Johanne Gesine Friederike Hohlen wird am 6. Dezember 1883 als zweites Kind von Johann Gerhard Schönberg und Anna Marie Schönberg in Norderhofschlag bei Ovelgönne geboren. Sie ist die jüngere Schwester von Anna Margarethe Bremer und die ältere Schwester von Helene Margarete Baumann, Eilert Johann Schönberg, Helene Marie Rühlmann, Anna Elise Henriette Buchholz, Heinrich Georg Schönberg, Anna Gesine Marie Henken, Sophie Gesine Wilhelmine Baumann, Gesine Diederike Schönberg und Martha Helene Krumacker.
Fünf Tage vor Johannes Geburt treten im Deutschen Reich die ersten Bestimmungen des Krankenversicherungsgesetzes für Arbeiter in Kraft. Mit seiner Verabschiedung hat der Reichstag in Berlin am 15. Juni 1883 Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal erhalten Arbeitnehmer auf nationaler Ebene einen Rechtsanspruch auf medizinische Versorgung und finanzielle Hilfen im Krankheitsfall. Verbunden damit ist die zwangsweise Mitgliedschaft in einer Krankenkasse, die ihre Leistungen zu zwei Dritteln aus den Beiträgen der Versicherten und zu einem Drittel aus den Beiträgen der jeweiligen Arbeitgeber finanziert.
Als Initiator des Gesetzes gilt Reichskanzler Otto von Bismarck, der damit zum einen auf die zunehmende Verelendung von Arbeiterfamilien im Zeitalter der Industrialisierung reagiert, wenn der Haupt-Verdiener durch längere Krankheit oder sogar Erwerbsunfähigkeit ausfällt. Zum anderen will Bismarck die Arbeiterschaft stärker an den Staat binden und damit der seit dem Gründerkrach massiv an Boden gewinnenden Sozialdemokratie das Wasser abgraben. Deren Vertreter im Reichstag haben denn auch im Sommer 1883 prompt gegen das neue Regelwerk gestimmt – sicher aus Prinzip, aber auch, weil es ihnen längst nicht weit genug geht.
Tatsächlich sind die durch das Gesetz abgedeckten Leistungen aus heutiger Sicht eher bescheiden. Schließlich werden sie von den zwangsversicherten Arbeitern über ihre Beiträge zum größten Teil selbst finanziert, und sie verhindern im Ernstfall auch nicht den Absturz in die Armut. So zahlen die Krankenkassen bei Arbeitsunfähigkeit maximal 13 Wochen lang ein Krankengeld von bis zu zwei Mark pro Arbeitstag. Das Existenzminimum für eine vierköpfige Familie liegt jedoch bei rund 25 Mark in der Woche. Obwohl Bismarck in den folgenden Jahren mit der Unfallversicherung und der Rentenversicherung seinem Pionier-System der staatlichen Sozialversicherung weitere Säulen hinzufügt, verfehlt er auch das zweite damit verfolgte Ziel: Die von ihm zeitgleich mit dem Sozialistengesetz bekämpfte SPD legt in der Wählergunst kontinuierlich zu und steigt bei der Reichstagswahl vom 20. Februar 1890 zur stärksten Partei auf.
Mögen die versprochenen Leistungen auch verhältnismäßig klein sein – in ihren Anfangsjahren besteht das ungleich größere Manko der von Bismarck initiierten Sozialgesetze darin, dass sie nur wenige Bürger erreichen. Bei der Krankenversicherung sind es zunächst weniger als fünf Millionen, und auch von der 1884 eingeführten Unfallversicherung sind etliche Berufssparten wie Land- und Forstarbeiter oder Beschäftigte im Kleingewerbe ausgeschlossen. Auch über Johannes Familie in der Wesermarsch schwebt somit jederzeit das Risiko, bei längerer Erwerbsunfähigkeit der Eltern sozial abzustürzen und buchstäblich am Hungertuch zu nagen. Obwohl dieses Risiko mit der Geburt jedes weiteren Geschwisterkindes wächst, scheint es letztlich nicht einzutreten.
Womit genau Johann Gerhard und Anna Marie Schönberg in den ersten Ehejahren ihr Geld verdienen, liegt heute im Dunkeln. Vor Johannes Geburt in Norderhofschlag wohnen sie in Meerkirchen bei Großenmeer, wo 1882 auch die ältere Schwester Anna Margarethe geboren ist. Die nächste Schwester Helene Margarete kommt dann 1885 bereits in Wolfstraße bei Oldenbrok zur Welt, wo auch schon Vater Johann Gerhard geboren ist. Dort wird die Familie sesshaft und besitzt auch eine eigene Hofstelle, denn spätere Dokumente bezeichnen Johann Gerhard Schönberg als „Arbeiter und Köter“. Bemerkenswert für die damalige Zeit: Bis auf den 1896 kurz vor seinem vierten Geburtstag verstorbenen Bruder Heinrich Georg erreichen offenbar alle von Johannes Geschwistern das Erwachsenenalter.
Über Johannes vermutlich bis in Bismarcks Todesjahr 1898 hineinreichende Schulzeit ist heute in der Familie nichts mehr bekannt. Dasselbe gilt für die folgenden Jahre bis zu ihrer am 9. September 1904 gefeierten Hochzeit mit Wilhelm Hohlen aus Altendorf. Überliefert ist lediglich, dass beide danach im von Wolfstraße drei Kilometer entfernten Delfshausen eine kleine Hofstelle pachten. Dort bringt Johanne im Oktober 1906 ihr erstes Kind Martha zur Welt, dem bis Juli 1912 mit Johann, Alma und Erich drei weitere folgen.
Der im August 1914 ausbrechende Erste Weltkrieg markiert zweifellos auch für Johannes Familie eine Zäsur. Ob Ehemann Wilhelm in den folgenden Jahren aktiv an den Kämpfen teilnimmt, lässt sich mehr als 100 Jahre später nicht mehr mit Gewissheit sagen. Wenn ja, kehrt er nach der im November 1918 mit dem Waffenstillstand von Compiègne besiegelten Niederlage unversehrt nach Hause zurück. Etwas mehr als ein Jahr zuvor, im September 1917, sind Johanne und Wilhelm mit der Geburt des dritten Sohnes Heino noch ein weiteres Mal Eltern geworden.
Die Anfänge der nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. ausgerufenen Weimarer Republik sind auch für die meisten Menschen im parallel dazu gegründeten Freistaat Oldenburg eine chaotische und schwierige Zeit – allein schon wegen der sich bis Ende 1923 zur Hyperinflation steigernden Geldentwertung. Um wie viel mehr muss das noch für Johanne und Wilhelm gelten, die irgendwann im Sommer 1922 mit der Schwangerschaft ihrer erst 15-jährigen Tochter Martha konfrontiert werden. Wann sich überdies herausstellt, dass Marthas im September 1922 geborener Sohn Ferdinand in seiner geistigen Entwicklung beeinträchtigt ist, ist nicht überliefert. Wie auch immer: Ferdinand wächst fortan innerhalb der Familie auf und gilt Außenstehenden bald als jüngstes Kind seiner Großeltern.
Auch in der Landwirtschaft läuft für Johanne und Wilhelm in den frühen 20er Jahren nicht alles nach Plan. Die nahegelegene Jade überschwemmt immer wieder ihre Felder, so dass die beiden schließlich nach einer Alternative Ausschau halten. Wie dabei der Kontakt zu Heinrich Ahrens in Hurrel zustande kommt, der für seinen an der Pirschstraße gelegenen Hof (heute: Rolf Ahrens und Sonja Kosmann) krankheitsbedingt einen Pächter sucht, lässt sich nur erahnen. Der irgendwann im Laufe des Jahres 1927 vollzogene Umzug wird Johanne und ihrer Familie aber angesichts der Entfernung von mehr als 30 Kilometern logistisch zweifellos einiges abverlangt haben.
In Hurrel lebt sich Johannes Familie – ohne die beiden ältesten Kinder Martha und Johann, die den elterlichen Haushalt bereits verlassen haben – rasch ein. Das gilt insbesondere für die zweite Tochter Alma, die Johanne und Wilhelm mit Friedrich Heinemann schon im folgenden Jahr einen im Dorf geborenen und fortan mit auf dem Ahrens-Hof lebenden Schwiegersohn präsentiert. Im August 1929 bekommt Johanne dann mit Almas und Friedrichs Sohn Helmut ein weiteres Enkelkind.
Die bald nach Helmuts Geburt einsetzende Weltwirtschaftskrise bringt überall in Deutschland die Katastrophenstimmung der frühen 20er Jahre zurück und trägt damit entscheidend zum Aufstieg der sich als Heilsbringer inszenierenden Nationalsozialisten um Adolf Hitler bei. Mit deren Machtübernahme scheint wirtschaftlich zunächst tatsächlich alles besser zu werden, durch die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Berlin gelingt dem innenpolitisch jedwede Opposition brutal unterdrückenden NS-Regime zudem ein wichtiger außenpolitischer Erfolg. Woran Johanne aber vermutlich wenig Anteil nehmen dürfte. Sie fiebert im Sommer 1936 der Geburt eines weiteren Enkelkindes entgegen, das am 16. August, dem Tag der olympischen Abschlussfeier, das Licht der Welt erblickt: Almas und Friedrichs Tochter Irmgard.
Anschluss Österreichs, Münchner Abkommen, Reichspogromnacht, Zerschlagung Tschechiens, Überfall auf Polen – in den folgenden drei Jahren schreibt eine deutsche Regierung abermals Geschichte. Dieses Mal allerdings im denkbar unrühmlichsten Sinne, so dass der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 die unmittelbare und nicht mehr abzuwendende Folge ist. Was natürlich auch für Johannes Familie nicht ohne Konsequenzen bleibt. Der jüngste, mittlerweile als Bäcker arbeitende Sohn Heino wird bereits gleich zu Kriegsbeginn Soldat, im Sommer 1941 erhält dann auch der bis dahin als Milch-Fuhrmann tätige zweite Sohn Erich einen Stellungsbefehl. Nicht betroffen sind neben Ehemann Wilhelm Schwiegersohn Friedrich sowie Ferdinand, der die braunen Machthaber aber angesichts seiner Behinderung kaum weniger fürchten muss.
Die Kapitulation der Wehrmacht im Frühjahr 1945 ermöglicht die Rückkehr ihrer Söhne, konfrontiert Johanne aber auch mit den Wirren der Nachkriegszeit und den Entbehrungen des Hungerwinters 1946/47. Als dann nach der Währungsreform vom Juni 1948 die Wirtschaftswunder-Jahre beginnen, ist sie mit inzwischen 65 Jahren zu alt, um davon nachhaltig zu profitieren, und auch die äußeren Bedingungen sind nicht danach. Im Gegenteil: Weil Helmut Ahrens, der Sohn des 1938 verstorbenen Verpächters Heinrich Ahrens, die familieneigenen Ländereien künftig wieder selbst bewirtschaften möchte, müssen Johanne, Wilhelm und Ferdinand sowie Alma, Friedrich und deren Kinder Helmut, Irmgard und Uwe den Ahrens-Hof 1952 nach 25 Jahren räumen. Von dort ziehen sie zunächst in ein benachbartes, noch von Heinrich Ahrens errichtetes Altenteiler-Haus (heute: Erika und Gerhard Ahrens), zu dem noch einige wenige Hektar Land gehören. Die Möglichkeiten, sich dort mit den größtenteils weiter vorhandenen Tieren und Maschinen zu entfalten, sind jedoch äußerst begrenzt.
Als am 1. September 1954 Johannes Schwiegersohn Friedrich nach längerer Krankheit stirbt, nimmt die Familie dies zum Anlass, Hurrel zu verlassen. Von der Kirchengemeinde Hude mietet sie im Nachbardorf Lintel eine später zur Kapelle umgewidmete Wohnung (heute: Klaus Rodiek) und kauft gleichzeitig zweieinhalb Hektar des umliegenden Landes. Mit weiteren, in der Nähe von Hude und Wüsting hinzugepachteten Flächen betreiben Tochter Alma und Enkel Helmut dort Landwirtschaft. Letzterer arbeitet wie zuvor jahrelang Johannes seit 1947 in Oldenburg lebender Sohn Erich hauptberuflich als Fuhrmann für die Molkereigenossenschaft Wüsting.
In Lintel sind die Wohnverhältnisse für Johanne und Wilhelm ähnlich beengt wie schon im provisorisch bezogenen Altenteiler-Haus in Hurrel. Während Wilhelm noch regelmäßig auf dem Hof von Georg und Sophie Tönjes in Hurrel (heute: Heiko Pflug) aushilft, genießt Johanne hin und wieder etwas Abwechslung durch Besuche bei Erichs Familie im Stadtteil Alexandersfeld. Dort wachsen nach der Geburt der Zwillinge Werner und Linda im Oktober 1955 insgesamt fünf Enkelkinder auf.
Ihnen wie den älteren Geschwistern Helga, Erich Junior und Gerold beim Laufenlernen zuzusehen, ist Johanne nicht mehr vergönnt. Sie stirbt am 30. August 1956, einen Tag vor Wilhelms 77. Geburtstag, nach einem zuvor erlittenen Schlaganfall. Beerdigt ist Johanne vier Tage nach ihrem Tod auf dem Friedhof der St.-Elisabeth-Kirche in Hude.