Außenministers Aristide Briand, der ursprünglich nur einen Kriegsverzichts-Pakt zwischen Frankreich und den USA anstrebt – mit dem Hintergedanken, dadurch eine stärkere Annäherung Deutschlands an die USA zu verhindern. Darauf lässt sich der amerikanische Außenminister Frank Billings Kellogg jedoch nicht ein und schlägt stattdessen vor, in einem ersten Schritt sämtliche Großmächte und später auch andere Staaten einzubeziehen. Ein Vorschlag, den Friedensnobelpreisträger Briand schwerlich ablehnen kann und den Deutschlands Außenminister Gustav Stresemann gerne aufgreift: Bietet er doch zehn Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs die Chance, die rüstungspolitische Diskriminierung der Weimarer Republik durch den Versailler Vertrag abzumildern und gleichzeitig der noch immer misstrauischen Weltöffentlichkeit gegenüber Friedensbereitschaft zu demonstrieren.

Neben Frankreich, den USA und Deutschland gehören Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland, Italien, Indien, Irland, Südafrika, Belgien, Japan, Polen und die Tschechoslowakei zu den Erstunterzeichnern. Noch bevor der Pakt am 24. Juli 1929 in Kraft tritt, kommen weitere 30 Staaten hinzu. Den meisten Regierungen fällt die Unterschrift relativ leicht: Zum einen ergeben sich daraus keine konkreten Pflichten, zum anderen sieht das Vertragswerk keinerlei Sanktionen für den Fall eines Verstoßes vor.

Deutlich wird dieses Manko zum ersten Mal 1931 in der Mandschurei-Krise, als japanische Truppen weite Teile Nordost-Chinas besetzen. Später fühlen sich weder Italiens Diktator Benito Mussolini – er erklärt im Oktober 1935 dem ostafrikanischen Kaiserreich Abessinien den Krieg – noch im September 1939 Deutschlands Führer Adolf Hitler beim Überfall auf Polen an den Briand-Kellogg-Pakt gebunden.

Von der Westerplatte im Freistaat Danzig – dem Ort des Polen-Überfalls, mit dem der Zweite Weltkrieg beginnt – ist Käthes Heimatort rund 300 Kilometer entfernt. Gleichwohl liegt Polen praktisch direkt vor der Haustür: Mit seinen rund 5.000 Einwohnern gehört Krenz zum vergleichsweise kleinen Teil Westpreußens, der nach dem Ersten Weltkrieg deutsch bleibt. Inwieweit die unmittelbare Nähe zur neu gezogenen polnischen Grenze bis 1939 Einfluss auf Käthes Kindheit nimmt, ist nicht überliefert. Die zweite Hälfte ihrer Schulzeit und erst recht die folgenden zwei Jahre dürften jedoch von den zahlreichen Entbehrungen des ab 1943 für Deutschland kaum noch zu gewinnenden Krieges geprägt sein.

Als Anfang 1945 die Rote Armee immer näher rückt, setzt Hans Pranke seine Familie in einen Richtung Westen fahrenden Zug und schärft ihr ein, sich irgendwie zu seinem in Oldenburg lebenden Bruder Bruno durchzuschlagen. Dort sollen sich nach Kriegsende alle wiedertreffen. Käthe, ihre Mutter und die Geschwister kommen an, nicht jedoch Vater Hans: Er muss noch am selben Tag an die Ostfront zurück und gilt seither als vermisst.

Nach der Ankunft in Oldenburg kommt Erna Pranke mit den Kindern notdürftig in einer Wohnung in der Peterstraße unter. Der zunehmenden Enge in der Stadt, die durch die zahlreichen Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten innerhalb weniger Jahre von 80.000 auf mehr als 120.000 Einwohner wächst, entzieht sich Käthe, indem sie 1949 nach England geht und in Leeds eine Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Als sie vier Jahre später wieder zuhause einzieht, ist sie nicht allein: Tochter Careen, im Februar 1953 in der nordenglischen Metropole geboren, gehört fortan mit zur Familie.

Ein Flüchtlingsmädchen aus dem Osten mit einem unehelichen Kind und einer in Deutschland nicht anerkannten Ausbildung zur Krankenschwester – es gibt vermutlich günstigere Ausgangssituationen, um im Oldenburg der 50er Jahre das Glück an die eigene Tür klopfen zu lassen. Bei Käthe klopft es trotzdem. Und zwar in Gestalt von Conrad Jung, der eigentlich nur bei ihrer Mutter ein kurz zuvor in seinem Laden gekauftes Radiogerät aufbauen will. Wie eben das Leben manchmal so spielt.

Nach der Heirat am 3. April 1954 zieht Käthe – ohne Careen, die bei der Großmutter in Oldenburg aufwächst – zu Conrad und Schwiegermutter Margaretha nach Hurrel. Dort hat Conrads kurz zuvor verstorbener Vater Leo 1923 einen schon ab Mitte der 30er Jahre verpachteten Hof am Hesterort gekauft. Knapp sechs Monate später kommt die erste gemeinsame Tochter Constanze zur Welt. In den Jahren bis zur Geburt der zweiten Tochter Inka-Kathrin im Januar 1967 unterstützt Käthe Conrad in seinem 1954 in der Langen Straße in Oldenburg neu eröffneten Geschäft „Radio Jung“. Eine Mitarbeit, die anschließend so nicht mehr möglich ist, denn Inka-Kathrin benötigt aufgrund ihres Down-Syndroms ein Maximum an Zuwendung und Fürsorge.

Kurz nach Inka-Kathrins Einschulung orientiert sich Käthe beruflich noch einmal neu und beginnt eine Ausbildung zur Erzieherin. Danach arbeitet sie halbtags im Spielkreis Altmoorhausen, aus dem einige Jahre später der Kindergarten Altmoorhausen hervorgeht, sowie zeitweise auch im Kindergarten Wüsting. Im Herbst 1991 geht sie mit 63 Jahren in Rente und kümmert sich in den folgenden Jahren weiter um Inka-Kathrin, der sie dadurch ein weitgehend selbstbestimmtes Leben im eigenen Zuhause ermöglicht.

Die Pläne, nach der Aufgabe des Ladengeschäfts Ende 1995 das Mehr an freier Zeit mit Conrad zu verbringen, lassen sich nicht mehr verwirklichen: Käthe stirbt am 2. April 1996 an Krebs und wird wenige Tage später auf dem Gertrudenfriedhof in Oldenburg beigesetzt.